Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 501/2003
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I 501/03

Urteil vom 22. Januar 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger
und Kernen; Gerichtsschreiberin Durizzo

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdeführerin,

gegen

K.________, 1964, Beschwerdegegner, vertreten
durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600
Olten

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 30. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren 1964, leidet an Rückenbeschwerden. Nach einer
Diskushernienoperation im Jahre 1991 und zwei Jahren Arbeitslosigkeit war er
während fünf Jahren an einer neuen Arbeitsstelle als Betriebsmitarbeiter
tätig, bis sich das Rückenleiden im Oktober 1999 erneut bemerkbar und eine
weitere Operation (Infiltration am 14. April 2000) erforderlich machte.
Nachdem ihm das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen per Ende Juli
2000 gekündigt worden war, meldete er sich am 13. Juni 2000 bei der
Eidgenössischen Invalidenversicherung an und beantragte die Ausrichtung einer
Rente. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn holte Berichte des Hausarztes Dr.
med. B.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 24. Juni 2000 sowie der
vormaligen Arbeitgeberin ein. Nach einer Abklärung durch die Berufliche
Abklärungsstelle (BEFAS; Gutachten vom 12. April 2001) lehnte sie das
Begehren des Versicherten mit Verfügung vom 19. Juli 2001 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 30. Juni 2003 in dem Sinne gut, dass die
Verfügung der IV-Stelle vom 19. Juli 2001 aufgehoben und die Sache zu
ergänzenden psychiatrischen Abklärungen an die IV-Stelle zurückgewiesen
wurde.

C.
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
Während K.________ unter Berufung auf die Ausführungen des vorinstanzlichen
Entscheides auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum
Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), zu den
Ansprüchen auf Berufsberatung (Art. 15 IVG), Umschulung (Art. 17 IVG) und
Arbeitsvermittlung (Art. 18 Abs. 1 IVG) sowie zur Aufgabe des Arztes im
Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 105 V 158 Erw. 1; vgl. auch BGE 115 V
134 Erw. 2 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die
Ausführungen über die Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000. Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Nachdem der Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren einen Bericht des
Dr. med. L.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 9. November 2001
eingereicht hatte, erwog das kantonale Gericht, dass der medizinische
Sachverhalt nur unvollständig abgeklärt worden sei. Unter Verweis auf die
Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (AHI 2000 S. 159
Erw. 4b) ging es davon aus, dass nach der Diagnose einer somatoformen
Schmerzstörung durch die BEFAS-Gutachter die Möglichkeit eines
invalidisierenden psychischen Leidens bestehe, diese Frage jedoch nach Lage
der Akten nicht beantwortet werden könne.

2.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat im genannten Urteil erkannt,
dass unter bestimmten Voraussetzungen somatoforme Beschwerden eine
Arbeitsunfähigkeit verursachen können. Solche Beschwerden fallen unter die
Kategorie der psychischen Leiden, welche grundsätzlich geeignet sind, eine
Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Zur Beurteilung, ob dies tatsächlich der
Fall ist, ist jedoch ein psychiatrisches Gutachten erforderlich. Zu beachten
ist dabei, dass eine fachärztlich festgestellte psychische Krankheit nicht
gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer Invalidität ist. In jedem Einzelfall
muss die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unabhängig von der Diagnose
und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie ausgewiesen und in ihrem Ausmass
bestimmt sein. Entscheidend ist die nach einem weit gehend objektivierten
Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern dem Versicherten trotz
seines Leidens die Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit auf dem ihm nach
seinen Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch
sozial-praktisch zumutbar und für die Gesellschaft tragbar ist (BGE 127 V 298
Erw. 4c).

2.3 Im vorliegenden Fall wurde jedoch bis zu dem für die richterliche
Überprüfungsbefugnis massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 19.
Juli 2001 (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) weder vom Hausarzt noch
von den BEFAS-Gutachtern nach vierwöchiger Abklärung ein invalidisierendes
psychisches Leiden diagnostiziert. Nach Einschätzung der BEFAS-Gutachter litt
der Versicherte unter einer psychosozialen Belastungssituation, die sich
darin bemerkbar machte, dass er sich trotz sorgfältiger, gleichmässiger und
selbstständiger Arbeit überfordert fühlte, weshalb er sich auch bei einem
Psychiater angemeldet hatte. Der Bericht des Dr. med. L.________ vom 9.
November 2001 lässt keinen Rückschluss auf den Zeitpunkt des
Verfügungserlasses zu. Unter diesen Umständen ist eine psychiatrische
Begutachtung nicht erforderlich, sondern auf die Einschätzung von Hausarzt
und BEFAS-Gutachter abzustellen, wonach der Versicherte bis am 19. Juli 2001
in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig war.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 30. Juni 2003 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 22. Januar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: