Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 715/2003
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I 715/03

Urteil vom 26. Februar 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Ackermann

B.________, 1964, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Werner
Greiner, Ankerstrasse 24, 8004 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 25. September 2003)

Sachverhalt:

A.
B. ________, geboren 1964, arbeitete seit 1989 teilzeitweise als
Produktionsangestellte für die Firma D.________ AG und reinigte zusätzlich -
gemeinsam mit ihrem Ehemann - seit 1997 zweimal pro Woche die
Büroräumlichkeiten der Firma O.________ AG. Sie meldete sich am 13. Dezember
2000 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an, worauf die IV-Stelle
des Kantons Zürich Abklärungen in erwerblicher Hinsicht vornahm (insbesondere
Abklärung der beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt;
Bericht vom 22. August 2001). Im Weiteren zog die Verwaltung (unter anderem)
auch mehrere Berichte des Hausarztes Dr. med. A.________, Innere Medizin FMH,
bei und veranlasste eine Begutachtung durch das Zentrum X._______ Gutachten
vom 3. April 2002). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach die
IV-Stelle mit Verfügung vom 20. September 2002 B.________ mit Wirkung ab dem
1. Januar 2001 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. September 2003 ab.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihr eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie das kantonale Gericht zu Recht festgehalten hat, ist das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (September 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Dasselbe gilt für die
Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4. IVG-Revision.
Zutreffend sind im Weiteren die Darlegungen der Vorinstanz über den Begriff
der Invalidität (Art. 4 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), bei nichterwerbstätigen
Versicherten nach der spezifischen Methode (Art. 5 Abs. 1 IVG und Art. 28
Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 sowie Abs. 2 IVV in der am 1.
Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung) und bei Teilerwerbstätigen nach der
gemischten Methode (Art. 27bis Abs. 1 IVV in der ab 1. Januar 2001 geltenden
Fassung in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 IVG und Art. 27 IVV sowie Art. 28
Abs. 2 IVG). Dasselbe gilt für die Aufgabe der Ärzte bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4). Darauf wird verwiesen.

2.
Unbestritten ist die Anwendung der gemischten Methode mit Anteilen von 70 %
für den Erwerbs- und 30 % für den Aufgabenbereich. Streitig ist dagegen die
Höhe des Invaliditätsgrades und in diesem Zusammenhang allein die Frage des
Umfangs der zumutbaren Arbeitsfähigkeit im Erwerbsbereich. Die Vorinstanz
stellt hierbei auf die Einschätzung des Zentrums X.________ vom 3. April 2002
ab, wonach für leidensangepasste Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von 50 %
bestehe.

2.1 Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dass das Zentrum X.________ die
Dauerschmerzen und die nach kurzer Zeit eintretende Ermüdung nicht
berücksichtigt habe; diese Einschränkungen würden eine Erwerbstätigkeit
verunmöglichen, weshalb von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen
sei, was denn auch der Hausarzt bestätige.

Die Gutachter des Zentrums X.________ haben im Rahmen ihrer Untersuchungen
die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachte stärkere Ermüdbarkeit
festgestellt und demzufolge in ihrer Einschätzung der Arbeitsfähigkeit
berücksichtigt. Aber auch die ständigen Schmerzen sind im Gutachten vom 3.
April 2002 mehrfach erwähnt und vor allem in der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit im Rahmen der Evaluation der arbeitsbezogenen funktionellen
Leistungsfähigkeit (vgl. dazu Michael Oliveri, Was sollen wir messen: Schmerz
oder Funktion?, in René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Schmerz und
Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 389 ff.) ebenfalls berücksichtigt
worden. Damit ist das Gutachten des Zentrums X.________ vom 3. April 2002 für
die streitigen Belange umfassend, beruht auf allseitigen Untersuchungen,
berücksichtigt insbesondere auch die geklagten Beschwerden und ist in
Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; im Weiteren sind die Ausführungen in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtend und beinhalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125
V 352 Erw. 3a). Im Gegensatz zur Meinung des Zentrums X.________ geht Dr.
med. A.________ in seinen Berichten vom 23. Januar und 26. September 2001
davon aus, dass die Versicherte auch in einer leidensangepassten Tätigkeit
nicht arbeitsfähig sei. Jedoch ist auf die Auffassung der Gutachter des
Zentrums X.________ abzustellen, denn diese haben ihre Einschätzung auf ein
strukturiertes Interview, eine klinische Untersuchung sowie eine angepasste
Form der Evaluation der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit gestützt und
damit speziell im Hinblick auf die konkrete Frage der zumutbaren
Arbeitsleistung abgegeben, während der Hausarzt allgemein rapportiert hat,
ohne sich im Detail mit der Frage der Arbeitsfähigkeit zu befassen. So hat
Dr. med. A.________ im Bericht vom 26. September 2001 denn auch darauf
verzichtet, das Formular "Arbeitsbelastbarkeit" auszufüllen, und gebeten,
dies "durch eine entsprechende Institution" machen zu lassen. Damit wird die
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch den Hausarzt erheblich relativiert
und diese ist in der Folge weder geeignet, zu einer anderen Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit zu führen, noch vermag sie Zweifel an der Zuverlässigkeit
der Ausführungen des Gutachtens zu wecken (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb), so
dass auf die Einschätzung des Zentrums X.________ abzustellen ist.

2.2 Die Versicherte ist im Weiteren der Auffassung, dass nicht von einer
Arbeitsfähigkeit von 50 % ausgegangen werden könne, halte doch das Zentrum
X.________ fest, es sei ihr eine vorgeneigte Tätigkeit während höchstens drei
Stunden pro Tag zumutbar; für sie in Frage kommende Stellen würden jedoch
derartige Stellungen bedingen, so dass - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit
von 41 Stunden - effektiv eine Arbeitsfähigkeit von etwa 37 % bestehe.

Dieser Argumentation ist nicht zu folgen, hält doch das Zentrum X.________
mehrfach fest, die Beschwerdeführerin sei in einer leidensangepassten
Tätigkeit 50 % und auch in ihrer angestammten Tätigkeit als
Produktionsmitarbeiterin im Rahmen eines Halbtageseinsatzes arbeitsfähig.
Wenn im Gutachten ausgeführt wird, dass in einer leidensangepassten Tätigkeit
vorgeneigtes Sitzen oder Stehen sowie Arbeiten über Kopfhöhe nicht mehr als
drei Stunden pro Tag dauern sollten, handelt es sich dabei um eine
Einschränkung innerhalb des zumutbaren Pensums von 50 %, nicht jedoch um die
obere Grenze des medizinisch zumutbaren Einsatzes. Damit ist davon
auszugehen, dass die Versicherte in einer leidensangepassten Tätigkeit im
Umfang von 50 % arbeitsfähig ist; Einschränkungen kann im Rahmen eines
Abzuges Rechnung getragen werden (vgl. Erw. 2.3 hienach).

2.3 Die Vorinstanz hat das Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) zu
Recht anhand des zuletzt verdienten Lohnes als Produktionsmitarbeiterin und
Putzfrau festgesetzt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Einkommen nach
Eintritt des Gesundheitsschadens (Invalideneinkommen) anhand der - der
Lohnentwicklung und der betriebsüblichen Arbeitszeit angepassten -
Tabellenlöhne der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung bestimmt worden ist. Diese Einkommen an sich sind denn
auch nicht bestritten. Die Versicherte rügt jedoch, dass das kantonale
Gericht vom Invalideneinkommen einen behinderungsbedingten Abzug von bloss 10
% vorgenommen habe; es sei "nicht ersichtlich, weshalb nicht die üblichen 25
% anzunehmen" seien.

Gemäss Rechtsprechung können persönliche und berufliche Merkmale des
Versicherten wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder
Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des
Lohnes haben (BGE 126 V 78 Erw. 5a/cc mit Hinweis). Der deswegen vom
Tabellenlohn vorzunehmende behinderungsbedingte Abzug beträgt jedoch nicht
generell und in jedem Fall 25 %; es ist vielmehr anhand der gesamten Umstände
des konkreten Einzelfalles zu prüfen, ob und in welchem Masse das
hypothetische Invalideneinkommen gekürzt werden kann (BGE 126 V 79 f. Erw.
5b). Dieser gesamthaft vorzunehmende Abzug stellt eine Schätzung dar. Bei
deren Überprüfung kann es nicht darum gehen, dass die kontrollierende
richterliche Behörde ihr Ermessen an die Stelle der Vorinstanz setzt. Bei der
Unangemessenheit gemäss Art. 132 lit. a OG geht es um die Frage, ob der zu
überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im
Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall
getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen.
Allerdings darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne
triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich
somit auf Gegebenheiten abstützen können, welche seine abweichende
Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (BGE 126 V 81 Erw. 6
mit Hinweis).
In Anbetracht der Umstände kann hier nicht davon gesprochen werden, dass der
Entscheid der Vorinstanz über die Höhe des behinderungsbedingten Abzuges
zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen, denn entgegen der
Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde liegen die meisten der
einkommensbeeinflussenden Merkmale gerade nicht vor: Zu berücksichtigen sind
nur die gesundheitsbedingte Einschränkung, dass nicht mehr als drei Stunden
pro Tag Arbeiten über Kopfhöhe oder in vorgeneigtem Stehen oder Sitzen
zumutbar sind (vgl. Erw. 2.2 hievor), sowie - allerdings in seinem sehr
geringen Ausmass - die Tatsache, dass die Versicherte in einem Betrieb neu
anfangen muss und damit keine lange Dauer der Betriebszugehörigkeit aufweist.
Ausser Betracht fallen dagegen inbesondere die Nationalität der über eine
Niederlassungsbewilligung C verfügenden Beschwerdeführerin sowie die
Teilzeitbeschäftigung, welche sich bei Frauen lohnerhöhend auswirkt (vgl.
Tabelle 9 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2000 S. 24).

2.4 Damit hat das kantonale Gericht die Festsetzung der Invalidität im
Erwerbsbereich für das Jahr des Rentenbeginns 2001 korrekt vorgenommen; in
der darauf folgenden Zeit ist - unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung -
keine erhebliche Veränderung der hypothetischen Bezugsgrössen eingetreten
(BGE 129 V 222). Nicht zu beanstanden ist im Weiteren die auf dem
Abklärungsbericht vom 22. August 2001 basierende Einschränkung im
Aufgabenbereich (vgl. dazu AHI 2003 S. 218 Erw. 2.3.2), so dass ein
Gesamtinvaliditätsgrad von 52 % resultiert, der zum Bezug einer halben Rente
der Invalidenversicherung berechtigt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 26. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: