Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 676/2003
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I 676/03

Urteil vom 13. Februar 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Bollinger

L.________, 1965, Beschwerdeführerin, vertreten
durch die Beratungsstelle Q.________,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 15. September 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1965 geborene L.________ arbeitet seit 1996 als Krankenschwester AKP in
der Klinik X.________. Am 9. Mai 2000 zog sie sich eine Zerrung der
paravertebralen Muskulatur im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) sowie des
Musculi rhomboidei zu, als sie bei der Arbeit eine stürzende Patientin
auffangen wollte. In der Folge entwickelte sich ein posttraumatisches, später
ein chronisches Schmerzsyndrom mit ausgeprägter Müdigkeit und muskulärer
Schwäche sowie eine somatoforme Schmerzstörung mit leichten bis
mittelgradigen depressiven Episoden. Diverse Therapien bewirkten keine
Verbesserung des Gesundheitszustandes. Am 21. August 2001 meldete sich
L.________ wegen chronischer Rückenschmerzen bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte erwerbliche
Abklärungen durch, zog die Akten der Unfallversicherung bei und holte
Berichte des Dr. med. C.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 26. September
und 11. Oktober 2001 (denen Befunde des Spitals Y.________ [Rheumaklinik und
Institut für Physikalische Medizin; Departement Pathologie, Institut für
Neuropathologie] vom 24. und 27. April und sowie vom 24. Juli 2001 beilagen),
des Dr. med. B.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 24. Oktober 2001, des
Dr. med. W.________ von der Rheumaklinik am Spital Y.________ vom 23.
November 2001, des Dr. med. E.________, Rheumakrankheiten und Innere Medizin
FMH, vom 18. Dezember 2001 sowie des Dr. med. V.________, Psychiater, dipl.
Gesprächstherapeut und zert. Hypnotherapeut, vom 9. September 2001, 30.
Januar und 3. März 2002 ein. Zudem liess sie die Versicherte bei Dr. med.
S.________ psychiatrisch begutachten (Gutachten vom 5. Juni 2002). Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die IV-Stelle den Rentenanspruch von
L.________ mangels rentenbegründender Erwerbseinbusse ab (Verfügung vom 21.
Oktober 2002).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 15. September 2003 ab.

C.
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine mindestens
50%ige Rente zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Mit Eingabe vom 19. November 2003 lässt L.________ einen weiteren Arztbericht
zu den Akten reichen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in BGE 127 V 353 entschieden,
dass es - selbst in Verfahren, in denen das letztinstanzliche Gericht nicht
an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist (Art. 132 lit. b OG) - im
Lichte von Art. 108 Abs. 2 OG grundsätzlich unzulässig ist, nach Ablauf der
Beschwerdefrist neue Beweismittel beizubringen, es sei denn, dass
ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel (Art. 110 Abs. 4 OG) angeordnet
wurde (a.a.O., Erw. 3b und 4a). Zu berücksichtigen sind in der Regel nur
solche Eingaben, welche dem Gericht innert der gesetzlichen Frist (Art. 106
Abs. 1 OG) vorliegen. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn die nach
Ablauf der Beschwerdefrist oder nach Abschluss eines zweiten
Schriftenwechsels unaufgefordert eingereichten Schriftstücke neue erhebliche
Tatsachen oder schlüssige Beweismittel enthalten, welche eine Revision im
Sinne von Art. 137 lit. b OG zu rechtfertigen vermöchten (a.a.O., Erw. 4b).
Das mit Eingabe vom 19. November 2003 eingereichte Schreiben der Frau Dr.
med. D.________, Allgemeine Medizin, vom 6. November 2003 erfüllt diese
Voraussetzungen nicht, weshalb es ausser Acht zu lassen ist.

2.
Wie das kantonale Gericht zutreffend erwog, ist das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht anwendbar, da nach
dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 21.
Oktober 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2
mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat sodann die Bestimmungen und Grundsätze
über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des
Rentenanspruchs (unter Hinweis auf die angefochtene Verfügung; Art. 28 Abs. 1
[in Kraft gestanden bis Ende 2003] und 1bis IVG [in der bis 31. Dezember 2003
anwendbar gewesenen Fassung]), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei
Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), die
Bedeutung ärztlicher Auskünfte für die Belange der Invaliditätsschätzung (BGE
125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie den Beweiswert von Arztberichten (BGE
125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 Erw. 1c) zutreffend dargelegt. Darauf kann
verwiesen werden.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine
Rente der Invalidenversicherung.

3.2 Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen
Unterlagen zutreffend dargelegt, dass die Versicherte aus rheumatologischer
Sicht in einer behinderungsangepassten, körperlich leichten
wechselbelastenden Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig ist und aus
psychiatrischer Sicht sowohl bei der bisherigen als auch bei einer
leidensangepassten Arbeit eine 30%ige Arbeitsunfähigkeit besteht.
Was mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Zunächst vermag die Versicherte aus der andauernden
psychiatrischen Behandlung nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Soweit
psychische Probleme bereits zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses bestanden,
wurden sie durch Dr. med. S.________, dessen Gutachten - gegen welches die
Beschwerdeführerin zu Recht keine Einwände erhebt - für den psychiatrischen
Aspekt den vollen Beweis zu erbringen vermag (BGE 125 V 352 Erw. 3a),
abgeklärt und seine Ausführungen wurden von Vorinstanz und Verwaltung
berücksichtigt. Das weitere Vorbringen, wonach mehrere Ärzte des Spitals
Y.________ eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit aus rheumatologischer Sicht
bestätigt hätten, trifft nicht zu. Aus dem Schreiben des Dr. med. P.________
vom 27. April 2001 geht lediglich hervor, dass bis zum Abschluss des
ambulanten interdisziplinären Schmerzprogramms (AISP) am 20. Juli 2001 eine
50%ige Arbeitsunfähigkeit bestand; nach Beendigung des Programms hielt dieser
am 24. Juli 2001 fest, bei der klinischen Untersuchung sei eine
Ansatztendinose des Pes anserinus festgestellt worden; die Therapie habe
keine wesentliche Verbesserung der Beschwerden bewirkt. Über eine allfällige
weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit äussert er sich nicht. Rheumatologe
Dr. med. W.________ führte mit Bericht vom 23. November 2001 aus,
interdisziplinär (rheumatologisch-psychiatrisch) bestehe eine 50%ige
Arbeitsunfähigkeit, wobei diese hauptsächlich durch die psychische Störung
verursacht werde, während sich aus rein rheumatologischer Sicht eine
Arbeitsunfähigkeit in einer körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeit
mit Wechselbelastungen kaum rechtfertigen lasse. Den übrigen sich bei den
Akten befindlichen Arztberichten lässt sich - soweit sie überhaupt
Ausführungen zur Arbeitsfähigkeit enthalten - entnehmen, dass die Versicherte
(zumindest) in einer angepassten Tätigkeit aus rheumatologischer Sicht
vollständig arbeitsfähig ist. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Soweit in dem mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichten Bericht der RehaClinic Z.________
vom 22. September 2003 eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit aus rheumatologischer
Sicht ab 15. September 2003 bescheinigt wird, vermag er die vorinstanzliche
Betrachtungsweise nicht in Frage zu stellen, da darin mit Bezug auf den zu
beurteilenden Zeitraum bis zum Erlass der Verfügung vom 21. Oktober 2002
keine neuen Erkenntnisse enthalten sind. Soweit sich der Gesundheitszustand
der Versicherten nach Verfügungserlass verschlechtert haben sollte, ist dies
allenfalls im Rahmen einer Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV) zu
berücksichtigen. Einzig ins Gewicht fällt somit die Einschränkung in der
Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht, welche nach den überzeugenden und
umfassenden Ausführungen des Dr. med. S.________, auf welche abzustellen ist
- zumal sie näher am Verfügungszeitpunkt liegen und hinsichtlich der
Arbeitsfähigkeit präziser sind als die Einschätzungen des Dr. med. V.________
-, 30 % beträgt. Weitere Abklärungen, insbesondere die mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte polydisziplinäre Begutachtung, sind
nicht notwendig, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind
(antizipierte Beweiswürdigung; SVR 2001 IV Nr. 10 Erw. 4b mit Hinweisen auf
BGE 124 V 94 Erw. 4b und 122 V 162 Erw. 1d).
Validen- und Invalideneinkommen gemäss kantonalem Entscheid sind
ziffernmässig weder bestritten noch nach der Aktenlage zu beanstanden (BGE
110 V 53), sodass ein Invaliditätsgrad von wenigstens 40 % nicht ausgewiesen
ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 13. Februar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: