Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 618/2003
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I 618/03

Urteil vom 29. Januar 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Flückiger

N.________, 1961, Spanien, Beschwerdeführerin, vertreten durch P.________,
c/o Bergantiños Convenios Internacionales, c/ Barcelona 22-24 Entresuelo,
ES-15100 Carballo, Spanien,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 30. Juli 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 23. September 1994 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau
der 1961 geborenen N.________ für die Zeit ab 1. November 1993 eine ganze
Rente der Invalidenversicherung bei einem Invaliditätsgrad von 79 % zu. Eine
am 6. Dezember 1996 verfügte revisionsweise Herabsetzung des Anspruchs von
der ganzen auf eine halbe Rente wurde revoziert, nachdem die Versicherte
Beschwerde erhoben hatte, und es wurde weiterhin eine ganze Rente
ausgerichtet.

Am 7. Februar 2001 leitete die IV-Stelle für Versicherte im Ausland erneut
ein Rentenrevisionsverfahren ein. Sie zog verschiedene Arztberichte bei und
holte ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) ein, welches
am 17. Januar 2002 erstattet wurde. Anschliessend erliess die Verwaltung -
nach Beizug weiterer durch die Versicherte eingereichter Unterlagen
(Zeugnisse des Spitals X.________, Spanien, vom 26. November 2001 sowie des
Psychiaters Dr. med. R.________) und Einholung einer Stellungnahme des
IV-Arztes Dr. med. S.________ vom 19. Februar 2002 sowie Durchführung des
Vorbescheidverfahrens - am 15. Mai 2002 eine Verfügung, wonach die bisher
ausgerichtete ganze per 1. Juli 2002 durch eine halbe Rente ersetzt werde.
Zur Begründung wurde erklärt, der Invaliditätsgrad betrage nur noch 50 %.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen ab (Entscheid vom 30. Juli
2003). Mit der Beschwerdeschrift war ein Bericht des Spitals X.________,
Spanien, vom 5. Juni 2002 aufgelegt worden.

C.
N.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es
seien der vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung vom 15. Mai 2002
aufzuheben und ihr weiterhin eine ganze Rente zuzusprechen. Mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde insbesondere ein Bericht des Dr. med.
A.________, vom 8. September 2003 eingereicht.

Die IV-Stelle schliesst - unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme ihres
ärztlichen Dienstes vom 21. Oktober 2003 - auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Die Beschwerdeführerin hält in einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.
November 2003 an ihren Anträgen fest.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Eidgenössische Rekurskommission hat zutreffend dargelegt, dass das am 1.
Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(FZA) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist, da die streitige
Verfügung am 15. Mai 2002 erging (vgl. BGE 128 V 315). Richtig ist auch, dass
sich der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der eidgenössischen
Invalidenversicherung gemäss Art. 2 des Abkommens zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über soziale Sicherheit
ausschliesslich nach dem internen schweizerischen Recht richtet. IV-Stelle
und Vorinstanz haben sodann dessen Bestimmungen und Grundsätze über den
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs
(Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei
erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28
Abs. 2 IVG; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie die revisionsweise
Änderung einer laufenden Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 113 V 275 Erw. 1a,
112 V 373 Erw. 2b und 387 Erw. 1b) und die dabei zu vergleichenden
Sachverhalte (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis) korrekt wiedergegeben. Darauf
wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass weder das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 noch die am 1. Januar
2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 anwendbar sind.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die IV-Stelle die der Beschwerdeführerin seit
November 1993 ausgerichtete ganze Rente zu Recht per 1. Juli 2002 auf eine
halbe Rente herabgesetzt hat. Dies hängt davon ab, ob seit der
Rentenzusprechung am 23. September 1994 eine Änderung des Invaliditätsgrades
eingetreten ist, welche die Herabsetzung rechtfertigt.

2.1 Die Zusprechung der ganzen Rente durch die Verfügung vom 23. September
1994 erfolgte, nachdem sich die Versicherte unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden (Diskushernie L5/S1 links, die am 25. November 1992
operiert worden war) zum Leistungsbezug angemeldet hatte. Das Spital
Y.________, Rheumatologie und Institut für physikalische Therapie, bezifferte
in einem abschliessenden Bericht vom 17. März 1993 die Arbeitsunfähigkeit im
bisherigen Beruf als Näherin für die Zeit vom 5. März bis 5. Mai 1993 auf 50
% und bescheinigte der Versicherten ab 6. Mai 1993 aus rheumatologischer
Sicht volle Arbeitsfähigkeit, wobei ein Vorbehalt hinsichtlich der
gleichzeitig bestehenden psychogenen Komponente angebracht wurde. Die
IV-Stelle holte daraufhin eine Stellungnahme von Frau Dr. med. E.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH ein. Diese Ärztin diagnostiziert in ihrem
Bericht vom 18. Juli 1994 eine reaktive depressive Entwicklung bei
Anpassungsstörung nach belastenden reaktiven Lebensereignissen, einen Status
nach Diskushernien-Operation und Hysterektomie und eine generalisierte
Tendomyopathie. In ihrem Beruf als Arbeiterin sei die Versicherte zu 80 %
arbeitsunfähig. Die Verwaltung gelangte gestützt darauf und in
Berücksichtigung der Ergebnisse von Abklärungen der Regionalstelle für
berufliche Eingliederung (Bericht vom 16. Juni 1994) zum Ergebnis, die auf
Grund des psychischen Krankheitsbildes verbleibende Restarbeitsfähigkeit
könne nur im Rahmen einer Halbtagstätigkeit in einer geschützten Werkstätte
zu einem Stundenlohn von Fr. 3.50 verwertet werden. Die Gegenüberstellung des
daraus resultierenden Jahresverdienstes von Fr. 7462.- und des mutmasslichen
Lohns im Gesundheitsfall von Fr. 36'261.- ergab einen Invaliditätsgrad von 79
%.

2.2
2.2.1Im Verlauf des im Februar 2001 eingeleiteten Rentenrevisionsverfahrens
gingen der IV-Stelle über den spanischen Versicherungsträger verschiedene
ärztliche Berichte zu. Diese enthalten jedoch insbesondere hinsichtlich der
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin Aussagen, welche einander
widersprechen. So gelangt Dr. med. M.________ in seinem Bericht vom 15. März
2001 zum Schluss, die Versicherte sei nicht arbeitsfähig. Der Psychiater
R.________ führt in seiner gleichentags abgefassten Stellungnahme aus, die
Entwicklung zeige einen annehmbaren Grad von familiärer und sozialer
Anpassung, indessen verbunden mit einer bemerkenswerten - aber nicht näher
bezifferten - Arbeitsunfähigkeit. Gemäss dem Bericht des Dr. med. V.________
vom 30. März 2001 besteht dagegen in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit eine
Arbeitsunfähigkeit von lediglich 20-30 %. Unter diesen Umständen hat die
Verwaltung nach Konsultation der IV-Stellenärzte Dr. med. I.________ und Dr.
med. S.________ mit Recht zusätzliche Abklärungen getroffen.

2.2.2 Das interdisziplinäre Gutachten der MEDAS vom 17. Januar 2002 ergab die
Hauptdiagnosen eines chronischen lumbo-spondylogenen Schmerzsyndroms bei
Status nach Hemilaminektomie L5 links 1992, einer Dysthymia (= leichte,
vorwiegend dysphorische Depressivität auf der Grundlage einer histrionisch
strukturierten Persönlichkeit) und einer somatoformen Schmerzstörung. Weiter
wird ausgeführt, im somatischen Bereich hätten nur relativ bescheidene
Befunde objektiviert werden können; es seien keine neurologischen Ausfälle,
keine Instabilität der Wirbelsäule und keine neue Diskushernie, sondern
lediglich eine Diskusprotrusion gefunden worden. Rückenadaptierte Tätigkeiten
seien aus somatischer Sicht vollschichtig zumutbar. Das psychiatrische
Beschwerdebild führe zu einer stärkeren Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.
Diese sei in der zuletzt ausgeübten, als mittelschwer eingestuften Tätigkeit
auf 50 % zu beziffern. Eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit erscheine als
möglich.

2.2.3 Das Gutachten der MEDAS wird, wie die Vorinstanz mit zutreffender
Begründung erkannt hat, den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen
an eine beweiskräftige medizinische Stellungnahme (BGE 125 V 352 Erw. 3a)
gerecht. Es kann daher der gerichtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden,
sofern seine Zuverlässigkeit auf Grund der übrigen medizinischen Akten nicht
in Frage zu stellen ist. Diesbezüglich ergeben sich aus den Berichten des
Spitals X.________, Spanien, vom 26. November 2001 und 5. Juni 2002 keine
hinreichenden Anhaltspunkte, wird doch die von der MEDAS abweichende
Einschätzung bezüglich der Arbeitsunfähigkeit nicht näher begründet. Gleiches
gilt für die Stellungnahme des Psychiaters Dr. med. R.________ vom 21. März
2002 und den Bericht von Dr. med. G.________ vom 9. Februar 2003 über
Röntgenaufnahmen der Hals- und Lendenwirbelsäule, welche keine neuen
Resultate ergaben. Im letztinstanzlich aufgelegten Bericht von Dr. med.
A.________ vom 8. September 2003 wird in erster Linie auf die chronischen
Schmerzen hingewiesen, welche der Ausübung einer Erwerbstätigkeit entgegen
stünden. Die MEDAS hat diesem Beschwerdebild mit der Diagnose einer
somatoformen Schmerzstörung Rechnung getragen und es im Rahmen der
Beurteilung der vorwiegend psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit
berücksichtigt. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, von den
Ergebnissen des MEDAS-Gutachtens abzuweichen. Gestützt darauf ist davon
auszugehen, die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin habe sich seit dem
Erlass der Verfügung vom 23. September 1994 in dem Sinne verbessert, dass ihr
die Ausübung der angestammten Tätigkeit wieder in einem Ausmass von 50 %
möglich ist.

2.3 Ausgehend von der Annahme, dass die Beschwerdeführerin ohne Behinderung
wieder eine vollzeitliche Erwerbstätigkeit als Näherin aufgenommen hätte,
konnten Vorinstanz und IV-Stelle auf Grund der in dieser Tätigkeit
bestehenden 50%igen Arbeitsfähigkeit zulässigerweise von der Vornahme eines
Einkommensvergleichs absehen und die Invalidität im Rahmen eines so genannten
Prozentvergleichs (vgl. BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen) auf 50 %
beziffern. Da die Verfügung am 15. Mai 2002 erging, war die ganze Rente
gemäss Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV per 1. Juli 2002 auf eine halbe
herabzusetzen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen
Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. Januar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.