Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 612/2003
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2003
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2003


I 612/03

Urteil vom 17. Februar 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Krähenbühl

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdeführerin,

gegen

N.________, 1944, Beschwerdegegner, vertreten
durch Advokat Philippe Zogg, Henric Petri-Strasse 19, 4051 Basel

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 23. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1944 geborene N.________, gelernter Elektromonteur mit Meisterprüfung im
Elektro-Installationsgewerbe (eidg. dipl. Elektroinstallateur), leidet an
Rückenbeschwerden bei chronisch lumboradikulärem Schmerzsyndrom mit
Bewegungseinschränkungen vor allem im linken Bein. Seit 1970 arbeitete er in
der Elektrotechnischen Unternehmung X.________ AG, zuletzt - seit 1977 - als
Geschäftsführer der Zweigniederlassung Y.________. Ab Februar 1999 reduzierte
er sein Pensum gesundheitsbedingt um rund die Hälfte und nach einer
Hospitalisation im Spital Z.________ im Januar 2000 hat er keine
Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen.
Im Februar 2000 meldete sich N.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Auf Grund der Ergebnisse ihrer Abklärungen medizinischer
und erwerblicher Art gelangte die IV-Stelle Basel-Stadt zum Schluss, dass dem
Leistungsansprecher ein Einsatz in der angestammten Tätigkeit bei einem auf
50 % reduzierten Pensum noch möglich und zumutbar wäre. Nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren sprach sie N.________, ausgehend von einem
Invaliditätsgrad von 50 %, mit Verfügung vom 15. August 2002 rückwirkend ab
1. März 2000 eine halbe Invalidenrente zu.

B.
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde verpflichtete das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt die IV-Stelle mit Entscheid vom 23.
Juni 2003 zur Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente ab März 2000, dies bei
einem Invaliditätsgrad von 69,28 %.

C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um
Aufhebung des kantonalen Entscheids und Bestätigung ihrer Verfügung vom 15.
August 2002.

N. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung trägt auf deren Gutheissung an.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Wie das kantonale Gericht richtig erkannt hat, findet das auf den 1.
Januar 2003 und somit nach Erlass der Verwaltungsverfügung vom 15. August
2002 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 vorliegend keine
Anwendung (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). Zu ergänzen ist, dass auch
die Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4.
IVG-Revision im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 15.
August 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2
mit Hinweisen). Abzustellen ist daher auf die bis 31. Dezember 2003 gültig
gewesenen Bestimmungen des IVG.

1.2 Zutreffend dargelegt hat die Vorinstanz den Invaliditätsbegriff (Art. 4
Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang
(Art. 28 Abs. 1, 1bis und 1ter IVG ) sowie die Invaliditätsbemessung bei
Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG).
Darauf kann verwiesen werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Bedeutung
ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw.
4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) und ihres
Beweiswerts (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3).

2.
2.1 Mit Vorinstanz und Verwaltung kann gestützt auf die Beurteilung des
Rheumatologen Dr. med. B.________ vom 30. Juli 2001 davon ausgegangen werden,
dass dem Versicherten und heutigen Beschwerdegegner ein seiner früheren
Geschäftsführertätigkeit entsprechender Einsatz trotz seiner gesundheitlichen
Beeinträchtigungen noch zu rund 50 % zumutbar wäre. In der
beschwerdegegnerischen Vernehmlassung vom 6. Oktober 2003 wird zwar die
wirtschaftliche Verwertbarkeit dieses verminderten Leistungsvermögens in
Frage gestellt, gegen die medizinisch-theoretische Einschätzung der
verbliebenen Arbeitsfähigkeit durch Dr. med. B.________ selbst jedoch nichts
mehr eingewendet.

2.2 Zu prüfen bleibt dementsprechend das Ausmass der bei zumutbarer
Verwertung der Restarbeitsfähigkeit resultierenden Erwerbseinbusse.

2.2.1 Unbestritten ist der gemäss Auskunft der früheren Arbeitgeberfirma vom
23. März 2000 ohne Gesundheitsschaden mutmasslich erzielbare Jahresverdienst
von Fr. 97'500.-, welcher als massgebendes Valideneinkommen betrachtet werden
kann.

2.2.2 Während die Verwaltung noch davon ausging, trotz seiner
gesundheitlichen Beeinträchtigung wäre der Beschwerdegegner noch in der Lage,
die Hälfte des als Gesunder in der früheren Arbeitgeberfirma möglichen
Verdienstes zu realisieren, vertritt das kantonale Gericht die Auffassung,
die trotz Behinderung möglichen Einkünfte (Invalideneinkommen) seien nach
Massgabe der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik für das Jahr
2000 (LSE 2000) zu ermitteln.
Die ehemalige Arbeitgeberfirma kann in ihrem Unternehmen keine
leidensangepasste Einsatzmöglichkeit mehr anbieten, weshalb der
Beschwerdegegner zur Verwertung seines verbliebenen Leistungsvermögens auf
die Stellenangebote des allgemeinen Arbeitsmarktes angewiesen ist. Scheidet
eine Fortsetzung des früheren langjährigen Arbeitsverhältnisses aber aus und
ist ein beruflicher Neueinstieg unausweichlich geworden, kann die Entlöhnung
vor dem Auftreten der gesundheitsbedingten Einschränkungen entgegen der
Meinung der Beschwerde führenden Verwaltungsstelle nicht mehr als
realitätsbezogene Ausgangslage für die Bestimmung des Invalideneinkommens
betrachtet werden. Zu Recht ist daher das kantonale Gericht auf die durch die
LSE statistikmässig ausgewiesenen Lohndaten ausgewichen.

2.2.3 Hier wendet sich die Beschwerde führende IV-Stelle gegen die
vorinstanzliche Annahme, für den Beschwerdegegner kämen lediglich Tätigkeiten
mit Anforderungsprofil 3 in Frage. Sie möchte statt dessen die höher
entlöhnten Arbeitsplätze mit Anforderungsprofil 2 berücksichtigt haben.
In die Kategorie der Betätigungen mit Anforderungsniveau 2 fällt gemäss LSE
das 'Verrichten selbstständiger und qualifizierter Arbeiten', während für das
Anforderungsniveau 3 'Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt' sind. Schon
von der absolvierten Ausbildung her kann sich der Beschwerdegegner
unbestreitbar über einschlägige Berufs- und Fachkenntnisse ausweisen. Darüber
hinaus verfügt er über eine langjährige Berufspraxis in einem Fachbereich, in
welchem der allgemeine Arbeitsmarkt ein weites Angebot an
Einsatzmöglichkeiten bereit hält. Als zusätzlich lohnwirksamer Faktor ins
Gewicht fällt die beachtliche Führungserfahrung als Geschäftsleiter eines
Filialbetriebes. Ob angesichts dieser Qualifikationen gar erwartet werden
könnte, dass der Beschwerdegegner nicht nur selbstständige qualifizierte
Arbeiten verrichten, sondern, zumindest in einem Betrieb mit geeigneten
organisatorischen Strukturen, darüber hinaus sogar anspruchsvollere
Führungsaufgaben wahrnehmen könnte, kann dahinstehen. Der IV-Stelle ist
jedenfalls darin beizupflichten, dass es sich bei der Bestimmung des
Invalideneinkommens rechtfertigt, auf die in der LSE für Tätigkeiten mit
Anforderungsniveau 2 ausgewiesenen Tabellenlöhne abzustellen. Für die
diesbezüglich abweichende Betrachtungsweise des kantonalen Gerichts lässt
sich keine überzeugende Begründung finden.

2.3 Laut Tabelle TA 1 der LSE 2000 verdienten Männer bei Tätigkeiten in der
Anforderungsstufe 2 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden
monatlich Fr. 7482.- oder jährlich Fr. 89'784.- resp. hochgerechnet auf das
im Jahr 2000 übliche Wochenpensum von 41,8 Stunden Fr. 93'824.30 jährlich.
Bringt man hievon - um der Tatsache, Rechnung zu tragen, dass gesundheitlich
beeinträchtigte Arbeitnehmer in der Regel mit tieferen Lohnansätzen als
gesunde rechnen müssen - wie Vorinstanz und Verwaltung 10 % in Abzug,
verbleiben Fr. 84'441.85 und bei einem um 50 % reduzierten Pensum noch Fr.
42'220.95.  Stellt man diesen Betrag als Invalideneinkommen dem
Valideneinkommen von Fr. 97'500.- (Erw. 2.2.1 hievor) gegenüber, resultiert -
wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig aufgezeigt wird - ein
Invaliditätsgrad von 56,7 %. Dem Beschwerdegegner steht somit für die Zeit ab
März 2000 eine halbe Invalidenrente zu.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 23. Juni 2003 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse SPIDA und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 17. Februar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: