Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 742/2003
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I 742/03

Urteil vom 18. Mai 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber
Hadorn

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, 1958, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dr. Heiner
Schärrer, Aeschenvorstadt 67, 4051 Basel

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 3. September 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 27. Juni 2002 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt dem 1958
geborenen A.________ gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 59 % eine halbe
Invalidenrente ab 1. März 2001 zu.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt mit Entscheid vom 3. September 2003 gut. Es errechnete einen
Invaliditätsgrad von 67,5 % und gewährte A.________ eine ganze Invalidenrente
ab 1. März 2001.

C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
kantonale Entscheid sei aufzuheben.

A. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen
und überdies die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung beantragen. Das
Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzlichen Bestimmungen
zum Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1, 1bis
und 2 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung) sowie die
Rechtsprechung zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 352 Erw. 3, 122 V 158 f.) und zum Abzug von
den Tabellenlöhnen (vgl. dazu BGE 126 V 75) richtig dargelegt. Zu ergänzen
ist, dass dieser Abzug nicht in jedem Fall zur Anwendung kommen muss und
höchstens 25 % betragen darf. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die am 1.
Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 nicht zur Anwendung gelangen (BGE 129
V 4 Erw. 1.2).

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig der Abzug von den Tabellenlöhnen. Während
die IV-Stelle in ihrer Verfügung keinen solchen gewährte und in der
Vernehmlassung höchstens 10 % zugestehen will, hat die Vorinstanz einen Abzug
von 20 % vorgenommen. Damit kam sie im Unterschied zur Verwaltung auf einen
Invaliditätsgrad von mehr als zwei Dritteln.

2.1 Dr. med. W.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH,
führt im Bericht vom 3. Februar 2002 aus, dem Versicherten seien
ausschliesslich mit der rechten Hand ausführbare Tätigkeiten weiterhin vier
Stunden täglich zumutbar. Er müsse als funktionell Einarmiger angesehen
werden, sei vermindert belastbar und verfüge über ein eingeschränktes
Durchhaltevermögen. Er könne sich nicht acht Stunden am Tag auf eine Arbeit
konzentrieren, aber grundsätzlich ganztags eingesetzt werden bei einem um
etwa 50 % verminderten Rendement. Sinngemäss gleich, wenn auch in weniger
präziser Formulierung, hatte sich Dr. W.________ bereits im Gutachten vom 1.
Januar 2002 geäussert. SUVA-Kreisarzt Dr. med. E.________ bezeichnet den
Beschwerdegegner im Bericht vom 23. Juni 2003 de facto als dominanten
Einhänder, der ganztags eine entsprechende leichte Tätigkeit besorgen könne.
Die Rehabilitationsklinik X._________ legte die Arbeitsfähigkeit im Bericht
vom 28. August 2000 über den Spitalaufenthalt vom 26. Juli bis 23. August
2000 auf 50 % beim Klinikaustritt fest.

2.2 Angesichts dieser übereinstimmenden medizinischen Akten ist erstellt,
dass der Versicherte noch eine Restarbeitsfähigkeit von 50 % aufweist. Er
könnte ganztags arbeiten, würde dabei aber behinderungsbedingt nur eine
Leistung von etwa 50 % erbringen. Damit ist die wegen der gesundheitlichen
Einschränkungen anfallende Leistungseinbusse vollumfänglich berücksichtigt.
Es rechtfertigt sich daher nicht, zusätzlich zur bereits auf 50 % reduzierten
Leistungsfähigkeit noch einen behinderungsbedingten Abzug zu gewähren. Auf
Grund seiner ausländischen Nationalität mit Aufenthaltsbewilligung C hat der
Beschwerdegegner ebenfalls keine erhebliche Lohndiskriminierung zu
befürchten, hat er doch vor seinem Unfall einen recht hohen Verdienst
erzielt. Das Alter von nunmehr 46 Jahren fällt nicht stark erschwerend ins
Gewicht. Einzig der reduzierte Beschäftigungsgrad könnte zu zusätzlichen
Erwerbseinbussen führen (BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa). Unter solchen Umständen
hat die Vorinstanz ihren Ermessensspielraum überschritten, als sie dem
Beschwerdegegner einen Abzug von 20 % von den Tabellenlöhnen gewährte. Es
kann offen bleiben, ob die von der IV-Stelle vorgeschlagenen 10 % allenfalls
angemessen wären, denn so oder anders ergibt sich auf Grund des im Übrigen
korrekten  Einkommensvergleichs kein Anspruch auf eine ganze Rente.

3.
Der Beschwerdegegner, welcher nach dem Gesagten unterliegt, hat die Gewährung
der unentgeltlichen Verbeiständung beantragt. Diesem Begehren ist
stattzugeben, sind doch die entsprechenden Voraussetzungen (dazu BGE 125 V
202 Erw. 4a) erfüllt. Der Versicherte wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG
hingewiesen, wonach er dem Gericht Ersatz zu leisten haben wird, falls er
dereinst dazu im Stande sein sollte. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
die Vorinstanz über die im kantonalen Prozess der IV-Stelle auferlegte
Parteientschädigung und das vom Versicherten gestellte Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung (vgl. Verfügung vom 21. Februar 2003) neu zu
befinden haben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 3. September 2003 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Dr. Heiner
Schärrer, Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über eine Neuverlegung der
Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses und über das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 18. Mai 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: