Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 564/2003
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I 564/03

Urteil vom 30. März 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Frésard; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch den Sozialdepartement der Stadt
Zürich, Zentrale Ressourcendienste, Rechtsdienst, Badenerstrasse 65, 8004
Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 23. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
H. ________, geboren 1963, meldete sich am 16. Oktober 2001 bei der
Invalidenversicherung an und ersuchte um Ausrichtung einer Rente. Die
IV-Stelle des Kantons Zürich zog den Auszug aus dem individuellen Konto bei
und holte einen Bericht des Spitals X.________, Departement für Innere
Medizin, Pneumologie (Dr. med. B.________, Oberarzt, und Dr. med. I.________,
Assistenzarzt), vom 18. Dezember 2001 ein. Nachdem die IV-Stelle in ihrem
Vorbescheid eine Abweisung des Leistungsgesuchs in Aussicht stellte, liess
der Versicherte einen Arztbericht von Dr. med. H.________, Spezialarzt Innere
Medizin FMH, bes. Lungenkrankheiten, bes. Allergologie, vom 30. August 2002
einreichen. Da die IV-Stelle zur Überzeugung gelangte, der nachgereichte
Bericht rechtfertige keine andere Beurteilung als die des Spitals X.________,
lehnte sie einen Anspruch auf Versicherungsleistungen ab (Verfügung vom 11.
September 2002).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher H.________ beantragen liess, die
angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei ihm ab Oktober 2000 eine
halbe Invalidenrente zuzusprechen, eventuell sei die Sache zu einer weiteren
medizinischen Begutachtung an die IV-Stelle zurückzuweisen, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 23. Juni
2003).

C.
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Während die IV-Stelle auf Abweisung schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie zur Bemessung
des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 128 V 30 Erw. 1)
zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben ist ferner die Rechtsprechung zu
den dabei zu vergleichenden Sachverhalten (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis)
sowie zur Verwendung von Tabellenlöhnen bei der Ermittlung des trotz
Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens
(Invalideneinkommen; BGE 126 V 76 f. Erw. 3b mit Hinweis; vgl. auch AHI 2002
S. 67 Erw. 3b). Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes
bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 f. Erw. 4 mit Hinweisen) und zum
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit
Hinweis; AHI 2000 S. 152 Erw. 2c). Darauf wird verwiesen. Richtig ist
schliesslich, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der
Rechtsprechung entwickelten intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467
Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in materiellrechtlicher Hinsicht auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Aus den selben Gründen sind
hier die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes
über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 (4. IVG-Revision) nicht anwendbar (BGE
129 V 4 Erw. 1.2).

2.
Sowohl die Ärzte am Spital X.________ als auch Dr. med. H.________ stellten
beim Beschwerdeführer die Diagnosen einer chronisch obstruktiven
Lungenkrankheit (COPD) mit Asthma bronchiale und einer Polytoxikomanie. Die
Vorinstanz erachtete es angesichts der Lage der Akten als ausgewiesen, dass
der Beschwerdeführer in seiner Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt
ist, was in einer körperlich mittelschweren oder gar schweren Tätigkeit zu
einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit führe. Streitig ist, inwiefern der
Versicherte in einer körperlich leichten Tätigkeit in seiner Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt ist und welche erwerblichen Auswirkungen bestehen.

3.
3.1
3.1.1Dem Arztbericht der Dres. med. B.________ und I.________ vom Spital
X.________ vom 18. Dezember 2001 lässt sich entnehmen, dass die weitgehend
fixierte obstruktive Ventilationsstörung nur zum Teil auf ein Asthma
bronchiale - welches reversibel ist - zurückgeführt werden kann. Ein
erheblicher Teil der Funktionsstörung sei im Rahmen einer
chronisch-obstruktiven irreversiblen Lungenerkrankung zu interpretieren.
Damit könne auch unter optimalen medikamentösen und rehabilitativen
Massnahmen keine Normalisierung der Leistungsfähigkeit und damit der
Arbeitsfähigkeit erwartet werden. Die Prognose der Krankheit sei angesichts
der ausgeprägten irreversiblen Komponente gekennzeichnet durch eine langsame
Progredienz. Als Beispiel einer leichten Tätigkeit, wofür ihres Erachtens
eine volle Arbeitsfähigkeit bestehe, nennen sie diejenige eines
Geschäftsführers bei einem Video-Versand, welche Aufgabe der Beschwerdeführer
als letzte regelmässige Arbeit bis 1996 ausführte.

3.1.2 Dr. med. H.________ kam bei seiner Untersuchung vom 24. Juli 2002 zum
gleichen Befund wie die Ärzte am Spital X.________. Die Lungenfunktion
erreichte nur 30% des Sollwertes. Der Arzt gelangte angesichts dieses Wertes
zur Überzeugung, in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit müsse zusätzlich
berücksichtigt werden, dass über den ganzen Tag gesehen eine Variabilität und
damit phasenweise auch eine Verschlechterung hinzukomme. Damit sei der
Beschwerdeführer aus seiner Sicht auch für leichte körperliche Arbeit
höchstens teilweise arbeitsfähig. Ausschliesslich bedingt durch das Asthma
bronchiale betrage dieses höchstens 40 bis 50%.

3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, Dr. med. H.________ gründe die aus seiner
Sicht beschränkte Arbeitsunfähigkeit "ausschliesslich" auf das Asthma
bronchiale. Daran leide der Beschwerdeführer schon seit 1981, habe aber bis
1997 ganztags einer körperlich leichten Tätigkeit nachgehen können. Im
Bericht des Spitals X.________ stützte man die Einschränkung in der
Arbeitsfähigkeit nur teilweise auf das reversible Asthma, zum erheblichen
Teil aber auf eine irreversible obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Da der
genannte Bericht detailliert, nachvollziehbar und begründet sei und auf
allseitigen Untersuchungen beruhe sowie die geklagten Beschwerden
berücksichtige, sei die volle Arbeitsfähigkeit in einer angepassten
körperlich leichten Tätigkeit ausgewiesen. Das kantonale Gericht ermittelte
in der Folge unter Berücksichtigung der in BGE 126 V 75 ff. festgehaltenen
Grundsätze einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 18,3%.

3.3 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dargelegt, bereits alltägliche
einfache Verrichtungen wie Treppensteigen oder Einkaufen würden dem
Beschwerdeführer grosse Mühe bereiten. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wird eine weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. med. H.________ vom 26.
August 2003 eingereicht. Dieser stellt nochmals eingehend dar, weshalb er zu
einer anderen Ansicht bezüglich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit an einer
angepassten körperlich leichten Stelle gelangte. Er legt insbesondere Gewicht
auf die Tatsache, dass es beim Beschwerdeführer - trotz nach heutiger
Erkenntnis optimaler Therapie - regelmässig zu nächtlichem Erwachen wegen
Atemnot kommt. Dies wird auch im Bericht des Spitals X.________ vom 18.
Dezember 2001 beschrieben. Das sei tagsüber nicht anders. Auch während des
Tages träten immer wieder Anfälle von Atemnot in Ruhe auf, welche eine
durchgehende Arbeitstätigkeit auch bei leichter körperlicher Arbeit
verunmöglichten.

4.
Angesichts der divergierenden ärztlichen Stellungnahmen zur Arbeitsfähigkeit
lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden, was der Beschwerdeführer bei
leichter körperlicher Arbeit zu leisten vermag, beziehungsweise, inwiefern er
allenfalls eingeschränkt ist. Insbesondere kann nicht gesagt werden, der
einen der beiden ärztlichen Äusserungen sei aus formeller oder inhaltlicher
Sicht der Vorzug zu geben. Damit ist die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit diese eine Begutachtung über die Arbeits- und
Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Auftrag gebe und gestützt darauf
über den Leistungsanspruch neu entscheide.

5.
Im Blick auf den Ausgang des Verfahrens entfallen Erwägungen zum Hauptantrag
des Beschwerdeführers auf Zusprechung einer halben Rente.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni
2003 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie,
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu
entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 30. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: