Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 489/2003
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I 489/03

Urteil vom 8. Oktober 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

R.________, Beschwerdeführerin,
handelnd durch K.________

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 24. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 10. April 2002 hob die IV-Stelle des Kantons Solothurn die
R.________ wegen Hilflosigkeit mittelschweren Grades gewährte
Hilflosenentschädigung auf.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 24. Juni 2003 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ durch ihren Vormund die
weitere Ausrichtung der Hilflosenentschädigung beantragen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist
im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des
Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 10. April 2002) eingetretene Rechts-
und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2).
1.2 Das kantonale Gericht hat die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen über
die Anspruchsvoraussetzungen für eine Hilflosenentschädigung der
Invalidenversicherung (Art. 42 Abs. 1 und 2 IVG, Art. 36 IVV) zutreffend
dargelegt, worauf verwiesen wird.

Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 35 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 86
IVV die Bestimmungen des IVG über die Revision der Rente sinngemäss für die
Revision der Hilflosenentschädigung gelten. Art. 41 IVG sieht vor, dass die
Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben
ist, wenn sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den
Anspruch erheblichen Weise ändert.

2.
2.1 Zu Beginn ihrer plötzlichen Erkrankung an Herpes simplex
Meningo-Encephalitis im August 1995 wies die Versicherte gemäss einem Bericht
des Spitals X.________ vom 22. November 1995 nebst einer antero- und
retrograden Amnesie ausgeprägte Frontalhirnstörungen auf. In der Folge
persistierten schwere neuropsychologische Defizite. Erst im Rahmen des
Aufenthaltes in der Abteilung für Neuropsychologische Rehabilitation am
Spital X.________ lernte die Patientin allmählich, sich mit externen
Gedächtnisstrategien wieder zurecht zu finden. In zwei Stellungnahmen des
Spitals X.________ vom 29. März und 3. Mai 1996 war denn auch von einer
erfreulichen Zustandsverbesserung die Rede, welche eine berufliche
Wiedereingliederung als indiziert erscheinen liess. Es folgten längere
Rehabilitationsaufenthalte unter anderm im Spital X.________ und in der
Klinik Y.________. Wie einem Bericht des Spitals X.________ vom 3. Mai 2000
zu entnehmen ist, konnten dank entsprechender rehabilitativer Massnahmen, dem
Engagement des Vormundes und eines umfassenden institutionellen und privaten
sozialen Auffangnetzes grosse Fortschritte erzielt werden, die es der
Versicherten erlaubten, wieder allein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zu leben.
Nach 4-jährigem Besuch einer Beschäftigungsgruppe der Pro Infirmis in
C.________ konnte deren Beobachtungsstelle am 2. Oktober 2000 auf grosse
Fortschritte in der psychischen Stabilität und Selbstständigkeit im Alltag
hinweisen; die Fähigkeiten im Bürobereich würden das Niveau, das die Pro
Infirmis anbieten könne, nunmehr eindeutig übersteigen. Am 10. Dezember 2001
hielten die Ärzte des Spitals X.________ fest, dass mit einer langjährigen
Rehabilitation grosse Fortschritte erzielt werden konnten, welche es der
Versicherten - wenn auch unter vielfältiger Supervision - erlauben, wieder
allein zu leben.

Wenn auch - vor allem seitens des Spitals X.________ - erhebliche Bedenken
hinsichtlich des künftigen Genesungsverlaufs und der selbstständigen
Lebensführung geäussert werden, kann auf Grund der medizinisch dokumentierten
Entwicklung doch davon ausgegangen werden, dass es seit der Zusprechung einer
Hilflosenentschädigung allmählich zu einer bedeutenden Verbesserung des
Gesundheitszustandes, insbesondere in den für die Beurteilung der
Hilflosigkeit entscheidenden funktionalen Bereichen gekommen ist. Unter der
Voraussetzung einer entsprechenden Veränderung des Hilflosigkeitsgrades
vermag diese grundsätzlich eine Herabsetzung oder gar eine Aufhebung des
Entschädigungsanspruches in einem Revisionsverfahren nach Art. 86 IVV in
Verbindung mit Art. 41 IVG  zu rechtfertigen.

2.2 Wie das kantonale Gericht richtig festgestellt hat, ergibt sich aus den
eingeholten medizinischen Unterlagen und den anlässlich der Abklärungen der
Invalidenversicherung gewonnenen Erkenntnissen, dass die Beschwerdeführerin
in keiner der massgebenden alltäglichen Lebensverrichtungen (BGE 124 II 247
f., 121 V 90 Erw. 3a mit  Hinweisen) regelmässig in erheblicher Weise auf die
Hilfe Dritter angewiesen ist. Unabhängig von einer allfälligen
Überwachungsbedürftigkeit sind damit die Voraussetzungen für die Gewährung
einer Hilflosenentschädigung wegen schwerer oder mittelschwerer (Art. 36 Abs.
1 und 2 IVV) Hilflosigkeit nicht mehr erfüllt.  Ebenso wenig ist - auch unter
Berücksichtigung des im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren nachgereichten
Berichts des Spitals X.________ vom 3. Mai 2000 und der Rechnungsbelege der
"pro infirmis" betreffend "Begleit-Stunden" - eine für die Annahme leichter
Hilflosigkeit erforderliche Überwachungs-, Pflege- oder
Betreuungsbedürftigkeit im Sinne von Art. 36 Abs. 2 lit. b, c und d IVV
erstellt. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen die Rechtmässigkeit
der vorinstanzlich bestätigten Aufhebung der Hilflosenentschädigung nicht in
Frage zu stellen.

3.
Für die beantragte Aussetzung des vorliegenden Urteils im Hinblick auf
allenfalls zu erwartende Änderungen der gesetzlichen Grundlagen im Rahmen der
4. IVG-Revision besteht kein Anlass, da bei der Beurteilung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher
Hinsicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der
Verwaltungsverfügung vom 10. April 2002 abzustellen ist (BGE 127 V 467 Erw.
1; 121 V 366 Erw. 1b; vgl. auch Erw. 1.1 hievor).

4.
Nach der Rechtsprechung ist es - ausser im Rahmen eines zweiten
Schriftenwechsels, für dessen nur ausnahmsweise angezeigte Anordnung (Art.
110 Abs. 4 OG) vorliegend kein Anlass besteht - grundsätzlich nicht zulässig,
nach Ablauf der Rechtsmittelfrist neue Unterlagen einzureichen, es sei denn,
diese stellten neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel im
Sinne von Art. 137 lit. b OG dar und wären als solche geeignet, eine spätere
Revision des Gerichtsurteils zu begründen (BGE 127 V 353). Auf die Eingabe
der Beschwerdeführerin vom 19. September 2003 trifft dies nicht zu.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Oktober 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: