Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 749/2003
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I 749/03

Urteil vom 26. Mai 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiberin Schüpfer

P.________, 1945, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin
Annagreth Fässler-Zehnder, Mangelegg 27, 6430 Schwyz,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 21. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Der aus dem Kosovo stammende, 1945 geborene P.________ arbeitete seit 1981
als Bauarbeiter bei der Firma S.________ AG. Das Anstellungsverhältnis wurde
von der Arbeitgeberin per 31. Mai 2000 aufgelöst, da P.________ aus
gesundheitlichen Gründen nicht weiter auf einer Baustelle arbeiten konnte. Er
meldete sich am 19. Oktober 2001 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Schwyz holte in Abklärung der medizinischen
und erwerblichen Entscheidungsgrundlagen unter anderem Arztberichte ein und
liess den Versicherten bei der MEDAS polydisziplinär begutachten.
Zusammenfassend stellten die Ärzte im Gutachten vom 11. Oktober 2002 die
Diagnosen eines chronischen Lumbovertebral-Syndroms mit intermittierender
spondylogener Symptomatik rechts und einer Anpassungsstörung mit vorwiegender
Beeinträchtigung verschiedenster Gefühle. In seiner angestammten Tätigkeit
als Bauhandlanger erachteten sie seine Arbeitsfähigkeit wegen der
rheumatologischen mehr als den psychopathologischen Befunden auf weniger als
20%. Bei einer anderen körperlich leichten Tätigkeit schätzten sie die
Arbeitsfähigkeit auf 50% der Norm, wobei die psychopathologischen Befunde
limitierend seien. Da der medizinische Dienst der IV-Stelle das
psychiatrische Teilgutachten als widersprüchlich und nicht nachvollziehbar
erachtete, liess diese P.________ noch vom Institut X.________ abklären.
Chefarzt Dr. med. W.________ kam im Gutachten vom 16. Januar 2003 zur selben
Diagnose wie der Spezialist im MEDAS-Gutachten, erachtete jedoch die
Arbeitsfähigkeit durch ein leicht verlangsamtes Arbeitstempo und etwas
vermehrte Pausen lediglich als im Rahmen von 10 bis 20% eingeschränkt. Mit
Verfügung vom 6. Februar 2003 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, dass
er bei einem zumutbaren Erwerbseinkommen von Fr. 39'169.- und einem
Invaliditätsgrad von 35,76% keinen Anspruch auf eine Rente habe. Sie hielt im
Einspracheentscheid vom 11. Juni 2003 an dieser Beurteilung fest.

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 21. Oktober 2003).

C.
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des Entscheides vom 21. Oktober 2003 sei ihm ab Gesuchstellung
mindestens eine halbe Invalidenrente beziehungsweise eine Invalidenrente nach
Ermessen des Gerichts zuzusprechen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz schliesst auf Abweisung, während
sich die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen
lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten, mit
dem zahlreiche Bestimmungen im IV-Bereich geändert worden sind. In zeitlicher
Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V
467 Erw. 1), und das Sozialversicherungsgericht stellt bei der Beurteilung
eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des
streitigen Einspracheentscheids (hier: 11. Juni 2003) eingetretenen
Sachverhalt ab (BGE 129 V 4).

1.2 Vorliegend kann offen bleiben, ob auf Grund von Art. 2 ATSG in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 IVG die ATSG-Normen zur Arbeitsunfähigkeit (Art. 6),
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7), Invalidität (Art. 8) und zur Bestimmung des
Invaliditätsgrades (Art. 16) zu berücksichtigen sind. Dies weil gemäss dem
zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil A. vom 30.
April 2004, I 626/03, das Gericht erkannt hat, dass es sich bei den in Art.
3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen in aller Regel um eine
formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den
entsprechenden vor In-Kraft-Treten des ATSG geltenden Begriffen handelt und
sich damit inhaltlich keine Änderung ergibt, was zur Folge hat, dass die
hiezu entwickelte Rechtsprechung übernommen und weitergeführt werden kann
(vgl. erwähntes Urteil vom 30. April 2004, Erwägungen 3.1.2, 3.2.1, 3.3.1 und
3.3.2). Auch die Normierung von Art. 16 ATSG führt nicht zu einer
Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung zur Invaliditätsbemessung bei
Erwerbstätigen, welche weiterhin nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (erwähntes Urteil vom 30. April 2004,
Erwägung 3.4.2, BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b).

1.3 Die Vorinstanz hat ferner die relevanten Bestimmungen und die
Rechtspraxis zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art.
28 Abs. 1 und 1bis IVG, in der bis 31. Dezember 2003 in Kraft gestandenen
Fassung) und zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und
Gutachten (BGE 105 V 158 ff., vgl. ferner BGE 125 V 261 Erw. 4, 122 V 160
Erw. 1c und AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc) richtig wiedergegeben.

2.
2.1 Streitig und zu beurteilen ist vorliegend in erster Linie, ob Verwaltung
und Vorinstanz zu Recht von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit an einem
leichten, angepassten Arbeitsplatz von mindestens 80% eines Vollpensums
ausgegangen sind. Beide stützen sich dabei auf das Gutachten von Dr. med.
W.________ vom 16. Januar 2003, währenddem die Gutachter der MEDAS ihren
Ausführungen eine zumutbare Arbeitsfähigkeit von 50% zugrunde legten. Die
Parteien sind sich insbesondere darüber uneinig, ob das kantonale Gericht die
medizinischen Gutachten in beweisrechtlicher Hinsicht richtig gewürdigt und
zu Recht auf dasjenige von Dr. med. W.________ vom 16. Januar 2003 abgestellt
hat.

2.2 Die beiden Gutachten (Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH für
Psychiatrie, MEDAS-Teilgutachten vom 13. August 2002 und Dr. med. W.________,
Chefarzt des Instituts X.________, vom 16. Januar 2003) unterscheiden sich
einzig in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit. In Bezug auf die Diagnose
sind sich die Ärzte einig.

2.3 Das kantonale Gericht hat eingehend dargelegt, warum es aufgrund der
medizinischen Akten zur Erkenntnis gelangt ist, dass der Beschwerdeführer in
einer angepassten leichten Arbeitsstelle höchstens 20% in seiner
Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Dem ist zu folgen. Dies insbesondere
auch aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach der
krankheitsbedingten Entlassung aus seinem langjährigen Arbeitsverhältnis mit
der Firma S.________ AG während einer Sommer-Saison (vom 1. Juni bis 31.
Oktober 2000) im Hotel A.________ als Hausmeister tätig war. Während der
beschränkten Dauer von fünf Monaten arbeitete der Beschwerdeführer dort
während den betriebsüblichen 42 Stunden pro Woche. Es gibt keine
Anhaltspunkte dafür, dass er wegen psychischer Beschwerden die dort
geforderten Aufgaben nicht hätte verrichten können. Im Gegenteil wird im
MEDAS-Teilgutachten von Dr. med. J.________, Spezialarzt für Physikalische
Medizin und Rehabilitation, vom 30. August 2002 beschrieben, dass er diese
Arbeit mit wenig gesundheitlichen Beschwerden habe ausüben können und sie ihm
gut gefallen habe. Aus den Anamnesen in den medizinischen Gutachten ergibt
sich, dass die psychischen Beschwerden damals schon bestanden haben. Sie
zeigten sich zuerst anlässlich eines Besuches des Beschwerdeführers im Kosovo
im Jahre 1999. Er musste dort erfahren, dass sein Lebensplan, im Alter
zurückzukehren und in der Heimat in einem eigenen Haus zu leben, gescheitert
war, nachdem dieses in den Kriegswirren zerstört wurde. Im Zeitpunkt der
Begutachtung durch die MEDAS, im August 2002, war er zudem ganztags in einem
Beschäftigungsprogramm der Arbeitslosenversicherung engagiert. Aufgrund der
Akten bestand auch bei dieser Tätigkeit keine zeitliche Einschränkung.
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer möglich
und zumutbar ist, in einer leichten, rückenschonenden Arbeit ein Pensum von
mindestens 80% zu verrichten, wobei einsichtig ist, dass die Limitierung in
einem verlangsamten Arbeitstempo und vermehrten Pausen besteht.

3.
3.1 Zu prüfen bleibt demnach, was der Beschwerdeführer im beschriebenen Rahmen
zumutbarerweise noch zu verdienen vermag. Unbestritten ist, dass das
Valideneinkommen für das Jahr 2002 gemäss Auskunft der ehemaligen
Arbeitgeberin Fr. 60'970.- beträgt.

3.2 Die IV-Stelle hat in der Verfügung vom 6. Februar 2003 dargelegt, dass
gemäss den Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik (LSE) ein un-
beziehungsweise angelernter Arbeitnehmer im Jahr 2002 in der Schweiz
durchschnittlich Fr. 57'602.- verdiente. Davon ist praxisgemäss (BGE 126 V 75
ff.) ein Abzug vorzunehmen, soweit konkret anzunehmen ist, dass der
Versicherte diesen Durchschnittswert nicht zu erreichen vermag. Vorliegend
fallen die behinderungsbedingte Einschränkung auf eine leichte Tätigkeit und
die Notwendigkeit, vermehrte Pausen einzulegen und nach einem eigenen Tempo
zu arbeiten, ins Gewicht (vgl. BGE 126 V 80 Erw. 5b/bb), wobei letzteres
bereits mit der Anerkennung einer auf 80% reduzierten Arbeitsfähigkeit
anerkannt wurde. Daraus zeigt sich, dass ein Abzug von 15%, wovon die
IV-Stelle in ihrer Verfügung ausgegangen ist, den gesamten Umständen
entspricht. Es besteht vorliegend kein triftiger Grund, in das diesbezügliche
Ermessen von Verwaltung und Vorinstanz einzugreifen (BGE 126 V 75). Der
zutreffend ermittelte Einkommensvergleich ergibt damit einen
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad, sodass die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen ist.

4.
Dem Begehren um unentgeltliche Verbeiständung (Art. 152 Abs. 2 OG) kann
entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit auf Grund der eingereichten
Unterlagen ausgewiesen ist, die Beschwerde zwar als unbegründet, aber nicht
geradezu als aussichtslos zu bezeichnen ist und die Vertretung wenn nicht
notwendig, so doch geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später
dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwältin
Annagreth Fässler-Zehnder für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (Honorar und
Auslagenersatz) von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 26. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin:
i.V.