Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 787/2003
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I 787/03

Urteil vom 13. September 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiberin Weber Peter

F.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Tim
Walker, Hinterdorf 27, 9043 Trogen,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 23. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 18. April 1996, welche unangefochten in Rechtskraft
erwachsen ist, sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen der 1949 geborenen
F.________, welche in der eigenen Pizzeria-Trattoria X.________ mitarbeitet,
nach Durchführung von medizinischen und beruflichen Abklärungen ab 1. August
1994 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe Invalidenrente
zu. Im Rahmen einer im August 1997 an die Hand genommenen Revision von Amtes
wegen gelangte die IV-Stelle aufgrund eines Berichts des Hausarztes Dr. med.

R. ________, Allgemeine  Medizin FMH (vom 28. September 1997), zum Schluss,
die Überprüfung des Invaliditätsgrades habe keine rentenbeeinflussende
Änderung ergeben. Es bestehe weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente
(Mitteilung vom 20. Oktober 1997). Dieser Rentenanspruch wurde im Zuge eines
weiteren Revisionsverfahrens aufgrund eines unveränderten Invaliditätsgrades
von 50 % bestätigt (Mitteilung vom 12. Januar 2001).

Im Fragebogen für eine Rentenrevision vom 8. August 2001 führte die
Versicherte eine erneute Verschlechterung des Gesundheitszustandes an. Die
IV-Stelle veranlasste in der Folge eine interdisziplinäre Begutachtung durch
die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) Y._______. Gestützt auf deren
Gutachten vom 25. Juli 2002 gelangte sie nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens zum Schluss, dass weiterhin Anspruch auf eine halbe
Invalidenrente aufgrund des bisherigen Invaliditätsgrades von 50 % besteht
(Verfügung vom 20. September 2002).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen ab (Entscheid vom 23. Oktober 2003).

C.
Die Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen, mit den
Rechtsbegehren, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung und des kantonalen
Gerichtsentscheides sei eine ganze Invalidenrente sowie eine Zusatzrente für
den Ehegatten zuzusprechen.

Die IV-Stelle schliesst unter Verweis auf die Erwägungen im vorinstanzlichen
Entscheid auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Invaliditätsbemessung bei
Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), die
Rentenrevision (Art. 41 IVG), die praxisgemässen Anforderungen an eine
anspruchsrelevante Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und die in
zeitlicher Hinsicht im Revisionsverfahren rechtserhebliche Vergleichsbasis
(BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis) sowie die Rechtsprechung zur Aufgabe des
Arztes und der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw.
4, 115 V 134 Erw. 2 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

1.2  Richtig ist auch, dass - entgegen der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung - das am 1. Januar 2003
in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nach den von der
Rechtsprechung entwickelten intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467
Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in materiellrechtlicher Hinsicht auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). Gleiches
gilt für die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der
Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 (4. IVG-Revision).

2.
Strittig und zu prüfen ist, ob sich der Invaliditätsgrad zwischen dem Erlass
der rechtskräftigen Verfügung vom 18. April 1996 und der nunmehr
angefochtenen Verfügung vom 20. September 2002 in einer für den
Rentenanspruch erheblichen und mithin revisionsrechtlich relevanten Weise
verändert hat.

3.
Die Vorinstanz hat in zutreffender Würdigung der medizinischen Aktenlage zu
Recht auf das schlüssige Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle MEDAS
(vom 25. Juli 2002), welchem ein psychiatrisches Konsilium des Dr. med.

L. ________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH (vom 17. Juli
2002), beiliegt, abgestellt und ist gestützt darauf zutreffend davon
ausgegangen, dass keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes
und der daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin
ausgewiesen ist. Gemäss dieser Expertise wird die Arbeitsfähigkeit der
Versicherten seit Jahren durch ein chronifiziertes panvertebrales
Schmerzsyndrom eingeschränkt, welches somatisch nur teilweise objektivierbar
ist. Unter Berücksichtigung der vorhandenen funktionellen Beschwerden und
psychischen Faktoren schätzten die Gutachter die Einschränkung für die
bisherige Tätigkeit als "Mithelferin" im familieneigenen Pizzabetrieb
weiterhin auf 50 %. Dieses interdisziplinäre Gutachten erfüllt entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin die nach der Rechtsprechung für den
Beweiswert medizinischer Expertisen geltenden Anforderungen (BGE 125 V 352
Erw. 3a mit Hinweisen). Es ist umfassend, beruht auf einer polydisziplinären
Untersuchung inklusive psychiatrischem Konsilium, berücksichtigt die
geklagten Beschwerden, ist in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben
worden, stellt die medizinischen Zusammenhänge dar und ist in den
Schlussfolgerungen überzeugend. Der rechtserhebliche medizinische Sachverhalt
ist hinreichend abgeklärt und es wurden bei der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit die physisch und psychisch bedingten Einschränkungen gehörig
berücksichtigt. Mit der Vorinstanz ist darauf abzustellen. Von zusätzlichen
medizinischen Abklärungen, insbesondere der Einholung einer Stellungnahme des
Hausarztes zum MEDAS-Gutachten, wie von Seiten der Beschwerdeführerin
beantragt, sind keine relevanten neuen Erkenntnisse zu erwarten, weshalb
darauf verzichtet wird (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b;
SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b). Sämtliche weitern Einwände in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit sie nicht bereits von der Vorinstanz
widerlegt sind, vermögen zu keiner andern Beurteilung zu führen. Insbesondere
ergibt sich entgegen der Beanstandung der Beschwerdeführerin aus dem
Gutachten klar und unmissverständlich, dass die attestierte 50 %ige
Arbeitsunfähigkeit das Resultat einer Gesamtbeurteilung unter
Berücksichtigung der physischen und psychischen Befunde ist, womit mit der
Vorinstanz eine Addition der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsgrade nicht
zulässig ist (vgl. dazu Urteil E. vom 3. März 2003, I 850/02).

4.
Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den
Rentenanspruch zu beeinflussen (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis, 112 V 372
Erw. 2b und 390 Erw. 1b). Rechtsprechungsgemäss ist die Invalidenrente nicht
nur bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch
dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich
gebliebenen Gesundheitszustandes erheblich verändert haben (BGE 113 V 275
Erw. 1a mit Hinweis). Ein Revisionsgrund ist ferner unter Umständen auch dann
gegeben, wenn eine andere Art der Bemessung der Invalidität zur Anwendung
gelangt (BGE 117 V 199 Erw. 3b mit Hinweis) oder eine Wandlung des
Aufgabenbereichs eingetreten ist (vgl. noch nicht in der Amtlichen Sammlung
veröffentlichtes Urteil A. vom 30. April 2004, I 626/03; BGE 117 V 199 Erw.
3b mit Hinweisen).

4.1  Die Vorinstanz geht in ihren Erwägungen unter Hinweis auf ZAK 1982 S.
499
davon aus, dass für eine im Betrieb ihres Ehemannes mitarbeitende
Versicherte, die keinen Barlohn bezieht, der Invaliditätsgrad an sich nach
der Methode des Betätigungsvergleichs ermittelt werden müsste. Zulässig sei
aber auch, in bestimmten Fällen von der ärztlich festgestellten
Arbeitsunfähigkeit auf die massgebende Invalidität bzw. Arbeitunfähigkeit zu
schliessen, was die IV-Stelle in den vergangenen Revisionsverfahren
zutreffend getan habe. Sie verweist dabei auf ZAK 1962 S. 478.

Die Beschwerdeführerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, diese
Urteile seien längstens überholt. Die Rentenberechnung sei auch
revisionsweise nach den Vorgaben des Gesetzes (Art. 16 ATSG), der Verordnung
(Art. 25 Abs. 2 IVV) und nach der Verfassung (Art. 8 Abs. 2 BV) vorzunehmen.
Nicht nur das Invalideneinkommen, sondern auch das Valideneinkommen sei nicht
nach den gesetzlichen Bestimmungen ermittelt worden. Die Beschwerdeführerin
sei zudem nicht als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes zu qualifizieren, sondern
als Selbstständigerwerbende. Ihr Valideneinkommen habe weit mehr als Fr.
15'132.- jährlich betragen.

4.2
4.2.1Gemäss Fragebogen für den Arbeitgeber vom 25. November 1994 ist die
Beschwerdeführerin seit 1. Juli 1992 als mitarbeitende Ehefrau des Inhabers
(Ehegatten) tätig. Es wurde kein AHV-pflichtiges Einkommen angegeben und
abgerechnet. Dass sich diesbezüglich zwischenzeitlich etwas geändert hat,
wird weder geltend gemacht noch ergeben sich diesbezüglich Hinweise aus den
Akten. Von einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, wie geltend gemacht wird,
kann keine Rede sein. Art. 25 Abs. 2 IVV ist mithin nicht anwendbar. Gleiches
gilt für Art. 16 ATSG (vgl. dazu Erw. 1.2 hievor). Es ist, wie anlässlich der
beruflichen Abklärung gemäss Bericht des Berufsberaters vom 25. Oktober 1995
bereits erfolgt, vom Status einer mitarbeitenden Ehefrau im Betrieb des
Ehepartners ohne Lohn auszugehen.

4.2.2  Nach Art. 27bis Abs. 1 IVV (in der seit 1. Januar 2001 in Kraft
stehenden und hier massgebenden bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung) wird
bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich
im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, für diesen Teil die
Invalidität nach Art. 28 Abs. 2 IVG festgelegt. Waren sie daneben in einem
Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG tätig, so wird die Invalidität für
diese Tätigkeit nach Art. 27 IVV festgesetzt. In diesem Falle sind der Anteil
der Erwerbstätigkeit beziehungsweise der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb
des Ehegatten oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im andern
Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad entsprechend der
Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen.

Im Vergleich zur vormaligen Regelung von Art. 27 Abs. 2 IVV (in der bis 31.
Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung) wird die (unentgeltliche) Mitarbeit
im Betrieb des Ehegatten explizit der Teilerwerbstätigkeit gleichgestellt.

4.2.3  Entgegen der Auffassung der Vorinstanz muss daher der Invaliditätsgrad
im hier massgebenden Zeitpunkt der angefochtenen Revisionsverfügung nicht
nach der Methode des Betätigungsvergleiches ermittelt werden, sondern
entsprechend den vorstehenden rechtlichen Erwägungen nach der sogenannten
Einkommensvergleichsmethode bzw. falls eine zuverlässige Ermittlung der
beiden Vergleichseinkommen direkt nicht möglich ist, nach dem
ausserordentlichen Bemessungsverfahren (AHI-Praxis 1998 S. 119 und 251, vgl.
dazu auch Rz 3106 f. des bundesamtlichen Kreisschreibens über Invalidität und
Hilflosigkeit [KSIH] in der Invalidenversicherung in der ab 1. Januar 2000
geltenden Fassung) bzw. nach der gemischten Methode. Anlässlich der
rechtskräftigen Verfügung vom 18. April 1996, welche im vorliegenden
Revisionsverfahren als Vergleichsbasis dient, wurde nach Durchführung einer
beruflichen Abklärung von der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit auf
die massgebende Invalidität bzw. Erwerbsunfähigkeit geschlossen. Diese Art
der Invaliditätsbemessung  hat die IV-Stelle im hier angefochtenen wie auch
in den vergangenen Revisionsverfahren durchgeführt, was die Vorinstanz im
angefochtenen Entscheid als korrekt geschützt hat. Dazu gilt festzustellen,
dass dieses Vorgehen grundsätzlich nicht zulässig ist und nur ausnahmsweise
zur Anwendung gelangen darf (Urteil S. vom 30. Mai 2001 Erw. 3a, I 35/01).
Von zweifelloser Unrichtigkeit der sich darauf stützenden Rentenverfügung
kann jedoch aufgrund der konkreten Umstände nicht gesprochen werden, womit
eine Wiedererwägung ausgeschlossen ist (Urteil T. vom 22. April 2004 Erw.

3.2 , I 434/03). Hingegen darf im vorliegenden Revisionsverfahren dieser
verkürzte Schluss nicht erneut gezogen werden, vielmehr ist bedingt durch die
Verordnungsänderung (vgl. ZAK 1983 S. 554) eine neue korrekte
Invaliditätsbemessung durchzuführen, um gestützt darauf zu entscheiden, ob
sich im Vergleich zur Rentenverfügung vom 18. April 1996 der Invaliditätsgrad
in revisionsrechtlich relevanter Weise verändert hat. Mithin ist die Sache zu
ergänzenden Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. In diesem
Zusammenhang hat die Verwaltung dann auch über die letztinstanzlich erstmals
geltend gemachte Zusatzrente für den Ehemann der Beschwerdeführerin zu
befinden (vgl. dazu BGE 128 V 20).

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Oktober
2003 und die Verfügung vom 20. September 2002 aufgehoben werden und die Sache
an die IV-Stelle des Kantons St. Gallen zurückgewiesen wird, damit sie nach
erfolgten Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu
verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.  Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat der Beschwerdeführerin für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 13. September 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: