Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 76/2003
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I 76/03

Urteil vom 20. August 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber
Grunder

K.________, 1953, Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 11. Dezember 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1953 geborene K.________ bezog ab 1. Oktober 1987 eine ganze und vom 1.
November 1989 an eine halbe Rente der Invalidenversicherung (nebst
Zusatzrente für die Ehefrau und zwei Kinderrenten). Seit November 1992 ist er
als Koch und später als Leiter der Mensa an der Schule X.________ angestellt.
Anlässlich von vier von Amtes wegen vorgenommenen revisionsweisen
Überprüfungen bestätigte die IV-Stelle Luzern den Anspruch auf eine halbe
Invalidenrente (Beschlüsse vom 27. März 1991, 16. Juni 1993, 31. Oktober 1995
und 26. August 1997). Im Rahmen einer weiteren Revision holte sie einen
Arbeitgeberbericht des Personalamtes des Kantons Luzern vom 28. Mai 2001 ein,
wonach die Arbeitszeit des Versicherten ab 1. Januar 2000 von 24,5 auf 35
Wochenstunden erhöht worden war. Gestützt darauf hob die IV-Stelle die Rente
bei einem durch Einkommensvergleich ermittelten Invaliditätsgrad von 27 %
(Einkommen ohne Behinderung Fr. 96'954.-; mit Behinderung Fr. 70'694.-) mit
Wirkung ab 1. April 2000 auf (Verfügung vom 24. Juli 2001) und forderte die
vom 1. April 2000 bis 31. Juli 2001 zu Unrecht ausgerichteten Leistungen im
Betrage von Fr. 33'845.- mit der Begründung zurück, der Versicherte habe die
ihm obliegende Meldepflicht verletzt (Verfügung vom 30. Juli 2001).

B.
Die gegen die zwei Verfügungen eingereichte Beschwerde, die sich einerseits
gegen die Ermittlung des Invaliditätsgrades und andererseits gegen die
Annahme einer Meldepflichtverletzung richtete, hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern insoweit gut, dass es eine Rückerstattungspflicht für die
in den Monaten Juni und Juli 2001 bezogenen Leistungen im Umfang von Fr.
3'476.- verneinte. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab (Entscheid vom 11.
Dezember 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt K.________, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei ihm die Rückerstattung im Betrag von Fr.
33'845.- zu erlassen.

Die IV-Stelle Luzern schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt
für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig ist nicht mehr, dass ab 1. April 2000 kein Anspruch auf
Invalidenrente mehr bestand. Zu prüfen ist einzig, ob der Beschwerdeführer
verpflichtet ist, die ab diesem Zeitpunkt bis Ende Mai 2001 bezogenen
Leistungen zurückzuerstatten. Diese Frage hängt nach den zutreffenden
Erwägungen im angefochtenen Entscheid, worauf verwiesen wird, davon ab, ob
der Beschwerdeführer die ihm obliegende Meldepflicht verletzt hat (Art. 88bis
Abs. 2 lit. b IVV in Verbindung mit Art. 77 IVV). Zu ergänzen ist, dass das
am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil
des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 30. Juli 2001) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde durfte der
Versicherte nicht davon ausgehen, es stehe ihm, solange sich der
Gesundheitszustand und die ärztlich eingeschätzte Arbeitsunfähigkeit nicht
veränderten, weiterhin eine halbe Invalidenrente zu. Nach Art. 77 IVV ist
jede für den Leistungsanspruch wesentliche Änderung, namentlich der
wirtschaftlichen Verhältnisse, unverzüglich der IV-Stelle anzuzeigen. Gemäss
Fragebogen der Arbeitgeberin vom 28. Mai 2001 wurden ihm bei einer
monatlichen Entlöhnung von Fr. 3755.20 im April 1999 Fr. 9185.25 und im
Dezember Fr. 12'303.80 für geleistete Überstunden ausbezahlt. Obwohl ab 1.
Januar 2000 die Arbeitszeit deutlich erhöht worden war (monatliches Einkommen
von Fr. 5438.50), fielen in der Folge weitere zahlreiche Überstunden an, die
im April und September desselben Jahres entschädigt worden waren. Die
Vorinstanz ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass sich die
wirtschaftlichen Verhältnisse für den Beschwerdeführer erkennbar spätestens
ab April 2000 dauernd verändert hatten, ein Umstand, der hätte gemeldet
werden müssen. Zwar hat die IV-Stelle den Anspruch nach Zusprechung einer
ganzen Invalidenrente ab 1. Oktober 1987 in regelmässigen Abständen von zwei
Jahren bis im Frühjahr 1997 überprüft und danach mit einer erneuten Revision
bis zum Frühjahr 2001 zugewartet, obwohl auf Grund der Fragebogen der
Arbeitgeberin vom 14. August 1995 und 18. Juni 1997 deutliche Anhaltspunkte
für die spätere Lohnentwicklung bestanden (Beförderung zum Leiter der Mensa;
in den Jahren 1994 und 1996 mit Überstunden erzielte Jahresverdienste von Fr.
50'537.10 und Fr. 65'531.40). Von der Meldepflicht war der Beschwerdeführer
dadurch indessen nicht entbunden, zumal die Verwaltung ihn regelmässig
ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte (letztmals mit der
Kinderrentenverfügung vom 25. April 2000 für den in der Ausbildung stehenden
Sohn) und die Arbeitszeit angesichts der in den vorangegangenen Jahren
geleisteten Überstunden ab 1. Januar 2000, wenn auch vorläufig, deutlich
erhöht worden war. Sodann genügt nach den zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanz für die Annahme einer Anzeigepflichtverletzung ein leichtes
Verschulden (BGE 112 V 101 Erw. 2a).

3.
Auf das Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die
Rückerstattungsschuld sei ihm zu erlassen, kann, wie die IV-Stelle richtig
einwendet, nicht eingetreten werden, da es diesbezüglich an einer Verfügung
der Verwaltung und damit an einem Anfechtungsgegenstand fehlt (BGE 125 V 414
Erw. 1b mit Hinweisen). Dem Beschwerdeführer bleibt es aber unbenommen, ein
entsprechendes Gesuch einzureichen, das nicht schon deshalb aussichtslos
erscheint, weil eine Meldepflichtverletzung vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit
schliesst die Annahme des guten Glaubens als eine der Voraussetzungen für den
Erlass der Rückerstattungsschuld (Art. 47 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art.
49 IVG; ab 1. Januar 2003 durch Art. 25 Abs. 1 ATSG ersetzt) im Gegensatz zur
groben Fahrlässigkeit nicht aus (BGE 112 V 103 Erw. 2c)

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 20. August 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: