Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 516/2003
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I 516/03

Urteil vom 4. Mai 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Frésard;
Gerichtsschreiberin Schüpfer

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

K.________, 1959, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Helena
Böhler, Feldeggstrasse 49, 8008 Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 28. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren 1959, hatte eine kaufmännische Lehre abgeschlossen und
arbeitete seitdem im In- und Ausland in diversen Tätigkeiten. Von Juni bis
Dezember 1999 absolvierte sie eine Ausbildung als Spielgruppenleiterin und
arbeitete ab September 2000 in verschiedenen Stellen in dieser Tätigkeit
sowie als Kinderbetreuerin. Am 6. September 2000 meldete sich K.________ bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug, insbesondere zur
Berufsberatung, Umschulung und Arbeitsvermittlung an, da sie seit dem 17. Mai
1999 wegen einer Sehnenscheidenentzündung an beiden Händen und Armen
arbeitsunfähig sei. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte in Abklärung der
erwerblichen und medizinischen Entscheidungsgrundlagen unter anderem
Arztberichte ein, liess die Versicherte begutachten und führte sie einer
Berufsberatung zu. Trotz intensiver Abklärung konnte die Ursache der
Beschwerden an den Armen nicht eruiert werden. Mit in Rechtskraft
erwachsender Verfügung vom 22. August 2001 lehnte die IV-Stelle den Anspruch
auf berufliche Massnahmen ab und teilte der Versicherten gleichzeitig mit,
derjenige auf eine Rente werde geprüft. Nach Einholung weiterer Arztberichte
- unter anderem einer medizinischen Beurteilung der zumutbaren
Arbeitsbelastung durch die Hausärztin Dr. med. R.________, Fachärztin für
Innere Medizin, vom 14. Februar 2002 - teilte die IV-Stelle der Versicherten
mit, dass bei einem möglichen Einkommen ohne Behinderung von Fr. 71'468.- und
einem solchen von Fr. 63'123.- mit Behinderung ihr Invaliditätsgrad 12 %
betrage, weshalb das Leistungsbegehren abgewiesen werde (Verfügung vom 23.
Juli 2002).

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene
Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es einen Rentenanspruch bis 30.
November 2001 verneinte, die Sache aber an die Vorinstanz zurückwies, damit
diese ein psychiatrisches Gutachten für die Zeit ab Dezember 2001 einhole und
über den Rentenanspruch ab jenem Zeitpunkt neu befinde (Entscheid vom 28. Mai
2003).

C.
Die IV-Stelle Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellt den
Antrag, es sei festzustellen, dass das im angefochtenen Entscheid
festgesetzte Valideneinkommen von Fr. 57'174.- bei einem 80%igen
Arbeitspensum auf ein solches von Fr. 37'410.- bei einem vollen Pensum zu
reduzieren sei, und dass dieser Feststellung folgend eine Rückweisung obsolet
werde.
Während K.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen
lässt und um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Umfang des Rentenanspruchs
(Art. 28 Abs. 1 IVG und Art. 28 Abs. 1bis je in der bis 31. Dezember 2003
geltenden Fassung), die Invaliditätsbemessung nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie die Grundsätze über
die Invaliditätsbemessung (BGE 128 V 30 Erw. 1) zutreffend dargelegt.
Entsprechendes gilt für die Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft
getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts ([ATSG] BGE 129 V 4 Erw. 1.2). Darauf wird
verwiesen.

1.2 Zu ergänzen gilt dass bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig
sind, für diesen Teil die Invalidität nach Art. 28 Abs. 2 IVG festgelegt wird
(Art. 27bis Abs. 1 IVV erster Satz). Waren sie daneben in einem
Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG tätig, so wird die Invalidität für
diese Tätigkeit nach Art. 27 IVV festgelegt (zweiter Satz); in diesem Fall
sind der Anteil der Erwerbstätigkeit und der Anteil der Tätigkeit im andern
Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad entsprechend der
Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen (dritter Satz von Art. 27bis Abs.
1 IVV; gemischte Methode). Ist anzunehmen, dass Versicherte im Zeitpunkt der
Prüfung des Rentenanspruchs ohne Gesundheitsschaden ganztägig erwerbstätig
wären, so ist die Invaliditätsbemessung gemäss Art. 27bis Abs. 2 IVV
ausschliesslich nach den Grundsätzen für Erwerbstätige zu bemessen. Ob eine
versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig einzustufen
ist, was je zur Anwendung einer andern Methode der Invaliditätsbemessung
(Einkommensvergleich oder gemischte Methode) führt, ergibt sich aus der
Prüfung, was die versicherte Person bei im Übrigen unveränderten Umständen
täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Die Statusfrage
beurteilt sich praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum
Erlass der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische
Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten vollen Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 129 V 152 Erw. 2.1, 125 V 150 Erw.
2c, je mit Hinweisen).

2.
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der
Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art.
128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das
Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen
das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen,
werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand
gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive,
auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache
zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese
Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu
bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis).

3.
3.1 In der angefochtenen Verfügung ist die Beschwerdeführerin davon
ausgegangen, die Versicherte könne als kaufmännische Angestellte ca. Fr.
71'468.- im Jahr verdienen. Als behinderungsangepasste Tätigkeiten wurden
diejenigen einer Beraterin in der Firma T.________, als Empfangsangestellte
oder bei der Personaleinteilung der Firma S.________ angesehen. Mittels
DAP-Zahlen (Dokumentation über Arbeitsplätze) hat die IV-Stelle das zumutbare
Erwerbseinkommen mit der Behinderung auf Fr. 63'123.- beziffert. Das
kantonale Gericht hat demgegenüber erwogen, dass bei der Ermittlung des
Valideneinkommens nicht das Einkommen, das die versicherte Person ohne
Gesundheitsschaden verdienen könnte, massgebend ist, sondern dasjenige, das
sie nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verdienen würde.
Aus dem Auszug des individuellen Kontos sei ersichtlich, dass die
Beschwerdegegnerin kaum je ein ganzes Jahr oder vollzeitlich erwerbstätig
gewesen sei. Gegenüber der Berufsberaterin der IV-Stelle habe sie angegeben,
auch als Gesunde nicht mehr als zu 80 % erwerbstätig zu sein, da sie viele
Hobbys habe und diverse Weiterbildungskurse besuche. Die Vorinstanz hat das
Valideneinkommen in der Folge auf 80 % von Fr. 71'468.- also auf Fr. 57'174.-
festgesetzt.

3.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gegen diese in den Erwägungen
des angefochtenen Entscheides dargelegte Festsetzung des Valideneinkommens
opponiert. Fraglich ist, ob dieser Punkt einer Anfechtung zugänglich ist,
nachdem gemäss Dispositiv Ziffer 1 des Entscheides vom 28. Mai 2003 die
angefochtene Verfügung einzig hinsichtlich eines möglichen Rentenanspruches
ab Dezember 2001 aufgehoben und die IV-Stelle verpflichtet wurde weitere
Abklärungen im Sinne der Erwägungen zu treffen. Diese Aktenergänzungen
betreffen gemäss Erwägung 4 einzig den medizinischen Sachverhalt. Mithin
bildet das vorinstanzlich ermittelte Valideneinkommen nicht Bestandteil des
Dispositivs und ist demgemäss auch keiner (Teil-)Rechtskraft zugänglich (vgl.
Erwägung 2 hievor).

Vorliegend ist indessen trotzdem auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
einzutreten. Denn würde der Beschwerdeführerin gefolgt, resultierte auch bei
einer reduzierten Arbeitsfähigkeit in einer zumutbaren Tätigkeit kein
anspruchsbegründender Invaliditätsgrad. Damit ist der Beschwerdeführerin das
Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Rückweisungsentscheides nicht
abzusprechen.

4.
Zu prüfen bleibt demnach, wie hoch das Valideneinkommen der Versicherten im
Zeitpunkt des möglichen Rentenbeginns (BGE 129 V 222) war.

4.1 In der Verfügung vom 23. Juli 2002 ist die Beschwerdeführerin von einem
Validenlohn von Fr. 71'468.- ausgegangen. Dieser Betrag wird in einem
internen Papier der Berufsberatung der IV-Stelle genannt, wobei als Quelle
"gemäss SKV, als kaufm. Angestellte" vermerkt ist. Auch die Vorinstanz geht
von diesem Betrag aus, ist hingegen zur Überzeugung gelangt, dass die
Versicherte auch als Gesunde lediglich in einem 80%-Pensum erwerbstätig wäre.
Sie hat das Valideneinkommen entsprechend auf Fr. 57'174.- (80 % von Fr.
71'468.-) beziffert. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zieht die IV-Stelle
den Verdienst der Versicherten vom Jahre 1992 - als sie gemäss IK-Auszug das
letzte Mal während zwölf Monaten erwerbstätig war - von Fr. 32'566.- heran,
rechnet ihn für das Jahr 2002 auf Fr. 37'140.- hoch und geht davon aus, dass
der Validenlohn 80 % dieses Betrages, mithin Fr. 29'928.- entspräche.

4.2
4.2.1Angesichts der Aussagen der Versicherten gegenüber der Berufsberaterin
und dem Sachverhalt, wie er sich aufgrund des IK-Auszuges darstellt, ist
tatsächlich nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin als Gesunde
einer Vollzeittätigkeit als kaufmännische Angestellte nachgehen würde. Sie
ist daher auch für den hier relevanten Zeitraum ab Dezember 2001 als
Teilerwerbstätige zu qualifizieren. Da die angegebenen übrigen Verrichtungen
(Pflegen von Hobbys, Besuch von Weiterbildungskursen aller Art,
unentgeltliche Mithilfe in wohltätigen Organisationen) nicht als Tätigkeit im
andern Aufgabenbereich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art.
27 IVV zu werten sind, kommt hier mit der Vorinstanz nicht die gemischte,
sondern die Einkommensvergleichsmethode zu Anwendung.

4.2.2 Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beschwerdeführerin. Der
Validenlohn ist nicht ein historischer, sondern ein hypothetischer Lohn in
der Gegenwart und Zukunft. Es geht daher nicht an, einen zehn Jahre
zurückliegenden Verdienst als Grundlage für die Gegenwart heranzuziehen.
Vorliegend ist zudem zu beachten, dass der damalige Lohn für eine
Halbtagesstelle, also für ein Pensum von 50 % ausgerichtet worden war.
Rechnete man diesen auf das Jahr 2002 und auf ein Pensum von 80 % hoch,
würden Fr. 59'856.- resultieren. Die Ermittlung des im Gesundheitsfall von
einem Versicherten erzielbaren Einkommens hat indessen so konkret wie möglich
zu erfolgen. Vorliegend bedeutet dies, dass die Beschwerdegegnerin, welche
gemäss ihrem Lebenslauf seit Ausbildungabschluss eine sehr vielfältige
berufliche Laufbahn zeigte, über ihre beruflichen Pläne ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung hätte befragt werden müssen. Auffallend ist, dass sie ihre
Ausbildung als Spielgruppenleiterin bereits einen Monat nach Ausbruch des
Gesundheitsschadens aufnahm. Es ist daher unter anderem abzuklären, ob sie
diese Ausbildung unabhängig vom Gesundheitsschaden geplant hatte. Aufgrund
der durch die weiteren Abklärungen erhaltenen Erkenntnisse ist das
Valideneinkommen zu bestimmen. Nur wenn es nicht mehr möglich erscheint,
diesen hypothetischen Wert so genau wie möglich zu beziffern, kann auf
allgemeine Erfahrungswerte, wie sie sich zum Beispiel aus der Lohn- und
Gehaltserhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) ergeben, abgestellt
werden.

4.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass nicht nur der Gesundheitszustand der
Versicherten ab Dezember 2001 abgeklärt werden muss, sondern dass es auch zur
Ermittlung des Valideneinkommens weiterer Erhebungen der Beschwerdeführerin
bedarf. Das kantonale Gericht hat die Verfügung vom 23. Juli 2002 daher zu
Recht aufgehoben und die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle Zürich hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von
Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) für das letztinstanzliche
Verfahren zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 4. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: