Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 438/2003
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I 438/03

Urteil vom 21. Oktober 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiber Ackermann

B.________, 1971, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Michael Iten, Untermüli 6, 6302 Zug,

gegen

IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 25. April 2003)

Sachverhalt:

A.
B. ________, geboren 1971, arbeitete von Mai 1998 bis August 2000 als
Haushaltsangestellte für das Seminar X.________. Im August 1999 rutschte sie
in der Badewanne aus und schlug sich beim Sturz das Kreuz und eventuell den
Kopf an; der zuständige Unfallversicherer nahm Abklärungen vor (insbesondere
Gutachten des Dr. med. S.________, leitender Arzt der Rheumatologie des
Spitals Y.________, vom 25. Mai 2000 sowie Konsiliarbericht des Dr. med.
H.________, Facharzt Neurologie FMH, vom 5. Dezember 2000) und erbrachte bis
Ende März 2001 Leistungen. Am 14. Dezember 2000 meldete sich B.________ bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, worauf die IV-Stelle Zug die
Akten des Unfallversicherers und einen Bericht des ehemaligen Arbeitgebers
vom 29. Januar 2001 beizog. Die Verwaltung nahm eine berufliche Abklärung vor
und holte im Weiteren zwei Berichte des Hausarztes Dr. med. N.________,
Spezialarzt FMH für Chirurgie und Orthopädie, vom 26. Januar 2001 (mit
Vorakten) sowie vom 25. Juni 2001 ein; überdies veranlasste sie eine
Begutachtung durch die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS; Gutachten vom 5.
April 2002 mit rheumatologischem Konsilium vom 5. März 2002 sowie
psychiatrischem Konsilium vom 8. März 2002). Nach erfolgtem Vorbescheid
verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. Juni 2002 den Anspruch auf
Rente und berufliche Massnahmen, da weder eine drohende noch bereits
eingetretene Invalidität bestehe.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug
mit Entscheid vom 25. April 2003 ab.

C.
Unter Beilage eines Zeugnisses des Dr. med. N.________ vom 23. Juni 2003
lässt B.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihr eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen; eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie das kantonale Gericht zu Recht festgehalten hat, ist das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (Juni 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Zutreffend sind im Weiteren
die Darlegungen der Vorinstanz über die Voraussetzungen und den Umfang des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades
bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28
Abs. 2 IVG) und die Aufgabe der Ärzte bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125
V 261 Erw. 4). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass nach Art. 4 Abs.
1 IVG als Invalidität gilt die durch einen körperlichen oder geistigen
Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall
verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde
Erwerbsunfähigkeit.

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung und in
diesem Zusammenhang vor allem die Frage des Umfangs der zumutbaren
Arbeitsfähigkeit. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist dagegen der
Anspruch auf berufliche Massnahmen; in dieser Hinsicht ist der
vorinstanzliche Entscheid nicht angefochten worden.

2.1 Das kantonale Gericht stellt auf die Einschätzung der MEDAS vom 5. April
2002 ab und geht davon aus, es bestehe weder in der bisherigen noch der
aktuellen Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit in wesentlichem Ausmass. Die
Versicherte bringt demgegenüber vor, dass die geklagten Schmerzen von den
Gutachtern nicht bestritten worden seien und sie deswegen in ihrer
Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei; im Weiteren hätten weder die Gutachter
der MEDAS noch die Vorinstanz die abweichende Einschätzung des Hausarztes Dr.
med. N.________ berücksichtigt, welcher von einer Arbeitsunfähigkeit von 50 %
ausgehe.

2.2 Die Experten der MEDAS gehen im Gutachten vom 5. April 2002 davon aus,
dass die Versicherte im Haushalt, in den bisher ausgeübten und in allen
anderen, üblicherweise durch Frauen ausgeübten Tätigkeiten vollständig
arbeitsfähig sei; insbesondere verneint das psychiatrische Konsilium vom 8.
März 2002 das Vorliegen einer psychiatrischen Krankheit mit Auswirkung auf
die Arbeitsfähigkeit. Das Gutachten der MEDAS ist für die streitigen Belange
umfassend, beruht auf allseitigen Untersuchungen (entgegen der Auffassung in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat auch der Verfasser des Gutachtens die
Versicherte selber gesehen, befragt und untersucht), berücksichtigt die
geklagten Beschwerden (insbesondere die vorgebrachten Schmerzen) und ist in
Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; im Weiteren sind die Ausführungen in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtend und beinhalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125
V 352 Erw. 3a). Diese polydisziplinär durchgeführte Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit stimmt im Übrigen mit der - bereits im
unfallversicherungsrechtlichen Verfahren erfolgten - Einschätzung des
Gutachters Dr. med. S.________ vom 25. Mai 2000 wie auch mit derjenigen des
Dr. med. H.________ vom 5. Dezember 2000 überein, welche beide von einer
Arbeitsfähigkeit von 100 % innert drei bis vier Monaten nach dem Unfall
ausgegangen sind. Der Hausarzt Dr. med. N.________ schreibt dagegen im
Bericht vom 26. Januar 2001, dass die Arbeitsfähigkeit seit August nie mehr
über 50 % hinaus gesteigert werden konnte; in seinem Schreiben zuhanden des
IV-Arztes vom 25. Juni 2001 geht er zudem davon aus, dass die
Beschwerdeführerin eindeutig leide, das Krankheitsbild sich einem
Fibromyalgiesyndrom nähere und in Zukunft sicherlich keine volle
Arbeitsleistung erbracht werden könne. Diese Auffassung ist weder geeignet,
zu einer anderen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zu führen, noch vermag sie
Zweifel an der Zuverlässigkeit der Ausführungen der Gutachter der MEDAS zu
wecken (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb); denn der rheumatologische
Konsiliararzt der MEDAS hat - in Kenntnis der Vorakten - kein (vom Hausarzt
vermutetes) Fibromyalgiesyndrom diagnostiziert; zudem ist den Experten der MEDAS aufgefallen, dass der Hausarzt in der Krankengeschichte vom 17. August
1999 zwar Druckdolenzen beschrieben, jedoch keine Kontusionsmarken vermerkt
hat. Im Weiteren sind den Gutachtern der MEDAS die von der Versicherten
angegebenen und vom Hausarzt berichteten Schmerzen bekannt gewesen, welche
somit in der Festlegung des Umfangs der Arbeitsfähigkeit berücksichtigt
worden sind; damit ändern die geklagten Schmerzen nichts an der Zumutbarkeit
der Ausübung einer Arbeit in vollem Umfang. Angesichts der klaren
Einschätzung im psychiatrischen Konsilium vom 8. März 2002, wonach keine
psychiatrische Krankheit mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit besteht,
sind diese Schmerzen auch nicht Ausdruck eines psychischen
Gesundheitsschadens. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass Dr. med.
N.________ auch invaliditätsfremde Gründe in seiner Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit berücksichtigt hat: So hat er in seinem Bericht zuhanden des
Unfallversicherers vom 15. Februar 2000 festgehalten, dass eine Erhöhung des
Arbeitspensums auf über 50 % nicht möglich sei, da die Versicherte "bereits
mit ihrem Haushalt und ihren Kindern ... genug belastet" sei. Das
letztinstanzlich eingereichte Zeugnis vom 23. Juni 2003 des Hausarztes
betrifft einen Zeitpunkt nach dem - Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildenden (BGE 121 V 366 Erw. 1b) - Zeitraum bis
Verfügungserlass (Juni 2002), sodass allein schon aus diesem Grund nicht
darauf abgestellt werden kann.

Damit ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin vollständig
arbeitsfähig ist; weitere Abklärungen sind nicht notwendig (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b). Bei dieser Sachlage liegt keine
Invalidität im Sinne des Art. 4 IVG vor, sodass kein Anspruch auf eine Rente
der Invalidenversicherung besteht.

2.3 Obwohl sich die Einschätzung der Experten der MEDAS erst auf den Zeitraum
ab dem 13. März 2002 bezieht, kann für die vorherige Zeit mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b) nicht davon ausgegangen werden,
dass die Versicherte während mindestens eines Jahres ohne wesentlichen
Unterbruch durchschnittlich zu 40 % arbeitsunfähig gewesen ist (Art. 29 Abs.
1 lit. b IVG): So sind denn sowohl Dr. med. S.________ wie Dr. med.
H.________ in ihren Berichten vom 25. Mai 2000 resp. 5. Dezember 2000 davon
ausgegangen, die volle Arbeitsfähigkeit sei innert drei bis vier Monaten zu
erlangen, während der psychiatrische Experte der MEDAS keine psychiatrische
Krankheit erkennen konnte und in seinem Bericht keinerlei Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass eine solche Störung während eines früheren Zeitraums
bestanden haben könnte; auf die Einschätzung des Dr. med. N.________ kann
dagegen auch für die Zeit vor März 2002 nicht abgestellt werden (vgl. Erw.
2.2 hievor). Damit besteht für die Zeit vor dem 13. März 2002 ebenfalls kein
Anspruch auf eine Invalidenrente.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, der
Ausgleichskasse Exfour und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 21. Oktober 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: