Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 542/2003
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I 542/03

Urteil vom 2. März 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Ackermann

S.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs
Leemann, Technikumstrasse 84, 8400 Winterthur,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 18. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
S. ________, geboren 1959, war seit Januar 1995 als Maurer für das
Baugeschäft M.________ AG tätig, als er im März 1995 eine Skaphoidfraktur
rechts erlitt, was mehrere Operationen zur Folge hatte (unter anderem am 31.
März 2000 und am 30. März 2001). Am 28. Mai 1997 meldete er sich bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, worauf die IV-Stelle des Kantons
Zürich Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht vornahm. Mit
Verfügung vom 24. März 1998 lehnte die Verwaltung die Ausrichtung einer
Invalidenrente sowie Umschulungsmassnahmen ab, da S.________ in einer
leidensangepassten Tätigkeit ein rentenausschliessendes Einkommen erzielen
könne; die Arbeitsvermittlung sei aus invaliditätsfremden Gründen
gescheitert. Diese Verfügung wurde nicht angefochten.

Am 30. September 1999 wurde S.________ - mittlerweile seit Februar 1998
arbeitslos - von einer Autofahrerin angefahren und an der (vom Unfall 1995
betroffenen) rechten Hand verletzt. Er meldete sich am 13. Juli 2000 erneut
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an; die Verwaltung zog die
Akten des zuständigen Unfallversicherers bei und holte diverse Arztberichte
ein (unter anderem mehrere der Klinik Y.________). Mit Verfügung vom 25. Juni
2001 sprach die IV-Stelle S.________ vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1999
eine Viertelsrente und mit Wirkung ab Januar 2000 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu; mit Verfügung vom 9. Juli 2001 wurde die
Viertelsrente auf eine halbe Härtefallrente erhöht. Anlässlich einer
Rentenrevision ging die Verwaltung von einem Invaliditätsgrad von nur noch 21
% aus und hob - nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren - die laufende ganze
Rente mit Verfügung vom 17. Mai 2002 per Ende Juni 2002 auf.

Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger
Unfallversicherer richtet - neben einer (einmaligen) Integritätsentschädigung
für eine Integritätseinbusse von 5 % - seit Februar 1998 eine Invalidenrente
für eine Erwerbseinbusse von 25 % aus; zudem erhält S.________ seit dem
Unfall von September 1999 Taggelder der Unfallversicherung für eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit.

B.
Die gegen die rentenaufhebende Verfügung der IV-Stelle von Mai 2002 erhobene
Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 18. Juni 2003 ab, nachdem es die  Akten der SUVA und je einen
Bericht der Klinik X.________ vom 22. Januar/10. Februar 2003 sowie der
Klinik Y.________ vom 22. April 2003 beigezogen hatte.

C.
Unter Beilage eines Berichts des Hausarztes Dr. med. G.________, Innere
Medizin FMH, vom 23. August 2003 lässt S.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei ihm weiterhin
eine ganze Invalidenrente auszurichten, eventualiter sei die Sache zur
Vornahme weiterer Abklärungen und zu neuem Entscheid an das kantonale Gericht
zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie das kantonale Gericht zu Recht festgehalten hat, ist das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (17. Mai 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Dasselbe gilt für die
Bestimmungen der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4. IVG-Revision.
Zutreffend dargestellt sind im Weiteren die Voraussetzungen für die
Rentenrevision (Art. 41 IVG; Art. 88a IVV) und die dabei zu vergleichenden
Sachverhalte (vgl. BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis sowie zur Publikation in
der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil A. vom 1. Dezember 2003, I
465/03). Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig ist, ob im massgeblichen Zeitraum zwischen den Verfügungen von
Sommer 2001 (Leistungszusprache) und Mai 2002 (Leistungseinstellung) eine
Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, die nach Art. 41
IVG eine revisionsweise Aufhebung der zugesprochenen Rente rechtfertigt.

2.1 Das kantonale Gericht hat auf die übereinstimmenden Berichte der Klinik
Y.________ von Oktober 2001 und April 2003 sowie der Klinik X.________ von
Januar/Februar 2003 abgestellt und eine vollständige Arbeitsfähigkeit in
einer leidensangepassten Tätigkeit angenommen. Der Beschwerdeführer ist
demgegenüber der Auffassung, die Ärzte der Klinik X.________ hätten im
Bericht von Januar/Februar 2003 ausgeführt, der status vor dem Unfall von
September 1999 sei nicht erreicht worden. Zudem sei nicht berücksichtigt
worden, dass die Schmerzen der rechten Hand bereits im Ruhezustand vorlägen,
weshalb eine ganztägiger Arbeitseinsatz nicht realistisch sei, und die Klinik
Y.________ im Bericht von 8. August 2001 die Aufnahme einer
leidensangepassten Tätigkeit bloss auf einem Niveau von 50 % empfohlen habe.
Schliesslich gehe der Hausarzt Dr. med. G.________ in seinem aktuellen
Bericht vom 23. August 2003 davon aus, dass eine Arbeitsfähigkeit von weniger
als 50 % vorliege.

2.2 Wie den internen Unterlagen der IV-Stelle entnommen werden kann, ist der
Rentenanspruch offenbar aufgrund der Folgen des zweiten Unfalles von
September 1999 sowie der im März 2000 und März 2001 erfolgten Operationen am
Handgelenk bejaht worden. Mit Bericht vom 7. Juni 2001 hält die Klinik
Y.________ zuhanden der Verwaltung fest, dass infolge Andauerns der
Rehabilitationsphase nach der Operation von März 2001 eine Stellungnahme
bezüglich Arbeitsfähigkeit zum jetzigen Zeitpunkt wenig sinnvoll sei. Am 7.
August 2001 führt sie weiter aus, die Funktionalität der rechten Hand sei nun
für leichtere Tätigkeiten durchaus gegeben, was im Bericht vom 8. August 2001
an den Anwalt des Versicherten dahin umschrieben wird, es bestehe "sicherlich
eine Arbeitsfähigkeit in einer leichteren, wechselnd durchführbaren
Tätigkeit, die vor allem auch linksseitig erledigt werden kann. Diesbezüglich
wäre der Patient auch motiviert eine Arbeit zu finden, ein initialer Einstieg
auf dem Niveau von 50 % scheint sinnvoll mit gutem Potential der Steigerung."
In einem weiteren Bericht vom 2. Oktober 2001 bestätigt die Klinik Y.________
die Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit und spezifiziert
sie durch das gleichentags ausgefüllte Formular "Arbeitsbelastbarkeit". Diese
fachärztlichen Berichte sind für die streitigen Belange umfassend, beruhen
auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden und
sind in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; zudem sind die Ausführungen
in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtend und enthalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125 V
352 Erw. 3a). Auch wenn im Bericht vom 8. August 2001 bloss ein "initialer
Einstieg auf dem Niveau von 50 %" als sinnvoll erachtet wird, liegt kein
Widerspruch zu den anderen Arztberichten vor: Diese Relativierung stellt
offensichtlich keine grundsätzliche Beschränkung in dem Sinne dar, dass vor
dem definitiven Entscheid ein Arbeitsversuch unternommen werden sollte,
sondern ist vielmehr als Einstiegshilfe oder Berücksichtigung einer
Angewöhnungsphase aufzufassen, hat doch die Klinik Y.________ in den anderen
Arztberichten und insbesondere im detaillierten Formular
"Arbeitsbelastbarkeit" keinen entsprechenden Hinweis angebracht. Dies wäre
jedoch der Fall gewesen, wenn eine Unsicherheit über das Ausmass der
Arbeitsfähigkeit bestanden hätte oder ein Arbeitsversuch notwendig gewesen
wäre. Damit ist davon auszugehen, dass spätestens ab Spätsommer/Herbst 2001
eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit
bestanden hat.

Für das vorliegende Verfahren nicht massgebend sind - entgegen der
(stillschweigenden) Auffassung von Vorinstanz und Beschwerdeführer - die
während des vorinstanzlichen Verfahrens ergangenen Berichte der Klinik
X.________ vom 22. Januar und 10. Februar 2003 sowie der dazu Stellung
nehmende Bericht der Klinik Y.________ vom 22. April 2003. Diese ärztlichen
Ausführungen beziehen sich auf den Klinikaufenthalt des Versicherten vom 20.
November 2002 bis zum 8. Januar 2003 und betreffen damit einen Zeitpunkt nach
Verfügungserlass im Mai 2002, welcher die zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis darstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b). Dasselbe gilt für den
letztinstanzlich eingereichten Bericht des Dr. med. G.________ vom 23. August
2003, hält doch der Hausarzt explizit fest, die Arbeitsfähigkeit sei "zur
Zeit", d.h. also im Sommer 2003, deutlich eingeschränkt. Aber auch wenn der
Bericht der Klinik X.________ vom 10. Februar 2003 zu berücksichtigen wäre,
könnte der Versicherte daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten: Es wird zwar
in diesem Bericht explizit ausgeführt, der status quo ante sei nach dem
Unfall von September 1999 nicht erreicht worden, jedoch bestehe eine
vollständige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit, was sich
mit der Auffassung der Klinik Y.________ in deren Berichten von August und
Oktober 2001 deckt.

2.3 Da für die Zeit ab Herbst 2001 von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit
in einer leidensangepassten Tätigkeit ausgegangen werden kann (Erw. 2.2
hievor), bleibt abzuklären, ob sich der Grad der Invalidität seit
Rentenbeginn in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat.

2.3.1 Das Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) ist aufgrund
des im Jahre 1995 zuletzt verdienten Lohnes zu bestimmen, den die SUVA als
zuständiger Unfallversicherer anhand des Lohnbuchauszuges auf Fr. 61'206.-
festgesetzt hat. Für den Zeitpunkt der verfügten Renteneinstellung ist eine
Anpassung an die Lohnentwicklung vorzunehmen (1996: + 1.2 % [Die
Volkswirtschaft 12/2001 S. 81 Tabelle B10.2 Zeile F], 1997: + 0.2 %, 1998: 0.4
%, 1999:         - 0.5 %, 2000: + 1.9 %, 2001: + 2.8 %, 2002: + 1.6 %;
Die Volkswirtschaft 1/2004 S. 95 Tabelle B10.2 Zeile F), was einen Betrag von
Fr. 65'987.25 ergibt.

2.3.2 Da kein tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen vorliegt, ist das
Einkommen nach Eintritt der Invalidität (Invalideneinkommen) grundsätzlich
anhand statistischer Angaben (vgl. BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb) oder auf Grund
der DAP (Blätter dokumentierter Arbeitsplätze) zu bestimmen. Entgegen
Vorinstanz und Verwaltung kann jedoch nicht auf die Angaben der DAP
abgestellt werden, da nur drei DAP-Blätter der Bestimmung des massgebenden
Betrages zugrunde liegen und nach der neuesten Rechtsprechung in der Regel
auf mindestens fünf DAP-Blätter abzustellen ist (BGE 129 V 480); ein
Abweichen vom Regelfall ist nicht ausgewiesen. Damit ist das
Invalideneinkommen anhand der Angaben der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2000 festzusetzen.
Gemäss Tabelle A1 beträgt der Zentralwert für im privaten Sektor auf
Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) bei einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigte Männer monatlich Fr.
4437.- brutto. Dieser Betrag ist der Lohnentwicklung bis zum Zeitpunkt der
Renteneinstellung 2002 anzupassen (2001: + 2.5 %, 2002: + 1.8 %; Die
Volkswirtschaft 1/2004 S. 95 Tabelle B10.2 Zeile A) und auf die in diesem
Jahr betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41.7 Stunden (Die Volkswirtschaft
1/2004 S. 94 Tabelle B9.2 Zeile A) umzurechnen, was einen Betrag von Fr.
4826.55 monatlich und Fr. 57'918.60 jährlich ergibt. Bei einem
Valideneinkommen von Fr. 65'987.25 (Erw. 2.3.1 hievor) resultiert somit auch
dann ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von unter 40 % (Art. 28 Abs.
1 IVG), wenn vom Invalideneinkommen der maximal mögliche behinderungsbedingte
Abzug von 25 % (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc) vorgenommen wird, so dass die Höhe
dieses Abzuges letztlich offen bleiben kann.

2.4 In Anwendung des Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV haben Vorinstanz und
Verwaltung angesichts des Verfügungserlasses im Mai 2002 die Rente zu Recht
auf Ende Juni 2002 aufgehoben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 2. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: