Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 748/2003
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I 748/03

Urteil vom 3. März 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Scartazzini

K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Axel Delvoigt,
Hauptstrasse 34, 4102 Binningen,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 3. September 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1960 geborene, aus der Türkei stammende K.________ war bis Oktober 1994
bei der X.________ als Betriebsangestellte tätig, bezog anschliessend während
einem Jahr Leistungen der Arbeitslosenversicherung und arbeitete seit Oktober
1995 während fünfzehn Stunden pro Woche als Briefsortiererin bei der Post. Am
8. Juli 1999 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Bezug von
Leistungen an. Gestützt auf einen Arztbericht des Neurologen Dr. med.
H.________, ihres behandelnden Arztes, welcher ab dem 26. Mai 1999 eine
50%ige Arbeitsunfähigkeit attestierte (Bericht vom 14./18. August 1999), gab
sie als Grund der Behinderung eine Depression sowie Kopfschmerzen und
Schmerzen an der Schulter, dem rechten Arm und dem rechten Bein an.

Die IV-Stelle Basel-Stadt klärte die gesundheitlichen und erwerblichen
Verhältnisse ab. Unter anderem liess sie die Versicherte an der
Psy-chiatrischen Universitätspoliklinik des Kantonsspitals Basel untersu-
chen (Bericht vom 12. Juni 2002). Nach Durchführung des
Vorbe-scheidverfahrens lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 29. Juli 2002
das Begehren um Ausrichtung einer Invalidenrente ab, da die Versi-cherte eine
verbleibende Erwerbsfähigkeit von 75 % aufwies.

B.
In der von K.________ hiegegen erhobenen Beschwerde wurde beantragt, es sei
ihr mindestens eine halbe Rente mit Wirkung ab 1. Mai 2000 auszurichten.
Eventualiter sei die Angelegenheit zur weiteren Abklärung der
Erwerbsfähigkeit an die IV-Stelle zurückzuweisen. Insbesondere habe es der
rheumatologische Gutachter Dr. med. B.________ unterlassen, anlässlich seiner
Untersuchung vom 24. September 2001 einen Dolmetscher beizuziehen. Das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die Beschwerde mit Entscheid vom
3. September 2003 ab.

C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und in Aufhebung des
angefochtenen Entscheides die vorinstanzlichen Rechtsbegehren erneuern.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichten das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und das
Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehm-lassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), zu den
Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis
IVG) und zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten
nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl. BGE 104 V 136
f. Erw. 2a und b; AHI 2000 S. 309 Erw. 1a; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw. 1)
zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur Aufgabe des
Arztes bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 f. Erw. 4 mit Hinweisen)
und zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a
mit Hinweis; AHI 2000 S. 152 Erw. 2c). Darauf wird verwiesen. Richtig ist
auch, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der
Rechtsprechung entwickelten intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467
Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in materiellrechtlicher Hinsicht auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Zu ergänzen ist, dass die am 1.
Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 nicht zur Anwendung gelangen (BGE 129
V 4 Erw. 1.2).

2.
Das kantonale Gericht hat wie zuvor die IV-Stelle den Anspruch auf eine Rente
der Invalidenversicherung mit der Begründung verneint, die Arbeitsfähigkeit
der Versicherten sei in ihrer angestammten Tätigkeit weder aus
rheumatologischer noch psychiatrischer Sicht in rentenbe-gründendem Ausmass
eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin macht hauptsächlich geltend, ihr
Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil die
rheumatologischen Abklärungen durch Dr. med. B.________ ohne Beizug eines
Dolmetschers durchgeführt worden seien. Streitig und zu prüfen ist in einem
ersten Schritt somit, ob der Gesundheitszustand in somatischer Hinsicht und
eine allfällige Arbeitsunfähigkeit zuverlässig auf der Grundlage
fachärztlicher Berichte beurteilt werden konnten.

2.1 Nach der Rechtsprechung ist für den Beweiswert eines Arzt-berichtes
entscheidend, ob er für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen
Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwer-den berücksichtigt, in
Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der
medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation einleuchtet und
ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 Erw. 3a
mit Hinweis). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in dem Sinne einen
Anspruch auf Durchführung medizinischer Abklärungsmassnahmen in der
Muttersprache des Exploranden oder der Explorandin im Verfahren der
Invalidenversicherung bejaht, als es Sache der versicherten Person ist,
rechtzeitig einen entsprechenden Antrag bei der Verwaltung oder allenfalls
beim Richter zu stellen (nicht veröffentlichte Urteile Y. vom 23. November
1999 [I 541/99], S. vom 8. März 1999 [I 222/98] und K. vom 5. Dezember 1994
[I 66/94]). Ob eine medizinische Abklärung in der Muttersprache des
Exploranden oder der Explorandin oder unter Beizug eines Übersetzers im
Einzelfall geboten ist, hat jedoch grundsätzlich der Gutachter im Rahmen
sorgfältiger Auftragserfüllung zu entscheiden. Besonderes Gewicht kommt der
bestmöglichen Verständigung zwischen Gutachter und versicherter Person im
Rahmen von psychiatrischen Abklärungen zu. Dort setzt eine gute Exploration
auf beiden Seiten vertiefte Sprachkenntnisse voraus. Ist der Gutachter der
Sprache des Exploranden nicht mächtig, erscheint es medizinisch und sachlich
geboten, dass er eine Übersetzungshilfe beizieht (Urteil L. vom 25. Juli 2003
[I 642/01] Erw. 3.1).

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im Rahmen von somatischen Abklärungen
nicht zum vornherein von einer Gehörsverletzung gesprochen werden kann, wenn
trotz Verständigungsschwierigkeiten eine Begutachtung nicht in der
Muttersprache des oder der Versi-cherten oder unter Beizug eines Dolmetschers
stattfindet oder statt-fand. Entscheidend dafür, wie der sprachlichen
Verständigung Rechnung getragen werden muss, ist die Bedeutung der Abklärung
als Entscheidungsgrundlage für die in Frage stehende Leistung (vgl. Urteil I.
vom 30. Dezember 2003, I 245/00).

2.2 Im vorliegenden Fall stellte Dr. med. B.________ in seinem Gutachten vom
27. September 2001 fest, die Versicherte sei mit der Begutachtung
einverstanden gewesen und habe recht gut Deutsch gesprochen, so dass eine
Übersetzung oder spezifische Erklärungen nicht erforderlich gewesen seien.
Der Gutachter hat die Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin somit
ausdrücklich als genügend bezeichnet. Die Versicherte, welche die
medizinische Abklärung von Dr. med. B.________ im Rahmen des
Vorbescheidverfahrens noch nicht beanstandet, sondern lediglich eine weitere
psychiatrische Untersuchung beantragt hatte, lässt vorbringen, ihre
Deutschkenntnisse seien schlecht und reichten für eine Abklärung in
somatischer Hinsicht ohne Beizug eines Übersetzers nicht aus. Dies gehe auch
aus dem Umstand hervor, dass die psychiatrischen Abklärungen und die
Haushaltsabklärung im Beisein einer Dolmetscherin erfolgt seien. Bei der
Untersuchung des Rheumatologen Dr. med. B.________ hätte es
Verständnisschwierigkeiten zwischen ihr und dem Arzt gegeben. Sie hätte
mangels genügender Kenntnis der deutschen Sprache die Schmerzen und
Beschwerden nicht richtig beschreiben können. Entsprechend hätte der
Rheumatologe das genaue Beschwerdebild und die genauen Schmerzen nicht
verstanden. Weil der Beizug eines Dolmetschers unerlässlich gewesen wäre,
könne nicht auf den Arztbericht von Dr. med. B.________ vom 27. September
2001 abgestellt werden.

Dem hält die Vorinstanz zu Recht entgegen, aus den Akten ergäben sich keine
genügenden Anhaltspunkte dafür, dass die rheumatologi-sche Untersuchung durch
erhebliche Verständnisschwierigkeiten be-hindert worden wäre, weshalb auch
keine Veranlassung bestanden habe, einen Dolmetscher beizuziehen. Auch wenn
die Abklärung ohne Übersetzer durchgeführt worden sei, habe Dr. med.
B.________ dennoch eine Sozialanamnese aufnehmen und die subjektiv geklagten
Beschwerden zutreffend aufführen können. Ebenso seien die weiteren
allgemeininternistischen und rheumatologischen Untersuchungen offensichtlich
problemlos durchgeführt worden. Die Tatsache, dass Dr. med. H.________ nach
Erlass des Vorbescheids eine weitere - im Beisein einer Dolmetscherin
durchgeführte - psychiatrische Untersuchung angeregt habe, spreche zudem
dafür, dass er die psychischen Beeinträchtigungen als im Vordergrund stehend
angesehen habe. Auf die Ergebnisse des Gutachtens von Dr. med. B.________,
welches auch den übrigen rechtsprechungsgemäss erforderlichen Kriterien für
beweiskräftige ärztliche Entscheidungsgrundlagen genügt (vgl. BGE 125 V 352
Erw. 3a mit Hinweis), ist somit abzustellen.

3.
Es bleibt zu prüfen, ob die IV-Stelle auf Grund des rechtserheblichen
Sachverhalts einen Anspruch auf Versicherungsleistungen zu Recht abgelehnt
hat. Verwaltung und Vorinstanz haben in sorgfältiger und einlässlich
begründeter Würdigung der medizinischen Aktenlage zu Recht hauptsächlich auf
das überzeugende, von der IV-Stelle eingeholte Gutachten des Rheumatologen
Dr. med. B.________ vom 27. September 2001, auf das Gutachten des Psychiaters
Dr. med. F.________ vom 17. Dezember 2001 und auf die im
Vorbescheid-verfahren in Auftrag gegebene Begutachtung der Psychiatrischen
Universitätspoliklinik des Kantonsspitals Basel vom 12. Juni 2002 abgestellt.
Indem es auf eine 75%ige Arbeitsfähigkeit der Beschwer-deführerin in ihrer
angestammten Tätigkeit geschlossen hat, hat das kantonale Gericht daraus die
richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Die davon abweichenden Bescheinigungen
einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Neurologen Dr. med.
H.________ vom 21. und 31. Oktober 2003, auf die sich die Beschwerdeführerin
beruft, vermögen im Sinne der zutreffenden Erwägungen im angefochtenen
Entscheid, auf welche verwiesen wird, dagegen nicht aufzukommen.  Gestützt
auf den von der Vorinstanz korrekt vorgenommenen Einkommensvergleich ergibt
sich sodann kein Invaliditätsgrad in rentenbegründendem Ausmass. Auf die
entsprechende Erwägung im kantonalen Entscheid wird ebenfalls verwiesen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 3. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: