Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 586/2003
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I 586/03

Urteil vom 21. Oktober 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Flückiger

J.________, 1959, Deutschland, Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 27. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene, in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige
J.________ ist ausgebildeter Koch. Er arbeitete im Rahmen mehrerer
Anstellungsverhältnisse als Grenzgänger in der Schweiz. Unter anderem war er
ab Juli 1998 Küchenchef in der Grossküche des Restaurants B.________. Diese
Tätigkeit musste er ab 31. Dezember 1999 aus gesundheitlichen Gründen
einstellen.
Am 15. September 2000 meldete sich J.________ unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
Verwaltung sprach ihm in der Folge berufliche Massnahmen in Form einer
einjährigen Umschulung auf eine Bürotätigkeit durch Erwerb des Handelsdiploms
in den Schulen X.________ zu. Diesen Lehrgang schloss der Versicherte im
Januar 2003 erfolgreich ab.
Mit Verfügung vom 29. Januar 2003 verweigerte die IV-Stelle des Kantons
Aargau die Erbringung weiterer beruflicher Massnahmen. Daran hielt die
IV-Stelle für Versicherte im Ausland auf Einsprache hin mit Entscheid vom 15.
April 2003 fest.

B.
Die dagegen vom Versicherten erhobene Beschwerde mit dem Antrag, es seien ihm
zusätzliche berufliche Massnahmen in Form einer Weiterbildung zum technischen
Kaufmann zuzusprechen, wies die Eidgenössische Rekurskommission der AHV und
IV für die im Ausland wohnenden Personen ab (Entscheid vom 27. August 2003).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert J.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren.
Die IV-Stelle des Kantons Aargau und die IV-Stelle für Versicherte im Ausland
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das
Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Wie die Eidgenössische Rekurskommission zutreffend dargelegt hat, sind
das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten - darunter Deutschland - andererseits
über die Freizügigkeit (FZA [SR 0.142.112.681]) sowie die
Koordinierungsverordnungen (Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72), auf
welche das Abkommen Bezug nimmt, im vorliegenden Fall anwendbar (BGE 128 V
320 ff. Erw. 1e; Art. 80a IVG). Der Leistungsanspruch des Beschwerdeführers
ist demnach gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
grundsätzlich nach den für schweizerische Staatsangehörige geltenden Regeln
zu beurteilen.

1.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Der
vorliegend umstrittene Umschulungsanspruch, über welchen durch die Verfügung
vom 29. Januar 2003 und den Einspracheentscheid vom 15. April 2003
entschieden wurde, konnte erst nach dem Erwerb des Handelsdiploms im Januar
2003 und somit unter der Geltung des neuen Rechts entstehen, sodass dessen
Bestimmungen Anwendung finden. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die am
1. Januar 2004 und damit nach dem Erlass des Einspracheentscheids in Kraft
getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom
21. März 2003 und der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai
2003 (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1).

1.3 Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zum
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1
ATSG) sowie zum Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8
Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG [je in der vom 1. Januar bis 31.
Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung]; vgl. zu den weitgehend
inhaltsgleichen Bestimmungen des früheren Rechts die Ausführungen im
Einspracheentscheid vom 15. April 2003) und auf Umschulung als Vorkehr
beruflicher Art im Besonderen (Art. 8 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Art. 17
Abs. 1 IVG [je in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in Kraft
gestandenen Fassung]) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Umschulungsmassnahmen in Form
einer Ausbildung zum technischen Kaufmann. Verwaltung und Vorinstanz
verweigerten diese Leistung, weil der Versicherte mit der bereits
absolvierten Ausbildung und dem dabei erworbenen Handelsdiplom bezogen auf
einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt hinreichend eingegliedert sei. Der
Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, das Diplom verschaffe ihm keine
realistischen Aussichten, eine Stelle zu finden. Die Verwertung seiner
verbliebenen Arbeitsfähigkeit sei nur mit einem Abschluss als technischer
Kaufmann möglich.

3.
In medizinischer Hinsicht gelangten Verwaltung und Vorinstanz insbesondere
gestützt auf Berichte des Dr. med. F.________/D, vom 15. November 2000 sowie
des Dr. med. I.________/D, vom 13. September 2001 und 4. Dezember 2002 zum
Ergebnis, der Beschwerdeführer könne wegen seines Rückenleidens (chronisches
Lumbalsyndrom mit Lumboischialgie) die bisherige Tätigkeit als Koch/
Küchenchef nicht mehr ausüben. Dagegen seien ihm Arbeiten im Wechsel von
Gehen, Stehen und Sitzen, ohne wesentliches Heben und Tragen, vollzeitlich
zumutbar. Dieser Beurteilung, welche von keiner Seite in Frage gestellt wird,
ist beizupflichten.

4.
4.1 Gemäss Art. 17 Abs. 1 IVG (in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung)
hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit,
wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die
Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden
kann. Nach der Rechtsprechung ist unter Umschulung grundsätzlich die Summe
der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die notwendig
und geeignet sind, dem vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig
gewesenen Versicherten eine seiner früheren annähernd gleichwertige
Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln. Dabei bezieht sich der Begriff der
"annähernden Gleichwertigkeit" nicht in erster Linie auf das
Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung
zu erwartende Verdienstmöglichkeit. In der Regel besteht nur ein Anspruch auf
die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen,
nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn
das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese
im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 124 V 110 Erw. 2a mit
Hinweisen).
Zu den notwendigen und geeigneten Eingliederungsmassnahmen berufsbildender
Art zählen alle zur Eingliederung ins Erwerbsleben unmittelbar erforderlichen
Vorkehren. Deren Umfang lässt sich nicht in abstrakter Weise festlegen,
sondern es ist von den Umständen des konkreten Falles auszugehen. Wer infolge
Invalidität umgeschult werden muss, hat Anspruch auf die gesamte Ausbildung,
die notwendig ist, damit die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder
wesentlich verbessert werden kann (BGE 124 V 110 Erw. 2a; AHI 1997 S. 85 Erw.
1 mit Hinweis).
Wurde zu Lasten der Invalidenversicherung bereits eine Umschulung
durchgeführt, hat die versicherte Person Anspruch auf ergänzende Massnahmen,
wenn ihr die absolvierte Ausbildung kein angemessenes Erwerbseinkommen
ermöglicht und sie nur durch zusätzliche Massnahmen einen Verdienst erzielen
kann, der sich mit demjenigen vergleichen lässt, den sie ohne Invalidität in
der früheren Tätigkeit erreichen würde (vgl. AHI 2000 S. 30 Erw. 2, 31 Erw.
3b, je mit Hinweisen).

4.2 Ob die versicherte Person durch eine bereits absolvierte
Eingliederungsmassnahme in die Lage versetzt wird, einen Verdienst zu
erzielen, der mit demjenigen ohne Behinderung in der früheren Tätigkeit
vergleichbar ist, beurteilt sich unter Bezugnahme auf den so genannten
ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Dabei handelt es sich, wie die Vorinstanz
ausführlich und richtig dargelegt hat, um eine theoretische Grösse, welche
der Abgrenzung der Leistungsbereiche von Invaliden- und
Arbeitslosenversicherung dient. Der Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes
setzt ein gewisses Gleichgewicht zwischen angebotenen und nachgefragten
Stellen voraus. Er geht von einem Angebot aus, welches einen breiten Fächer
verschiedener Tätigkeiten beinhaltet (BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320
Erw. 3b; vgl. auch AHI 1998 S. 291). Auf dieser Grundlage ist nicht zu
beanstanden, dass Verwaltung und Rekurskommission zum Ergebnis gelangten,
eine Verwertung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit sei mit dem erworbenen
Handelsdiplom grundsätzlich möglich. Gleiches gilt bezüglich der durch die
IV-Stelle ermittelten Vergleichseinkommen. Danach könnte der Beschwerdeführer
in einer geeigneten Bürotätigkeit anfänglich ein jährliches Einkommen von
rund Fr. 52'700.- erzielen, welches sich in der Folge mit zunehmender
Praxiserfahrung noch steigern lassen sollte. Diese verdienstmässige Situation
ist - ebenso wie die Art der Tätigkeit im Hinblick auf das Kriterium der
"Gleichwertigkeit" - mit derjenigen ohne Behinderung als Küchenchef bei einem
Lohn (gemäss Angaben des Arbeitgebers) von rund Fr. 59'700.- vergleichbar.
Damit hat der Beschwerdeführer aus Sicht der Invalidenversicherung als durch
die bereits durchgeführten Massnahmen hinreichend eingegliedert zu gelten.
Ein zusätzlicher Umschulungsanspruch besteht deshalb nicht.

4.3 Eine allenfalls zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des
Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bildet nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens, da sich die gerichtliche Prüfung auf den Sachverhalt
beschränkt, wie er sich bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 15.
April 2003 entwickelt hat (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen
Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 21. Oktober 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: