Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 565/2003
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I 565/03

Urteil vom 24. Februar 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Scartazzini

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel
Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen AR,

gegen

IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 27. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene A.________ meldete sich am 14. März 2000 bei der
Invalidenversicherung an und ersuchte um Gewährung von besonderen
medizinischen Eingliederungsmassnahmen sowie um Ausrichtung einer Rente. Die
IV-Stelle Zug holte hauptsächlich Arztberichte von Dr. med. R.________ ein
und beauftragte im März 2001 die MEDAS mit einer interdisziplinären Abklärung
sowie der Erstattung des Gutachtens vom 28. September 2001.

Mit Verfügung vom 6. Juni 2002 wurde dem Versicherten für den Zeitraum vom 1.
November 1999 bis zum 31. August 2001 eine befristete, ganze Invalidenrente
zugesprochen. Ab 1. September 2001 wies er nach MEDAS-Gutachten und
Einkommensvergleich einen Invaliditäts-grad von lediglich 33 % auf, sodass er
ab diesem Datum keinen Anspruch auf eine Rente mehr hatte.

B.
Dagegen liess A.________ Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, die
Verwaltungsverfügung sei insoweit aufzuheben, als darin die Rente auf Ende
August 2001 begrenzt werde; unter Kosten- und Entschädigungsfolge sei ihm
auch ab 1. September 2001 eine ganze Rente auszurichten. Mit Entscheid vom
27. Juni 2003 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde ab.

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und unter Kosten- und
Entschädigungsfolge erneut das Rechtsbegehren stellen, in Aufhebung des
kantonalen Entscheids sei ihm auch ab 1. September 2001 eine ganze Rente
zuzusprechen. Ferner beantragt er, eventualiter sei ihm vom 1. September 2001
bis zum 31. Juli 2002 eine ganze und ab August 2002 mindestens eine halbe
Rente auszurichten. Ferner ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze
zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), zu
den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und
1bis IVG) sowie zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl.
BGE 104 V 136 f. Erw. 2a und b; AHI 2000 S. 309 Erw. 1a; vgl. auch BGE 128 V
30 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben ist ferner die
Rechtsprechung zur Revision der Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 113 V 275
Erw. 1a, 112 V 373 Erw. 2b und 387 Erw. 1b, 109 V 126 f. Erw. 4a) und zu den
dabei zu vergleichenden Sachverhalten (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis, 112
V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a) sowie zur Verwendung von
Tabellenlöhnen bei der Ermittlung des trotz Gesundheitsschädigung
zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen; BGE 126 V
76 f. Erw. 3b mit Hinweis; AHI 2002 S. 67 Erw. 3b) und zum in diesem
Zusammenhang gegebenenfalls vorzunehmenden behinderungsbedingten Abzug (AHI
1999 S. 181 Erw. 3b; siehe auch BGE 126 V 78 ff. Erw. 5; AHI 2002 S. 67 ff.
Erw. 4). Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 f. Erw. 4 mit Hinweisen) und zum
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis; AHI 2000 S. 152 Erw. 2c). Darauf wird verwiesen. Richtig ist
schliesslich, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der
Rechtsprechung entwickelten intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467
Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in materiellrechtlicher Hinsicht auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Aus den selben Gründen sind
hier die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes
über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 nicht anwendbar (BGE 129 V 4 Erw.
1.2).
1.2 Zu ergänzen ist, dass in Fällen, in welchen rückwirkend eine abgestufte
oder befristete Rente zugesprochen wird, die für die Rentenrevision geltenden
Bestimmungen (Art. 41 IVG; Art. 88a IVV) analog anzuwenden sind (BGE 125 V
417 Erw. 2d, 109 V 126 Erw. 4a). Ergibt die Prüfung, dass bei richtiger
Betrachtungsweise kein Rentenanspruch bestand, ist das angerufene Gericht im
Rahmen der fehlenden Bindung an die Parteianträge jedoch befugt, unter
Gewährung des rechtlichen Gehörs, insbesondere des Hinweises auf die
Möglichkeit zu einem Rückzug der Beschwerde (BGE 122 V 166, vgl. auch BGE 125
V 417 Erw. 2c), gegebenenfalls in peius oder in melius reformierend, die
zugesprochene befristete oder abgestufte Rente aufzuheben, herabzusetzen oder
zu erhöhen (Urteil H. vom 3. Februar 2003, I 677/02).

Spricht die Verwaltung der versicherten Person eine befristete Rente zu und
wird beschwerdeweise einzig die Befristung der Leistungen angefochten, hat
dies nicht eine Einschränkung des Gegenstandes des Rechtsmittelverfahrens in
dem Sinne zur Folge, dass die unbestritten gebliebenen Bezugszeiten von der
Beurteilung ausgeklammert bleiben (BGE 125 V 417 f. Erw. 2d mit Hinweisen).
Die gerichtliche Prüfung hat vielmehr den Rentenanspruch für den gesamten
verfügungsweise geregelten Zeitraum und damit sowohl die Zusprechung als auch
die Aufhebung der Rente zu erfassen.

2.
Streitig und zu prüfen ist nach dem Gesagten der Anspruch des
Beschwerdeführers auf eine Rente der Invalidenversicherung für die Zeit bis
zum Erlass der Verfügung vom 6. Juni 2002.

2.1 Der Beschwerdeführer beanstandet, die IV-Stelle habe gestützt auf die
Einstufung durch den Hausarzt eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit seit November
1998 anerkannt, ab September 2001 jedoch das MEDAS-Gutachten vom 28.
September 2001 als massgeblich betrachtet und sei seither zu Unrecht von
einer vollständigen Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Damit habe die Verwaltung
ab 1. September 2001 die Aufhebung des Anspruchs auf die Invalidenrente
vorgenommen, obwohl es sich bei der MEDAS-Einschätzung lediglich um eine
unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen
Sachverhalts gehandelt habe. In erwerblicher Hinsicht kämen nur noch
grob-manuelle Tätigkeiten in Frage, wobei von einem tieferen Quartil und
einem leidensbedingten Abzug von 25 % auszugehen sei. Selbst wenn auf den
Durchschnittswert der Lohnstrukturerhebung (LSE) abgestellt und jener Wert um
20 % reduziert werde, resultiere aus dem Vergleich mit dem Valideneinkommen
eine verbleibende Erwerbsfähigkeit von nur 32 bis 33 %, sodass der Anspruch
auf eine ganze Rente weiterhin bestehe.
Die Vorinstanz ist in Würdigung des MEDAS-Gutachtens davon ausgegangen, dass
dem Beschwerdeführer eine leichte, wechselbelastende, vorzugsweise etwas mehr
sitzende als stehend-gehende Tätigkeit vollumfänglich zumutbar sei. In
erwerblicher Hinsicht wurde festgestellt, dass bei einem Valideneinkommen von
Fr. 65'745.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 44'141.- der
Invaliditätsgrad 32,86  % (gemäss zur Publikation in BGE V vorgesehenem
Urteil R. vom 19. Dezember 2003, U 27/02, gerundet 33 %) betrage und der
Anspruch auf eine Invalidenrente spätestens ab dem 1. September 2001 somit
nicht mehr gegeben sei.

2.2
2.2.1In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht der Beschwerdeführer erneut
geltend, die IV-Stelle habe rechtlich und faktisch per 1. September 2001 eine
Rentenrevision vorgenommen, weshalb der rückwirkend, für den vorangehenden
Zeitraum vom 1. November 1999 bis 31. August 2001, anerkannte Anspruch auf
eine ganze Invalidenrente der analogen Anwendung der Bestimmungen über die
Rentenrevision unterliege. Zudem könne eine Aufhebung der Rente nach Art.
88bis Abs. 2 lit. a IVV frühestens ab dem ersten Tag des übernächsten Monats
vorgenommen werden, wobei auf das Datum der Verfügung abzustellen sei. Da im
vorliegenden Fall eine Verfügung erstmals am 6. Juni 2002 ergangen sei, wäre
eine Aufhebung jedenfalls frühestens ab 1. August 2002 möglich gewesen.

2.2.2 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Dabei ist zunächst
festzuhalten, dass die Befristung der ganzen Rente bis 31. August 2001 nur
zulässig wäre, wenn ab September 2001 eine revisionserhebliche Änderung in
den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten wäre. Indessen ist vorliegend
offensichtlich keine solche Änderung erstellt, die eine Aufhebung der
Invalidenrente begründen könnte. Vielmehr wurde das Gutachten der MEDAS zum
Anlass genommen, die rückwirkend zugesprochene Rente zu befristen. Stellte
man auf dieses Gutachten ab, wäre aber festzuhalten, dass die Verfügung vom
6. Juni 2002, womit dem Beschwerdeführer eine vom 1. November 1999 bis 31.
August 2001 befristete Rente gewährt wurde, einer Grundlage entbehrt. Denn
die Schätzung der angepassten, vollumfänglichen Arbeitsfähigkeit gemäss
Gutachten müsste in diesem Fall - bei stabilem Gesundheitszustand seit 4.
November 1998 - wohl auch für die Rentenbezugsdauer gelten. Andererseits
fehlt eine ärztliche Stellungnahme zum Grad der Arbeitsunfähigkeit in der
genannten Periode.

2.2.3 Die Verwaltung hatte für die Zeit vor dem Vorliegen des
MEDAS-Gutachtens wegen Krankschreibung des behandelnden Arztes auf die
ärztliche Einschätzung von Dr. med. R.________ abgestellt und für den
genannten Zeitraum eine ganze Rente zugesprochen. Erst anschliessend
erachtete sie gestützt auf das MEDAS-Gutachten vom 28. September 2001 das
entsprechende Ergebnis für die Ermittlung des Invaliditätsgrades als
massgeblich. Grundsätzlich hätte dies dazu führen müssen, dass dem
Beschwerdeführer auch für den Zeitraum vom 1. November 1999 bis 31. August
2001 keine Invalidenrente zugesprochen werde, bzw. dass die Vorinstanz nach
dem in Erw. 1.2 genannten Verfahren entscheide, da gemäss MEDAS-Einschätzung
der Gesundheitszustand des Versicherten zumindest seit dem 4. November 1998
stabil geblieben war. Unter Berücksichtigung der vernehmlassungsmässigen
Vorbringen der IV-Stelle befand das kantonale Gericht jedoch, wenn dem
Beschwerdeführer dennoch gestützt auf die damalige ärztliche Einschätzung
seines Hausarztes rückwirkend eine befristete Rente zugesprochen worden sei,
so müsse dies als Entgegenkommen seitens der Invalidenversicherung zu
verstehen sein, weil damit wegen der langen Dauer des Verfahrens das
Vertrauen in eine allenfalls unzutreffende ärztliche Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit bis zu einem gewissen Grad geschützt worden sei.

Diese Betrachtungsweise widerspricht eindeutig den in Erw. 1.1 dargelegten
Grundsätzen. Wollte man bei der gegebenen Aktenlage davon ausgehen, dass der
Beschwerdeführer auch während der gesamten Bezugsdauer für angepasste
Tätigkeiten arbeitsfähig war, wäre ihm eine reformatio in peius anzudrohen
und die Möglichkeit einzuräumen gewesen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zurückzuziehen. Es verbietet sich jedoch, ohne ärztliche Stellungnahme den
Grad der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten während einer längeren Periode
festzulegen, so dass die Sache zu ergänzenden Abklärungen bezüglich des
Grades der Arbeitsunfähigkeit während der Wartezeit und der
Rentenbezugsperiode an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Eine Rückweisung
erscheint im vorliegenden Fall insofern als unerlässlich, als die MEDAS-Ärzte
sich in der Schlussbesprechung des Gutachtens ausdrücklich nur zur
Arbeitsunfähigkeit ab 17. August 2001 geäussert haben. Im Austrittsbericht
der Klinik X.________ vom 7. Februar 2002 wird dem Beschwerdeführer nach
zweiwöchigem Aufenthalt zwar eine erhebliche Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Diese steht allerdings mit den Ergebnissen des MEDAS-Gutachtens im
Widerspruch, sodass die Frage des Grades der Arbeitsunfähigkeit des
Versicherten im interessierenden Zeitraum durch das kantonale Gericht
eingehend zu prüfen ist. Dabei wird unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der
Parteien eine Rückfrage bei der MEDAS zweckdienlich sein.

2.3 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beanstandet der Beschwerdeführer
ferner die vorinstanzliche Prüfung der erwerblichen Umsetzung seiner
Restarbeitsfähigkeit, indem er im vorgenommenen Einkommensvergleich die
Berücksichtigung eines zu hohen Quartils und eines ungenügenden
leidensbedingten Abzugs bemängelt. Unter den gegebenen Umständen ist die
Sache in dieser Hinsicht zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht
zurückzuweisen.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Ausgang des Prozesses
entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159
Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). Das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 27. Juni 2003
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie,
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu
entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zug hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr.
2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 24. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: