Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 437/2003
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I 437/03

Urteil vom 8. November 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Helfenstein
Franke

C.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten
durch den Rechtsdienst für Behinderte, Schützenweg 10, 3014 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 13. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1945 geborene C.________ war seit Mai 1993 bei der Z.________ AG
teilzeitlich als Reinigungsangestellte tätig. Am 17. September 2001 meldete
sie sich unter Hinweis auf etwa seit 1996 bestehende Hüft- und
Rückenbeschwerden sowie Gefässprobleme (Stützstrümpfe seit 20 Jahren) bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern (nachfolgend:
IV-Stelle) holte Arztberichte des Spitals X.________ vom 23. und 26. November
2001 und des Dr. med. B.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 8.
April 2002 (dem ein Bericht des Dr. med. K.________, Spezialarzt FMH für
Rheumatologie und Innere Medizin, vom 19. August 1999 beigelegt war), sowie
einen Arbeitgeberbericht vom 16. Oktober 2001 und eine weitere Anfrage beim
Arbeitgeber vom 25. April 2002 ein. Gestützt darauf lehnte sie nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 25. Juli 2002 das
Leistungsbegehren mit der Begründung ab, C.________ sei vom 29. Oktober 2001
bis 12. Mai 2002 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen; seit 13. Mai 2001 sei sie
wiederum im gewohnten Umfang arbeitsfähig, weshalb nicht während mindestens
eines Jahres eine ununterbrochene Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit von 40 %
bestanden habe.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 13. Mai 2003 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ beantragen, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zu
verpflichten, den Status von C.________ näher abzuklären und den
Rentenanspruch zu überprüfen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend ausgeführt hat, sind im vorliegenden
Fall die Bestimmungen des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 sowie dessen Verordnungen nicht anwendbar, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 25. Juli
2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2
mit Hinweisen).

1.2 Im angefochtenen Entscheid richtig dargelegt werden ferner die
gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität und zu
deren Eintritt (Art. 4 Abs. 1 und 2 IVG [in der bis 31. Dezember 2002 in
Kraft gestandenen Fassung]; BGE 121 V 331 Erw. 3b, 116 V 249 Erw. 1b, je mit
Hinweisen), zur Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit
(BGE 115 V 133 f. Erw. 2, 105 V 141 Erw. 1b; vgl. auch BGE 127 V 299 f. Erw.
5a), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs.
1 und 1bis IVG), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG [in der
bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung]; BGE 104 V 136 f. Erw. 2a
und b; vgl. auch BGE 128 V 30 Erw. 1 mit Hinweisen), bei Nichterwerbstätigen
im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG, namentlich im Haushalt beschäftigten
Versicherten, nach der spezifischen Methode des Betätigungsvergleichs (Art.
28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV [in der bis Ende
2002 gültig gewesenen Fassung]; BGE 104 V 136 Erw. 2a) und bei
teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 3
IVG in Verbindung mit Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVV [in der vom 1. Januar 2001
bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung]; BGE 125 V 146, 104 V 136
Erw. 2a; ZAK 1992 S. 128 Erw. 1b). Darauf wird verwiesen.

2.
In Frage steht der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der
Invalidenversicherung (BGE 125 V 417 f. Erw. 2d mit Hinweisen).

2.1 Wie das kantonale Gericht gestützt auf die medizinischen Unterlagen wie
auch auf die Auskünfte des Arbeitgebers vom 16. Oktober 2001 und 25. April
2002 dargelegt hat, war die Beschwerdeführerin seit 1993 zu durchschnittlich
zwei Stunden täglich als Raumpflegerin tätig. Nach den beiden Hüftoperationen
(Totalendoprothese links 28. Februar 2000, rechts 30. Oktober 2001) war sie
vom 29. Oktober 2001 bis 12. Mai 2002 zu 100 % arbeitsunfähig und nahm
daraufhin die Arbeit im gewohnten Umfang wieder auf, wobei der behandelnde
Arzt Dr. med. B.________ von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit als
Raumpflegerin von 2 ½ bis 3 Stunden ausging. Diese Feststellungen sind
zutreffend und unbestritten.

2.2 Streitig und zu prüfen bleibt lediglich, in welchem Ausmass die
Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre.
Die Beschwerdeführerin macht wie bereits vor Vorinstanz geltend, dass sie
ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ihr Arbeitspensum zunehmend erhöht
hätte. Bei guter Gesundheit wäre sie seit August 2001 zu 50 % erwerbstätig
gewesen. Zu jener Zeit habe ihr jüngerer Sohn die obligatorische Schulzeit
beendet. Sie hätte dann ihr Pensum allmählich auf 80 % bis 100 % gesteigert.

2.2.1 Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig
oder als nichterwerbstätig einzustufen ist - was je zur Anwendung einer
anderen Methode der Invaliditätsbemessung führt -, ergibt sich aus der
Prüfung, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn
keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Diese Frage beurteilt sich
praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der
Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme
einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 194 Erw.
3b, je mit Hinweisen; SVR 1996 IV Nr. 76 S. 222 Erw. 2c; Urteil M. vom 13.
November 2002, I 58/02, Erw. 1.2). Bei verheirateten Versicherten erfolgt die
Beurteilung der Statusfrage insbesondere auch unter eherechtlichen
Gesichtspunkten auf Grund einer Gesamtwürdigung der persönlichen,
beruflichen, sozialen und ökonomischen Umstände des konkreten Falles; keinem
dieser Kriterien kommt zum Vornherein vorrangige Bedeutung zu (BGE 117 V 197
f. Erw. 4b in fine; Urteil P. vom 19. November 2003, I 846/02, Erw. 5.2 mit
Hinweisen).

2.2.2 Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Versicherte beabsichtigt hätte, ihren Beschäftigungsgrad nach
der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit im Jahre 1993 zu erhöhen. Immerhin
habe der jüngere Sohn vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen
bereits ein Alter gehabt, das ihr ohne weiteres erlaubt hätte, ein höheres
ausserhäusliches Arbeitspensum zu leisten. Wenn die Beschwerdeführerin damals
die Erwerbstätigkeit wegen der eingetretenen Arbeitslosigkeit des Ehemannes
aufgenommen habe, bedeute dies noch nicht, dass sie heute auf die Erzielung
eines höheren Einkommens angewiesen sei. Über eine weiterhin bestehende
Arbeitslosigkeit des Ehemannes sei aus den Akten nichts ersichtlich, was
gegebenenfalls sicher nicht unerwähnt geblieben wäre. Festzustellen sei
sodann, dass eine Statusänderung im Validitätsfall erstmals im
Beschwerdeverfahren geltend gemacht, im Abklärungsverfahren dagegen nie
vorgebracht worden sei. Die Begründung erschiene deshalb als nachgeschoben.
Es sei deshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass
die Versicherte ihren Beschäftigungsgrad ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung nicht wesentlich gesteigert hätte.

2.2.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag nicht zu einer
anderen Beurteilung zu führen.
Zunächst macht die Versicherte geltend, schon die Anmeldung bei der
Invalidenversicherung basiere auf der Tatsache, dass sie ohne gesundheitliche
Beeinträchtigung ihr Arbeitspensum zunehmend erhöht hätte. Entgegen ihrer
Auffassung lässt sich indes lediglich aus dem Vermerk im Anmeldeformular, sie
arbeite teilzeitlich zu etwa 30 % und gerate damit körperlich an ihre
Grenzen, nicht geschlossen werden, sie hätte mehr arbeiten wollen, nachdem
sie ja über Jahre hinweg nur ein solches Arbeitspensum innehatte. Auch die
Interpretation der Aussage des Sozialamtes im Schreiben vom 18. Juli 2003,
wonach eine höhere Erwerbstätigkeit auf Grund ihres gesundheitlichen
Zustandes nicht möglich sei, überzeugt nicht, wenn die Beschwerdeführerin
daraus folgert, damit könne nichts anderes gemeint sein, als dass sie gerade
mehr habe arbeiten wollen.
Sodann kann die Beschwerdeführerin aus den eingereichten Sozialhilfebudgets
der Jahre 2000 bis 2002, die zeigen sollen, dass die Familie trotz ihrer
Mithilfe auf die Unterstützung des Sozialamtes angewiesen gewesen sei, nichts
zu ihren Gunsten ableiten. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ausgeführt wird, bezog der Ehemann der Versicherten bereits von Januar 1997
bis Juni 1998 Arbeitslosen- sowie Sozialhilfegelder. Dies bot indessen der
Versicherten keine Veranlassung, schon damals ihr Arbeitspensum zu steigern.
Dass ihr dies auf Grund der Betreuung des damals 10-jährigen Sohnes nicht
mindestens eine Stunde pro Tag bzw. Abend möglich gewesen wäre, überzeugt
nicht, war doch die übliche Arbeitszeit an ihrer Arbeitsstelle ohnehin abends
ab 17.00 Uhr.
Andere, stichhaltigere Hinweise auf eine beabsichtigte Erhöhung des
Arbeitspensums liegen nicht vor. Wie dem Individuellen Konto zu entnehmen
ist, war die Versicherte mit Ausnahme von 1973 bis 1976 nie voll
erwerbstätig. Dass sie gerade im Alter von 56 Jahren damit begonnen hätte,
ihre Erwerbstätigkeit kontinuierlich zunächst auf 50 %, dann auf 100 % zu
steigern, ist nicht plausibel und wird durch nichts untermauert. Wäre es der
Versicherten mit der Steigerung des Beschäftigungsgrades tatsächlich ernst
gewesen, hätte sie eine solche bereits durch eine Anfrage beim Arbeitgeber
oder durch anderweitige Stellensuche in die Wege leiten können. Derartige
Bemühungen werden jedoch weder behauptet, noch sind sie aus den Akten
ersichtlich. Unter diesen Umständen sowie unter Berücksichtigung der
Erfahrungstatsache, dass spätere, anders lautende Erklärungen oftmals von
Überlegungen sozialversicherungsrechtlicher Natur beeinflusst sein können
(AHI 2000 S. 197 Erw. 2d; Erw. 3 des in RKUV 2001 Nr. U 437 S. 342 ff.
auszugsweise publizierten Urteils C. vom 18. Juli 2001, U 430/00; Urteil Z.
vom 2. September 2003, I 77/03, Erw. 3.2.3; vgl. auch BGE 121 V 47 Erw. 2a
mit Hinweisen) und die Versicherte die Steigerung des Arbeitspensums ab
August 2001 weder im Abklärungs- noch Vorbescheidverfahren vorgebracht hat,
ist eine solche nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen)
erstellt.

2.3 Schliesslich ist festzuhalten, dass bei nur zum Teil erwerbstätigen
Versicherten, die daneben in einem Aufgabenbereich tätig sind, der Anteil der
Erwerbstätigkeit und der Tätigkeit im andern Aufgabenbereich festgelegt und
der Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in beiden Bereichen
bemessen wird (gemischte Methode der Invaliditätsbemessung; BGE 130 V 102
Erw. 3.4 mit Hinweis). Grundsätzlich wäre es deshalb geboten, bei der
Versicherten, welche nur teilweise ausserhäuslich und sonst als Hausfrau
tätig ist, zur Festsetzung des Invaliditätsgrades im Aufgabenbereich eine
Haushaltabklärung durchzuführen. Wie die Vorinstanz indes zutreffend erwogen
hat, würde selbst unter Annahme einer - wie dargelegt nicht ausgewiesenen -
Steigerung des Beschäftigungsgrades von 50 % keine rentenbegründende
Invalidität resultieren, da im Haushaltbereich eine Einschränkung von
gewichtet 22 % vorliegen müsste, wovon auf Grund der Akten nicht ausgegangen
werden kann. Es ist deshalb der Verzicht der IV-Stelle auf die Durchführung
einer Haushaltabklärung ausnahmsweise nicht zu beanstanden, nachdem überdies
die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin in keinem Verfahrensstadium eine
Einschränkung bei Verrichtungen im Haushalt geltend gemacht hat und eine
solche auch nicht aus den medizinischen Unterlagen hervorgeht.

3.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine
Gerichtskosten zu erheben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse der graphischen
und papierverarbeitenden Industrie der Schweiz und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 8. November 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin:

i.V.