Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 809/2003
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I 809/03

Urteil vom 3. Juni 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Fleischanderl

H.________, 1954, Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 17. November 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1954 geborene, in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige
H.________ hatte in den Jahren 1988, 1989 und 1991 in der Schweiz gearbeitet
und in dieser Zeit Beiträge an die AHV/IV entrichtet. Nachdem sie seit 1.
Oktober 1999 krankheitshalber nicht mehr erwerbstätig gewesen war, meldete
sie sich im Februar 2002 über die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
(BfA) in Berlin zum Bezug von (Renten-)Leistungen der schweizerischen
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland zog
diverse Unterlagen in medizinischer sowie beruflich-erwerblicher Hinsicht
bei. Gestützt darauf lehnte sie - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens
- das Rentenersuchen mangels anspruchsbegründender Invalidität ab (Verfügung
vom 24. Februar 2003), woran sie auf Einsprache hin festhielt
(Einspracheentscheid vom 19. März 2003).

B.
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission
der AHV/IV für die im Ausland lebenden Personen mit Entscheid vom 17.
November 2003 ab.

C.
H.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen
Rechtsbegehren um Zusprechung einer ganzen Invalidenrente. Zugleich beantragt
sie die Sistierung des Verfahrens bis zur "endgültigen Entscheidung in
Deutschland" bezüglich der Ausrichtung einer "vollen
Erwerbsunfähigkeitsrente". Sie reicht u.a. einen Bericht der Klinik
R.________ vom 10. Oktober 2003 zu den Akten.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
wobei sie die beantragte Sistierung des Verfahrens bis zum Abschluss des
Klageverfahrens gegen die deutsche Rentenversicherung als nicht indiziert
erachtet. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine
Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass das auf den 1. Juni 2002 in
Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten - darunter Deutschland - andererseits über die Freizügigkeit
(nachfolgend: FZA [SR 0.142.112.681]) Anwendung findet (BGE 129 V 4 Erw. 1.2,
169 Erw. 1, 356 Erw. 1, 128 V 320 ff. Erw. 1e; vgl. auch das zur Publikation
in der Amtlichen Sammlung bestimmte Urteil L. vom 7. April 2004, I 793/03,
Erw. 3). Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage des Art. 8 FZA
ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden (Art. 15 FZA) Anhangs
II "Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit" des FZA in Verbindung
mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander
insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern (nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71), und die Verordnung
(EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(nachfolgend: Verordnung Nr. 574/72), oder gleichwertige Vorschriften an. Der
ebenfalls auf den 1. Juni 2002 in Kraft getretene neue Art. 80a IVG verweist
in lit. a im Zusammenhang mit dem FZA auf diese beiden
Koordinierungsverordnungen (ASA 2002 688 und 700).

Gemäss Art. 20 FZA wurde das Abkommen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
mit der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar
1964 mit In-Kraft-Treten des FZA vorbehältlich gegenteiliger Bestimmungen des
Anhangs II des FZA insoweit ausgesetzt, als in den beiden Staatsverträgen
derselbe Sachbereich geregelt wird.

1.2 Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 haben die Personen,
die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt,
die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere
Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.

1.2.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September
2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im
Invalidenversicherungsrecht verschiedene materiellrechtliche Bestimmungen
geändert worden. In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben, und das Sozialversicherungsgericht stellt bei der
Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses
des streitigen Einspracheentscheides (hier: 19. März 2003) eingetretenen
Sachverhalt ab (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit
Hinweisen).

1.2.2 Vorliegend kann offen bleiben, ob auf Grund von Art. 2 ATSG in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 IVG die ATSG-Normen zur Arbeitsunfähigkeit (Art.
6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7), Invalidität (Art. 8) und zur Bestimmung des
Invaliditätsgrades (Art. 16) zu berücksichtigen sind. Im zur Publikation in
der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil A. vom 30. April 2004, I 626/03, hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass es sich bei den in Art.
3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen in aller Regel um eine
formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den
entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG handelt und sich
inhaltlich damit keine Änderung ergibt, weshalb die hiezu entwickelte
Rechtsprechung übernommen und weitergeführt werden kann (vgl. das erwähnte
Urteil A. vom 30. April 2004, Erw. 3.1, 3.2 und 3.3). Auch die Normierung des
Art. 16 ATSG führt nicht zu einer Modifizierung der bisherigen Judikatur zur
Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten, welche weiterhin nach
der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (Urteil A.
vom 30. April 2004, Erw. 3.4; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und
b).

1.2.3 Die Rekurskommission hat ferner die Bestimmungen und Grundsätze zur
Mindestbeitragsdauer (Art. 36 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum
Umfang des Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1
und 1bis IVG [in den bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassungen]) sowie
zum Beginn des Rentenanspruchs (bis 31. Dezember 2002: Art. 29 Abs. 1 lit. a
und b IVG; ab 1. Januar 2003: Art. 29 Abs. 1 lit. a und b IVG in Verbindung
mit Art. 6 und 7 ATSG) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

2.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Sistierung des vorliegenden Verfahrens bis
zum rechtskräftigen Entscheid über die Zusprechung einer
Erwerbsunfähigkeitsrente in Deutschland beantragt, ist ihr entgegenzuhalten,
dass sich mit dem FZA hinsichtlich der Invaliditätsbemessung nichts an der
bisherigen Rechtslage geändert hat. Wie in nach dem
Sozialversicherungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zu
beurteilenden Fällen die Gewährung von Leistungen durch ein deutsches
Versicherungsorgan die invalidenversicherungsrechtliche Beurteilung nach
schweizerischem Recht nicht präjudiziert (ZAK 1989 S. 320 Erw. 2; Urteil P.
vom 7. März 2003, I 543/02, Erw. 1.2 in fine mit Hinweisen), bestimmt sich
der Invaliditätsgrad nach In-Kraft-Treten des FZA (abgesehen von der
Berücksichtigung der von den Trägern der anderen Staaten erhaltenen
ärztlichen Unterlagen und Berichte gemäss Art. 40 der Verordnung Nr. 574/72;
vgl. auch Art. 51 der Verordnung Nr. 574/72) allein nach schweizerischem
Recht. Nach Art. 40 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 ist nämlich die vom
Träger eines Staates getroffene Entscheidung über die Invalidität eines
Antragstellers für den Träger eines anderen betroffenen Staates nur dann
verbindlich, wenn die in den Rechtsvorschriften dieser Staaten festgelegten
Tatbestandsmerkmale der Invalidität in Anhang V dieser Verordnung als
übereinstimmend anerkannt sind, was für das Verhältnis zwischen Deutschland
und der Schweiz (ebenso wie für das Verhältnis zwischen den übrigen
EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz) nicht der Fall ist (vgl. zum Ganzen das
zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmte Urteil L. vom 7. April
2004, I 793/03, Erw. 2.4 mit Hinweisen). Da die Invaliditätsbemessung
vorliegend somit - unbesehen der Entscheidung in Deutschland - einzig nach
schweizerischen Grundsätzen zu erfolgen hat, kann dem Sistierungsgesuch nicht
entsprochen werden.

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Rente
der schweizerischen Invalidenversicherung hat.

3.1 Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten umfassend gewürdigt und daraus
den richtigen Schluss gezogen, dass die Versicherte in ihrer bisherigen
Tätigkeit als Sachbearbeiterin in der Finanzbuchhaltung aber auch in jeder
anderen, ihren gesundheitlichen Einschränkungen angepassten beruflichen
Beschäftigung ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen vermöchte.
Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden.

3.2 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen vorgebracht wird, führt
zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere zeigt der letztinstanzlich neu
aufgelegte Bericht der Klinik R.________ vom 10. Oktober 2003 keine neuen
medizinischen Gesichtspunkte auf, sondern bestätigt die bisherige Diagnose,
wobei Angaben zur Arbeitsfähigkeit fehlen. Die Beschwerdeführerin vermag
gestützt darauf - jedenfalls bis zum die zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildenden Erlass des Einspracheentscheides (vom 19. März
2003; vgl. Erw. 1.2.1 hievor) - keine Änderung der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit zu bewirken. Sollte sich der Gesundheitszustand nach diesem
Zeitpunkt, wie von der Versicherten geltend gemacht, erneut verschlechtert
haben und das erwerbliche Leistungsvermögen dadurch weiter beeinträchtigt
worden sein, steht ihr jederzeit der Weg der Neuanmeldung nach Massgabe von
Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV offen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Das Sistierungsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen
Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 3. Juni 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: