Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 561/2003
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I 561/03

Urteil vom 9. November 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Signorell

B.________, 1952, Beschwerdeführer, vertreten durch den Procap,
Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 11. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene B.________ arbeitete bei der Firma K.________ AG (nach
verschiedenen Fusionen seit Mitte 2002: F.________ AG), als er am 24.
September 1984 als Chauffeur einen Berufsunfall erlitt. Seither ist er noch
zu 50 % arbeitsfähig. Seit 1986 ist er in der gleichen Firma als Disponent
tätig. Er bezieht Leistungen der Unfallversicherung. Mit Verfügungen vom 9.
November 1988 sprach ihm die Invalidenversicherung u.a. eine halbe Rente mit
Wirkung ab 1. Oktober 1986 zu. Während wiederholte Rentenüberprüfungen zu
keiner Änderung des Rentenanspruchs geführt hatten, stellte die
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau, IV-Stelle, im Rahmen des
letzten Revisionsverfahrens fest, dass sich der Invaliditätsgrad zufolge
gestiegener Einkünfte auf 37 % reduziert hatte. Mit Verfügung vom 7. August
2002 hob sie die Rente per Ende September 2002 auf.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess eine dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 11. Juni 2003 teilweise gut, hob die
angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur Festsetzung der Rente im
Sinne der Erwägungen (festgestellter Invaliditätsgrad von 48,33 %; Prüfung
des Härtefalls und Neuverfügung über den Rentenanspruch) an die Verwaltung
zurück.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ die Zusprechung einer
halben Invalidenrente beantragen.

IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf Stellungnahmen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist einzig die Festsetzung des Einkommens, das der
Versicherte erzielen könnte, wenn der Gesundheitsschaden nicht eingetreten
wäre (Valideneinkommen).

2.
2.1 Der ohne Invalidität erzielbare Verdienst ist unter Berücksichtigung der
individuellen, persönlichen und beruflichen Verhältnisse des Versicherten zu
bestimmen. Dabei sind nach der Rechtsprechung zu aArt. 28 Abs. 2 IVG und
aArt. 18 Abs. 2 UVG (je in der bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen
Fassung; seit 1. Januar 2003 Art. 16 ATSG) theoretisch vorhandene berufliche
Entwicklungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten nur dann zu beachten, wenn sie mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. Für die Annahme einer
mutmasslichen beruflichen Weiterentwicklung wird daher der Nachweis konkreter
Anhaltspunkte dafür verlangt, dass der Versicherte einen beruflichen Aufstieg
und ein entsprechend höheres Einkommen auch tatsächlich realisiert hätte,
wenn er nicht invalid geworden wäre. Es müssen konkrete Hinweise für das
behauptete berufliche Fortkommen bestehen, so z.B. wenn der Arbeitgeber dies
konkret in Aussicht gestellt oder gar zugesichert hat. Sodann genügen blosse
Absichtserklärungen des Versicherten nicht. Vielmehr muss die Absicht,
beruflich weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte kundgetan worden
sein (BGE 96 V 29; EVGE 1968 S. 93 Erw. 2a; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw.
3b; nicht publizierte Urteile F. vom 28. August 1996, U 12/96, und M. vom 13.
September 1996, I 419/95).

2.2 Die Verwaltung ging davon aus, der Beschwerdeführer würde ohne
Behinderung heute als Lastwagenchauffeur arbeiten. Mit einlässlicher und
zutreffender (vgl. Urteile L. vom 25. Juni 2004 [I 170/03] Erw. 3.2 und W.
vom 26. Mai 2003 [U 183/02] Erw. 6.2) Begründung erwog die Vorinstanz (Erw.
3e), dass der Versicherte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ohne
unfallbedingte Einschränkung am 1. Oktober 2002 (Revisionszeitpunkt) als
Disponent in einer Transportunternehmung tätig wäre. Sie legte dem
Einkommensvergleich die Verdienstmöglichkeit eines Disponenten im
Transportgewerbe zu Grunde.

3.
3.1 Zur Ermittlung der Einkommensmöglichkeiten eines Disponenten im
Transportgewerbe holte das kantonale Gericht Auskünfte ein. Danach bezahlt
die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers einem Disponenten mit vergleichbarer
Dienstzeit und Berufserfahrung bei einem Vollpensum (50 Arbeitsstunden/Woche)
Fr. 78 000.- (Schreiben vom 28. Februar 2003). Bei der Firma H.________ AG
beträgt der durchschnittliche Bruttolohn eines Disponenten Fr. 75 400.- (13 x
Fr. 5 800.-; Schreiben vom 22. April 2003). Zugunsten des Beschwerdeführers
ging die Vorinstanz von einem Valideneinkommen von Fr. 78 000.- aus. Der
Beschwerdeführer verlangt, dieses sei auf Fr. 80 600.- festzusetzen. Da er
wegen seiner Behinderung nur zu 50 % arbeite, betrage das Valideneinkommen
das Doppelte des tatsächlich erzielten Jahreslohnes (Fr. 40 300.-). Diese
Auffassung geht von der nicht zutreffenden Annahme aus, der Beschwerdeführer
arbeite in einem Teilzeitpensum von 50 %. Anlässlich einer
Arbeitsplatzbesichtigung der SUVA am 13. Juni 2002 erklärte dieser jedoch,
sämtliche Arbeitsstunden mit der Zeiterfassung festgehalten zu haben. Danach
komme er im Schnitt auf eine wöchentliche Arbeitszeit von gut 50 und mehr
Stunden. Dies entspricht indessen der betriebsüblichen Arbeitszeit.

Der Gesundheitsschaden des Versicherten führte also nicht zu einer
Teilzeitbeschäftigung. Die Arbeitgeberin entlöhnt nicht eine reduzierte
Arbeitszeit mit voller Leistung, sondern eine während der ordentlichen
Arbeitszeit erbrachte reduzierte Arbeitsleistung. Dass die Vorinstanz das
Valideneinkommen gestützt auf die Angaben der Arbeitgeberin auf Fr. 78 000.-
(Vollzeitpensum mit voller Leistungsfähigkeit) festsetzte, ist deshalb nicht
zu beanstanden.

3.2 Unbestrittenermassen sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung
des erzielten Lohnes von Fr. 40 300.- als Invalideneinkommen erfüllt, liegt
doch ein stabiles Arbeitsverhältnis vor, in welchem der Versicherte seine
verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft und dafür
einen seiner Leistung entsprechenden Lohn erhält.

4. Bei einer behinderungsbedingten Einbusse des Erwerbseinkommens um Fr. 37
700.- ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 48,33 %. Nach Art. 28 Abs. 1 IVG
(in der bis zum 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) besteht damit
Anspruch auf eine Viertelsrente, im Härtefall (Art. 28 Abs. 1bis IVG, Art.
28bis IVV je in der bis zum 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) auf
eine  halbe Rente.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
 Luzern, 9. November 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.