Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 734/2003
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I 734/03

Urteil vom 6. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Bollinger

S.________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten
durch lic. iur. M.________,

gegen

IV-Stelle Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 10. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene S.________ war seit 1985 als selbstständig erwerbender
Gipser tätig. Gegen Ende des Jahres 1991 klagte er über Lumboischialgien,
welche im März 1992 operativ behandelt wurden; in der Folge entwickelte sich
eine chronische Lumbalgie. Im September 1992 erlitt S.________ einen Unfall,
wobei er sich an der rechten Schulter verletzte. Mehrere Operationen und
diverse Therapien vermochten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht
wesentlich zu verbessern; die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Am 31.
August 1993 meldete sich S.________ zum Leistungsbezug (Berufsberatung,
Umschulung auf eine neue Tätigkeit, Rente) bei der Invalidenversicherung an.
Bei einem Sturz im April 1994 zog er sich erneut Verletzungen an der rechten
Schulter zu. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen sprach die
IV-Stelle Schaffhausen S.________ mit Verfügung vom 17. Dezember 1997 eine
vom 1. September 1993 bis 31. August 1996 befristete ganze Invalidenrente zu.
Auf Beschwerde hin setzte das Obergericht des Kantons Schaffhausen den
Rentenbeginn auf den 1. November 1992 fest und wies die Sache zur Beurteilung
des Rentenanspruchs ab 1. September 1996 an die IV-Stelle zurück (Entscheid
vom 12. März 1999). Diese führte weitere Abklärungen durch, zog die Akten der
Unfallversicherung bei und verfügte am 30. November 2001 die Ausrichtung
einer halben Invalidenrente ab 1. September 1996.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher S.________ weiterhin die
Gewährung einer ganzen Invalidenrente beantragte, wies das Obergericht des
Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 10. Oktober 2003 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, gelangt das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht zur Anwendung (BGE
129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). Ebenso richtig ist die vorinstanzliche
Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen und den
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG, je in der bis
31. Dezember 2003 in Kraft gewesenen Fassung) und die den ärztlichen
Stellungnahmen zur Arbeitsfähigkeit bei der Invaliditätsbemessung zukommende
Bedeutung (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1). Darauf
wird verwiesen.

2.
In medizinischer Hinsicht steht fest und ist unbestritten, dass der
Beschwerdeführer in seinem angestammten Beruf als Gipser/Maurer vollständig
arbeitsunfähig ist, während für die Tätigkeit als Geschäftsführer eine 50%ige
und für leichte Arbeiten eine 70%ige Arbeitsfähigkeit besteht (Gutachten der
Klinik X.________ vom 12. Mai 1999). Streitig ist, wie sich die
festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen erwerblich auswirken. Dabei
ist vorab zu prüfen, welches Bemessungsverfahren (allgemeine Methode des
Einkommensvergleichs oder ausserordentliches Bemessungsverfahren [BGE 128 V
30 Erw. 1, 104 V 137 Erw. 2c; AHI 1998 S. 120 Erw. 1a]) zur Anwendung
gelangt.

2.1 Die Verwaltung wandte zunächst die allgemeine Methode des
Einkommensvergleichs an, nahm daraufhin unter dem Hinweis, angesichts der
unklaren Geschäftdaten ergebe sich kein taugliches Ergebnis, einen
Betätigungsvergleich vor und ermittelte schliesslich, da der Versicherte in
seinem eigenen Betrieb nicht bestmöglich eingegliedert sei, unter Beizug der
Tabellenlöhne und ausgehend von den aufgerechneten Betriebsgewinnen der Firma
des Versicherten in den Jahren 1986 bis 1991 (wiederum) nach der allgemeinen
Methode des Einkommensvergleichs einen Invaliditätsgrad von 50 %. Das
kantonale Gericht kam aufgrund eines Einkommensvergleichs, unter
Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzugs von 15 % zum Schluss, weder
für das Jahr 1996 noch für 2001 resultiere ein 66 2/3 % übersteigender
Invaliditätsgrad.

2.2 Sowohl das ausserordentliche Bemessungsverfahren als auch die allgemeine
Methode des Einkommensvergleichs bergen vorliegend gewisse Unsicherheiten.
Bezüglich des Einkommensvergleichs geht aus der Buchhaltung des Versicherten
hervor, dass sein Einkommen in den Jahren 1986 bis 1991 grossen Schwankungen
unterlag; so bewegten sich die Betriebsgewinne zwischen Fr. 106'039.- im
Jahre 1987 und Fr. 8935.- im Jahre 1990. Auch sind die Betriebsergebnisse
beim Kleinbetrieb des Beschwerdeführers stark abhängig von Konjunkturlage und
Konkurrenzsituation (vgl. AHI 1998 S. 254 Erw. 4a). Sodann konnte selbst das
von der Verwaltung beigezogene Treuhandbüro aus den Buchhaltungs- und
Steuerunterlagen des Versicherten kein eindeutiges Resultat ermitteln. Beim
ausserordentlichen Bemessungsverfahren ist die festgestellte leidensbedingte
Behinderung im Hinblick auf ihre erwerbliche Auswirkung zu gewichten (BGE 104
V 138; AHI 1998 S. 212 Erw. 1a). Indessen ist nicht bekannt, wie sich die
gesundheitliche Beeinträchtigung erwerblich auswirken würde, wenn sich der
Beschwerdeführer auf leichte Tätigkeiten, etwa als Geschäftsführer einer
grösseren Bauunternehmung, beschränkte. Da Zweifel bestehen, ist
rechtsprechungsgemäss der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs
Vorrang einzuräumen (AJP 1999 S. 484).

2.3 Hinsichtlich des Valideneinkommens hat die Vorinstanz die für die Jahre
1986 bis 1991 ausgewiesenen Bruttogewinne addiert, das steuerbehördlich
akzeptierte Einkommen von Fr. 18'224.- im Jahre 1991 hinzugerechnet und ein
Durchschnittseinkommen von Fr. 77'291.- bzw. angepasst an die bis 1996
eingetretene Lohnentwicklung ein solches von Fr. 86'457, aufgerechnet auf das
Jahr 2001 von Fr. 90'801.- ermittelt. Diese Zahlen sind unbestritten
geblieben und dürften den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, auch wenn
grundsätzlich nicht unbesehen auf die von einem Selbstständigerwerbenden
erzielten Betriebsgewinne abgestellt werden darf (SVR 1999 IV Nr. 24 S. 73
Erw. 4b und c).

2.4 Soweit der Beschwerdeführer vorbringen lässt, seine Restarbeitsfähigkeit
sei jedenfalls nicht im Umfang von 70 % verwertbar, da es keine seinen
gesundheitlichen Einschränkungen angepassten leichten Tätigkeiten gebe, kann
ihm nicht gefolgt werden. Gelernte Arbeiter, die wegen ihrer Behinderung
ihren angestammten manuellen Beruf nicht mehr ausüben können, werden in der
Regel für Handlanger- und andere leichte, wechselbelastende Tätigkeiten
eingestellt. Denkbar ist nicht nur eine Arbeit in Industrie und Gewerbe - wo
Tätigkeiten, welche physische Kraft erfordern, in zunehmenden Masse durch
Maschinen verrichtet werden, während den körperlich wenig belastenden
Bedienungs- und Überwachungsfunktionen eine stetig wachsende Bedeutung
zukommt -, sondern auch im Dienstleistungssektor (etwa als Bürodiener,
Magaziner, Ausläufer etc.; vgl. ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b, 1989 S. 321 Erw.
4a). Eine solche Tätigkeit steht im Einklang mit der Einschätzung im
Gutachten der Klinik X.________ vom 12. Mai 1999, zumal dort die
Bürotätigkeit lediglich beispielhaft aufgeführt, jedoch für leichte
Tätigkeiten generell eine Arbeitsfähigkeit von 70 % attestiert wird. Auf
seine mangelnde Vorbildung und fehlende Sprachkenntnisse kann sich der
Versicherte nicht berufen, da es sich dabei um invaliditätsfremde Gründe
handelt, die keinen Rentenanspruch zu begründen vermögen (BGE 107 V 21 Erw.
2c; ZAK 1991 S. 321 Erw. 3c, 1989 S. 315 f.). Sodann ist dem 1957 geborenen
Beschwerdeführer, welcher im massgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der
Verwaltungsverfügung vom 30. November 2001 44 Jahre alt war, in Nachachtung
der Schadenminderungspflicht - an die vorliegend hohe Anforderungen zu
stellen sind (AHI 2001 S. 277) - sowohl die Aufgabe der selbstständigen
Erwerbstätigkeit als auch ein Berufswechsel zumutbar (vgl. Urteil L. vom 13.
Januar 1992, I 137/92). Eine Unzumutbarkeit wird denn auch nicht geltend
gemacht. Die gestützt auf die Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE) des
Bundesamtes für Statistik für die Jahre 1996 und 2000, Anforderungsniveau 4,
vorgenommene vorinstanzliche Berechnung des Invalideneinkommens ist nicht zu
beanstanden. Gleiches gilt für die wegen der noch möglichen Teilzeitarbeit in
einer behinderungsangepassten Tätigkeit zu erwartende Lohnminderung, der die
Vorinstanz mit einem Abzug von 15 % ausreichend Rechnung getragen hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen,
der Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 6. Mai 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: