Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 655/2003
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I 655/03

Urteil vom 6. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Fessler

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdeführerin,

gegen

P.________, 1953, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Alain
Pfulg, Genfergasse 3, 3001 Bern

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 19. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene P.________ erlitt am 23. Januar 1999 als Beifahrerin eines
Personenwagens einen Unfall. In der Folge klagte sie über Schmerzen im
Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule. Im Juni 1999 nahm P.________
versuchsweise die angestammte Tätigkeit als Servicefachangestellte im
Restaurant A.________ im zeitlichen Umfang von 4 ½ Stunden pro Tag wieder
auf. Das Vorhaben scheiterte nach wenigen Tagen.

Vom 15. Juni bis 6. Juli 1999 wurde P.________ zwecks Abklärung und Therapie
eines zur Chronifizierung neigenden panvertebrogenen Schmerzsyndroms mit
depressiver Verstimmung im Spital C.________ stationär behandelt. Auf
Vorschlag des Vertrauensarztes ihres Unfallversicherers hielt sie sich sodann
vom 2. bis 23. Oktober 2000 im Rehabilitationszentrum L.________ auf. Dort
wurde sie vom Neurologen und Psychiater Dr. med. K.________, Leitender Arzt
der Fachklinik für Neurologische Rehabilitation, untersucht und begutachtet
(Expertise vom 31. Oktober 2000).

Anfang September 2000 hatte sich P.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle Bern klärte die gesundheitlichen und
erwerblichen Verhältnisse ab. Unter anderem nahm sie Einsicht in die
UV-Akten. Des Weitern liess sie die Versicherte von Frau Dr. med. E.________
und Dr. med. H.________ neurochirurgisch und psychiatrisch begutachten
(Expertisen vom 21. und 27. November 2001). Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. April 2002
den Anspruch auf eine Invalidenrente.

B.
P.________ liess beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde
einreichen und zur Hauptsache beantragen, die Verfügung vom 3. April 2002 sei
aufzuheben und es sei ihr ab 23. Januar 1999 eine ganze Invalidenrente
zuzusprechen.
Die IV-Stelle schloss in der Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Mit
Replik reichte der Rechtsvertreter von P.________ ein weiteres privat in
Auftrag gegebenes Gutachten des Dr. med. K.________ vom 21. Oktober 2002 ein.
In der Duplik hielt die Verwaltung an ihrem Standpunkt fest.

Mit Entscheid vom 19. August 2003 hiess das bernische Verwaltungsgericht die
Beschwerde gut. Es hob die Verfügung vom 3. April 2002 auf und sprach
P.________ ab 1. Januar 2000 eine ganze Invalidenrente zu.

C.
Die IV-Stelle Bern führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
hauptsächlichen Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei
aufzuheben.

P. ________ lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.

D.
In zwei weiteren Eingaben hat sich die IV-Stelle zur Sache geäussert.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist nicht
anwendbar, wie auch das kantonale Gericht richtig erkannt hat (BGE 129 V 4
Erw. 1.2).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin, wie vom kantonalen
Gericht entschieden, ab 1. Januar 2000 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente
hat. Dabei stellt sich in erster Linie die Frage, ob ein Gesundheitsschaden
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen
Fassung besteht und inwiefern er sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt.

3.
Nach alt Art. 4 Abs. 1 IVG gilt als Invalidität im Sinne dieses Gesetzes die
durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von
Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit.

3.1
3.1.1Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die
körperlichen eine Invalidität im Sinne von alt Art. 4 Abs. 1 IVG zu bewirken
vermögen, gehören neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische
Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften
seelischen Verfassung und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht als
relevant gelten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, welche die
versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in
ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden vermöchte, wobei das Mass des
Forderbaren weitgehend objektiv bestimmt werden muss. Es ist somit
festzustellen, ob und in welchem Masse eine versicherte Person infolge ihres
geistigen Gesundheitsschadens auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offen
stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Dabei kommt es
darauf an, welche Tätigkeit ihr zugemutet werden darf. Zur Annahme einer
durch einen geistigen Gesundheitsschaden verursachten Erwerbsunfähigkeit
genügt es also nicht, dass die versicherte Person nicht hinreichend
erwerbstätig ist; entscheidend ist vielmehr, ob anzunehmen ist, die
Verwertung der Arbeitsfähigkeit sei ihr sozial-praktisch nicht mehr zumutbar
oder - als alternative Voraussetzung - sogar für die Gesellschaft untragbar
(BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V
298 Erw. 4c in fine).

Die Annahme einer allenfalls invalidisierenden psychisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit setzt grundsätzlich eine psychiatrische Diagnose voraus
(BGE 124 V 42 Erw. 5b/bb; Ulrich Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der
Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, namentlich
für den Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung, in: Schmerz und
Arbeitsunfähigkeit [Band 23 der Schriftenreihe des IRP-HSG, St. Gallen 2003
(René Schaffhauser/ Franz Schlauri [Hrsg.])], S. 64 f. Fn 93).

3.1.2 Im Kontext der rentenmässig abzugeltenden psychischen Leiden kommt
belastenden psychosozialen Faktoren sowie soziokulturellen Umständen kein
Krankheitswert zu. Ein invalidisierender Gesundheitsschaden im Sinne von alt
Art. 4 Abs. 1 IVG setzt in jedem Fall ein medizinisches Substrat voraus, das
die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Je stärker
psychosoziale oder soziokulturelle Faktoren im Einzelfall in den Vordergrund
treten und das Krankheitsbild mitbestimmen, desto ausgeprägter muss eine
fachärztlich festgestellte psychische Störung von Krankheitswert vorhanden
sein. Mit anderen Worten darf das klinische Beschwerdebild nicht einzig in
Beeinträchtigungen bestehen, welche von den belastenden soziokulturellen
Faktoren herrühren. Es hat davon psychiatrisch zu unterscheidende Befunde zu
umfassen, zum Beispiel eine von depressiven Verstimmungszuständen klar
unterscheidbare andauernde Depression im fachmedizinischen Sinne oder einen
damit vergleichbaren psychischen Leidenszustand. Solche von der
soziokulturellen Belastungssituation zu unterscheidende und in diesem Sinne
verselbstständigte psychische Störungen mit Auswirkungen auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit sind unabdingbar, damit überhaupt von Invalidität gesprochen
werden kann. Ergibt die psychiatrische Begutachtung im Wesentlichen nur
Befunde, welche in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen ihre
hinreichende Erklärung finden, gleichsam in ihnen aufgehen, ist kein
invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben. Ist eine psychische
Störung von Krankheitswert schlüssig erstellt, kommt der weiteren Frage
zentrale Bedeutung zu, ob und inwiefern, allenfalls bei geeigneter
therapeutischer Behandlung, von der versicherten Person trotz des Leidens
willensmässig erwartet werden kann, zu arbeiten und einem Erwerb nachzugehen
(BGE 127 V 299 Erw. 5a mit Hinweisen).

3.2
3.2.1Nach der Rechtsprechung kann eine somatoforme (Schmerz-) Störung im
Sinne von ICD-10 F45 einen Gesundheitsschaden im Sinne von alt Art. 4 Abs. 1
IVG darstellen. Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung von einer
gewissen Konstanz ist, einen bestimmten Schweregrad erreicht und die
Wiederaufnahme oder Ausdehnung einer resp. der Erwerbstätigkeit als
unzumutbar erscheinen lässt. In die Prognose sind verschiedene Kriterien
einzubeziehen, die, wenn sie gehäuft auftreten, den rechtlichen Schluss auf
ein psychisches Leiden von Krankheitswert erlauben. Zu erwähnen sind eine
auffällige prämorbide Persönlichkeitsstruktur, psychiatrische Komorbidität,
chronische körperliche Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf
bei unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerfristige
Remission. Zu berücksichtigen sind sodann ein ausgewiesener sozialer Rückzug
in allen Belangen des Lebens, ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr
angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber
entlastenden Konfliktbewältigung, weiter unbefriedigende
Behandlungsergebnisse trotz konsequent durchgeführter ambulanter und/oder
stationärer Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem
Ansatz) sowie gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener
Motivation und Eigenanstrengung der versicherten Person (zur Publikation in
BGE 130 V vorgesehenes Urteil N. vom 12. März 2004 [I 683/03] Erw. 2.2.3;
vgl. eingehend Meyer-Blaser a.a.O. S. 80 ff. und 91 ff.). Folgerichtig kann
in der Regel erst nach Ausschöpfung der vorhandenen und zumutbaren
therapeutischen Massnahmen der invalidisierende Charakter einer somatoformen
Störung abschliessend beurteilt werden (vgl. Meyer-Blaser a.a.O. S. 87 f.).
In die Würdigung miteinzubeziehen sind aber auch alle Umstände, welche gegen
den Krankheitswert einer somatoformen Störung sprechen. Dazu zählen unter
anderem - nebst der Aggravation - eine Diskrepanz zwischen
Beschwerdeschilderung und beobachtetem Verhalten, das Klagen über intensive
Schmerzen ohne Nachsuchen therapeutischer Hilfe sowie die Angabe schwerer
Beeinträchtigung bei real weitgehend intaktem psychosozialem Funktionsniveau
im Alltag (AHI 2000 S. 152 f. Erw. 2c; vgl. auch Matthias Reiber, Krank oder
Faul? Über den Willen, den Schmerz zu bewältigen, und das Problem des Arztes,
die Arbeitsfähigkeit unter dem Aspekt der Arbeitswilligkeit zu betrachten,
in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit [Band 23 der Schriftenreihe des IRP-HSG,
St. Gallen 2003 (René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.])], S. 136 f.).
Entscheidend für den invalidisierenden Charakter einer somatoformen Störung
ist, ob die versicherte Person, von ihrer psychischen Verfassung her gesehen,
trotz ihrer subjektiv erlebten Schmerzen an sich die Möglichkeit hat, einer
Arbeit nachzugehen (erwähntes Urteil N. vom 12. März 2004 [I 683/03] Erw.
2.2.4 mit Hinweisen).

3.2.2 Die fachärztlichen Stellungnahmen zum psychischen Gesundheitszustand
und zu dem aus medizinischer Sicht (objektiv) vorhandenen Leistungspotential
bilden unabdingbare Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob und
gegebenenfalls inwieweit einer versicherten Person unter Aufbringung allen
guten Willens die Überwindung ihrer Schmerzen und die Verwertung der ihr
verbliebenen Arbeitskraft zumutbar ist. Im Rahmen freier Beweiswürdigung
(Art. 40 BZP in Verbindung mit Art. 19 VwVG; Art. 95 Abs. 2 OG in Verbindung
mit Art. 113 und 132 OG; AHI 2001 S. 113 Erw. 3a) darf dabei die Verwaltung -
und im Streitfall das Gericht - weder sich über die (den beweisrechtlichen
Anforderungen genügenden) medizinischen Feststellungen hinwegsetzen noch die
ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit
unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und
Tragweite sich zu eigen machen. Letzteres gilt namentlich, wenn die
begutachtende Fachperson allein aufgrund der Diagnose einer (anhaltenden)
somatoformen Schmerzstörung eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
attestiert (Urteil N. vom 12. März 2004 [I 683/03] Erw. 2.2.5).

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat die medizinischen Akten dahingehend gewürdigt,
eine posttraumatische Belastungsstörung sei überwiegend wahrscheinlich. In
einer angepassten Tätigkeit ohne körperliche Belastung bestehe eine
durchschnittliche Arbeitsfähigkeit von 25 %. Demgegenüber ist nach Auffassung
der IV-Stelle ein chronisches posttraumatisches Syndrom gegeben. Ausdruck
dieses Beschwerdebildes bei der Versicherten seien Schmerzen und Depression.
Es bestehe eine Leistungsfähigkeit von 75 %. Eine darüber hinausgehende
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit beruhe auf psychosozialen Gegebenheiten
und müsse daher unberücksichtigt bleiben.

Die Feststellungen der Vorinstanz zu Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit
beruhen im Wesentlichen auf den auf Veranlassung des Unfallversicherers sowie
des Rechtsvertreters der Versicherten erstellten Gutachten des Dr. med.
K.________ vom 31. Oktober 2000 und 21. Oktober 2002. Die IV-Stelle
ihrerseits stellt zur Stützung ihres Standpunktes auf die von ihr in Auftrag
gegebenen Expertisen der Dres. med. E.________ und H.________ vom 21. und 27.
November 2001 ab.

4.2 Die Aussagen der psychiatrischen Fachärzte Dr. med. H.________ und Dr.
med. K.________ weichen sowohl in Bezug auf die Diagnose als auch
hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit grundlegend voneinander ab.
Gemäss Dr. med. H.________ bestehen gelegentliche depressive Reaktionen
(ICD-10 F43.20), denen aber kein Krankheitswert zukomme. Eine eigenständige
psychische Krankheit lasse sich nicht nachweisen. Ebenfalls seien keine
psychosomatischen Störungen gegeben. Die Arbeitsfähigkeit sei aus
psychosomatischer/psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Demgegenüber
stellt Dr. med. K.________ die Diagnose eines chronischen posttraumatischen
Syndroms infolge Autounfall vom 23. Januar 1999. Es bestehe ein chronisches
Schmerzsyndrom und ein chronisches depressiven Syndrom. Der Unfall vom 23.
Januar 1999 sei zu 65 % am Beschwerdebild beteiligt. Daneben wirkten
psychosoziale Belastungsfaktoren mit. Es sei eine krankheitswertige
psychische Störung gegeben, welche die Arbeitsfähigkeit erheblich
einschränke.

4.3 Weder Dr. med. H.________ noch Dr. med. K.________ stellen somit die
Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Sinne von ICD-10 F43.1.
Der rechtliche Schluss auf das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung
bedürfte daher besonderer Begründung. Diese bleibt das kantonale Gericht
schuldig. Eine invalidisierende posttraumatische Belastungsstörung gestützt
auf die Gutachten des Dr. med. K.________ anzunehmen, ist nicht angängig,
hatte dieser Arzt doch in dem vom Unfallversicherer der Beschwerdegegnerin in
Auftrag gegebenen Gutachten vom 31. Oktober 2000 hauptsächlich zum
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 23. Januar 1999 und den
gesundheitlichen Beeinträchtigungen Stellung zu nehmen und nicht zur Frage
der allenfalls daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit.

5.
Mit der Vorinstanz kann andererseits auch dem Gutachten des Dr. med.
H.________ vom 28. November 2001 kein abschliessender Beweiswert zuerkannt
werden. Seine Begründung für das Fehlen einer psychischen Krankheit vermag
insofern nicht zu überzeugen, als er - was die Auseinandersetzung mit dem
ersten Gutachten des Dr. med. K.________ an sich erfordert hätte - eine
eingehende klinische Abklärung zum Ausschluss der Diagnose einer Depression,
beispielsweise durch eine Selbst- und Fremdbeurteilung depressiver Symptome
(Beck-Depressions-Inventar, Hamilton-Depressions-Skala etc.), nicht als
notwendig betrachtete. Indessen gibt es in den medizinischen Unterlagen
Hinweise für eine mögliche solche Erkrankung, welche über die Diagnose
gelegentlich depressiver Reaktionen (ICD-10 F43.20) hinausgehen könnte. Auch
begründet Dr. med. H.________ nicht, weshalb die in der Anfangsphase noch
vorhanden gewesenen hypochondrischen Ängste bei der Untersuchung nicht mehr
bestanden. Laut Dr. med. K.________ war im Jahre 2001 eine ausgeprägte
Angstsymptomatik gegeben.

6.
6.1 Das von Dr. med. K.________ diagnostizierte chronische posttraumatische
Syndrom ist gekennzeichnet durch ein Schmerzsyndrom und ein chronisches
depressives Syndrom. Den Ausführungen des Experten zufolge lassen sich die
beiden Beschwerdebilder nicht losgelöst voneinander erfassen und beschreiben.
Im zweiten erläuternden Gutachten vom 21. Oktober 2002 spricht Dr. med.
K.________ von einem einheitlichen Beschwerdekomplex. Vor dem Hintergrund
einer klinisch relevanten Depression diskutiert er die seiner Meinung nach am
ehesten in Betracht fallenden Diagnosen gemäss ICD 10. Eine zuverlässige
Festlegung der Genese (organisch/psychisch) schliesst er indessen aus. Im
Besonderen bezeichnet Dr. med. K.________ die Abgrenzung der psychischen
Symptomatik nach dem Unfall im Sinne einer gemischten Reaktion mit Angst und
Depression (ICD-10 F43.22) von der Beeinträchtigung durch das chronische
Schmerzsyndrom als nicht ausreichend möglich. Die Diagnose einer anhaltenden
Persönlichkeitsänderung nach ICD-10 F62 ist für den Gutachter zu wenig
gesichert. Bezug nehmend auf das chronische Schmerzsyndrom sodann erörtert
Dr. med. K.________ die Diagnose einer anhaltend somatoformen Schmerzstörung
im Sinne von ICD-10 F45.4. In diesem Zusammenhang führt der Gutachter aus,
der damit gemeinte Schmerz trete in Verbindung mit emotionalen Konflikten
oder psychosozialen Problemen auf. Letzteres sei im vorliegenden Fall
gegeben. Hingegen bestehe Unklarheit, inwieweit die chronischen Schmerzen,
insbesondere die typischen Nackenschmerzen nach einem leichtgradigen
HWS-Distorsionstrauma einem physiologischen Prozess entsprächen oder als
psychisch zu werten seien. Ebenfalls gäbe es weitere wesentliche Hinweise auf
das Vorliegen einer Somatisierungsstörung im Sinne einer somatoformen
autonomen Funktionsstörung nach ICD-10 F45.3. Diese Diagnose erachtet Dr.
med. K.________ indessen als zu wenig gesichert. Abschliessend hält er fest,
es könne im Einzelnen schwierig sein, eine Somatisierungsstörung von einer
Depression abzugrenzen und festzulegen, welche Störung vorherrschend sei.

6.2 Die Schlussfolgerungen des Dr. med. K.________ beruhen indessen auf
teilweise widersprüchlichen Feststellungen; ebenfalls lassen die Gutachten
vom 31. Oktober 2000 und 21. Oktober 2002 entscheidwesentliche Fragen
unbeantwortet, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt:
6.2.1Der Experte führt aus, die Probandin habe beim Unfall vom 23. Januar
1999 ein leichtgradiges HWS-Distorsionstrauma erlitten. Zu den typischen
Beschwerden nach einer solchen Verletzung zählten unter anderem depressive
Verstimmungen. Solche seien schon bald nach dem Unfallereignis von den
behandelnden Ärzten festgestellt worden. Untypisch bei einem
HWS-Distorsionstrauma seien hingegen neu auftretende Symptome, die in den
ersten Wochen nach dem Unfall nicht bestanden. Eine solche Ausweitung der
Symptome fand im Sommer 2000 statt. Laut Bericht Dr. med. R.________, Innere
Medizin FMH, speziell Rheumaerkrankungen, vom 14. Juni 2000 (bei den
UV-Akten) klagte die Versicherte zusätzlich zu den Rückenbeschwerden über
eine Ausstrahlung der Schmerzen im ganzen linken Arm bis in alle Finger, in
den linken Kopf und oft in das linke Ohr. Im Weitern erwähnte sie eine
Zunahme der Schmerzen beim Belasten, Bücken und Stehen. Schliesslich gab sie
an, auch nachts Mühe mit Schlafen zu haben. Nach Dr. med. K.________ war die
depressive Verstimmung wesentlicher Faktor für die Aufrechterhaltung und die
Zunahme der Beschwerdesymptomatik. Es erscheint schwerlich nachvollziehbar,
wenn nicht sogar widersprüchlich, dass die für ein HWS-Distorsionstrauma
typischen depressiven Verstimmungen zugleich eine wesentliche Ursache, für
die eine solche Verletzung untypische Ausweitung der Symptome sein sollen. Es
bleibt unklar, welche Bedeutung dieser Feststellung für die Frage der
Krankheitswertigkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigung sowie der
Willensfähigkeit, trotz der Schmerzen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen,
beizumessen ist.

6.2.2 Im Weitern bestehen gemäss Dr. med. K.________ verschiedene
(unfallfremde) Ursachen der Chronifizierung der Beschwerdesymptomatik und
deren Zunahme mit neu auftretenden Symptomen. Der Experte nennt psychosoziale
Belastungsfaktoren sowie eine individuelle Disposition als persönlicher
Faktor. Hier wirke sich der hohe Leistungsanspruch der Probandin ungünstig
aus. Sie definiere ihr Selbstwertgefühl überwiegend über ihre körperliche und
geistige Leistungsfähigkeit. Sie leide unter den Einschränkungen, könne diese
nicht akzeptieren und fühle sich dadurch selbst entwertet. Aus diesem Grund
sei sie auch nicht in der Lage, eine Hilfestellung in Form einer
psychologischen oder psychotherapeutischen Behandlung anzunehmen. Dies
empfände sie als weitere Selbstentwertung. Ebenfalls hätten der gescheiterte
Arbeitsversuch sowie die Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitsleistung zur
Chronifizierung der Beschwerden beigetragen.

Soweit Dr. med. K.________ damit sagen will, die Beschwerdegegnerin sei auch
bei Aufbietung allen guten Willens nicht mehr als durchschnittlich zu 25 % in
körperlich geeigneten Tätigkeiten arbeitsfähig, besteht Erklärungsbedarf:
6.2.2.1Im Gutachten vom 21. Oktober 2002 führt der Experte aus, es gebe zwei
Verhaltensmodelle bei Schmerzen nach einer Verletzung. Patienten, die zu
einer Katastrophisierung neigten, vermieden infolge der erlebten Schmerzen
weitere Bewegungen. Dieses Vermeidungsverhalten führe zu weiterer
Beeinträchtigung, Abnahme der Belastbarkeit und Depression. Die
Schmerzerfahrung solle hiedurch zunehmen. Andere Patienten würden sich
hingegen wieder belasten (Konfrontation) und dadurch eine Rückbildung ihrer
Beschwerden erleben.

Die Akten belegen eine seit dem Unfall vom 23. Januar 1999 bestehende und im
zeitlichen Verlauf zunehmende ausgeprägte Inaktivität. Die Beschwerdegegnerin
unternahm einen einzigen Arbeitsversuch im Juni 1999. Diesen brach sie
bereits am dritten Tag schmerzbedingt ab. Ihre praktisch einzigen
Beschäftigungen bestanden und bestehen darin, zu Hause herumzusitzen und
etwas zu lesen sowie Spaziergänge zu machen. Die Arbeiten im Haushalt
vermochte sie schliesslich nicht mehr allein zu bewältigen. Die medizinischen
Unterlagen im Besonderen dokumentieren sodann eine Ablehnungshaltung gegen
ärztliche Untersuchungen und therapeutischen Massnahmen. Als Grund hiefür gab
die Versicherte gegenüber Dr. med. H.________ und Dr. med. K.________ im
Wesentlichen Angst vor einer Psychiatrisierung ihres Schmerzleidens an. Sie
wollte und will nicht als psychisch angeschlagen beurteilt zu werden. Eine
regelmässige psychologische und/oder psychotherapeutische Behandlung hat
bisher offenbar nicht stattgefunden. Im Gutachten vom 21. Oktober 2002
erwähnt Dr. med. K.________, dass gegenwärtig keine aktive physikalische
Therapie und kein körperliches Training zur Steigerung von Kraft und Ausdauer
resp. allgemein der Belastbarkeit durchgeführt werde.

6.2.2.2 Davon ausgehend, dass die Beschwerdegegnerin trotz der Schmerzen ihre
früheren Aktivitäten in Beruf, Haushalt und Freizeit ausüben möchte, stellt
sich die Frage, weshalb es nicht zur Verwirklichung dieses Willens kommt. Hat
die Versicherte im Besonderen lediglich eine grundsätzlich überwindbare
Angst, als depressiv oder sogar psychisch krank zu gelten, oder besteht eine
dem Willen nicht mehr unterworfene Unfähigkeit zur Krankheitseinsicht. In
diesem Zusammenhang ist im psychosozialen Kontext von Bedeutung, dass sie die
Kriegserlebnisse in ihrem Heimatland (Ex-Jugoslawien) gut verarbeitet hat.
Sodann bestehen intakte Familienverhältnisse. Ihr Mann und ihre zwei Söhne
stehen voll im Erwerbsleben. In der Familie fühlt sie sich wohl und gut
aufgehoben. Dass die Beschwerdegegnerin abgesehen vom Ausscheiden aus dem
Erwerbsleben für sie bedeutsame soziale Kontakte mit ganz bestimmten Personen
abgebrochen hat, ist nicht anzunehmen. Sie hat sich auch nie in diesem Sinne
geäussert.

Im Weitern kann das Selbstwertgefühl an sich nicht als eine «übergeordnete
Perspektive» in dem Sinne gelten, dass deren krankheitsbedingtes
Abhandenkommen eine effektive Willensanstrengung, trotz Schmerzen aktiv zu
sein, wesentlich hinderte (vgl. Reiber a.a.O. S. 136 oben). Ebenfalls wird
wohl die Mehrzahl der Leute ihr Selbstwertgefühl ebenso wie die
Beschwerdegegnerin über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit
definieren. In diesem Zusammenhang schliesslich darf als Erfahrungstatsache
gelten, dass eine Person alles daran setzt, um eine Beeinträchtigung des
körperlichen, geistigen oder seelischen Wohlbefindens zu beseitigen oder
weitest möglich zu mildern. Dazu wird sie sich helfen lassen wollen und Hilfe
tatsächlich auch annehmen. Vor diesem Hintergrund ist das auffallend passive
Verhalten der Versicherten seit dem Unfall vom 23. Januar 1999 nicht ohne
weiteres nachvollziehbar.

6.3 Nach dem Gesagten kann somit aufgrund der Akten die entscheidende Frage
eines invalidisierenden Gesundheitsschadens im Sinne von alt Art. 4 Abs. 1
IVG nicht abschliessend beurteilt werden. Die Sache ist daher an das
kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es ein Obergutachten einhole. Die
Expertise hat sich nach Massgabe der in Erw. 3 hievor dargelegten Grundsätze
zum Gesundheitszustand und zur Zumutbarkeit der Willensanstrengung zwecks
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Allgemeinen und in welchem Umfang im
Besonderen zu äussern. Ebenfalls hat der oder die Sachverständige zur Frage
Stellung zu nehmen, wie aus psychiatrisch-medizinischer Sicht das Fehlen
ernsthafter Bemühungen der Versicherten um eine Verbesserung ihrer
gesundheitlichen Situation und für eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben
zu interpretieren sind.

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin letztinstanzlich
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 OG in Verbindung mit Art.
135 OG; Urteil K. vom 10. Februar 2004, U 199/02).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen,
dass der Entscheid vom 19. August 2003 aufgehoben und die Sache an das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen wird, damit es im Sinne
der Erwägungen ein Obergutachten einhole und anschliessend über die
Anspruchsberechtigung auf eine Rente der Invalidenversicherung neu
entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigung
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Gastrosuisse und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: