Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 430/2003
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I 430/03

Urteil vom 11. November 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber
Ackermann

J.________, 1947, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle für
Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 5. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
J. ________, geboren 1947, arbeitete von Mai 1993 bis Ende September 1999 als
Abnehmerin für die Firma P.________. Sie meldete sich am 8. Juni 1999 bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an, worauf die IV-Stelle des Kantons
Zürich die Akten des Unfallversicherers betreffend dreier Unfälle (Sturz auf
Glatteis am 17. Dezember 1996, Schnitt in den Daumen am 13. Januar 1999,
Sturz am 14. Januar 1999) beizog. Weiter holte die Verwaltung Berichte des
Dr. med. S.________, Spezialarzt Innere Medizin/Rheumaerkrankungen FMH, vom
30. Juni 1999, des Spitals X._________ vom 7. Juli 1999, der Hausärztin Frau
Dr. med. Z.________ vom 13. Dezember 1999 sowie des Arbeitgebers vom 16. Juli
1999 ein. Die rentenablehnende Verfügung der Verwaltung vom 12. September
2000 wurde auf Beschwerde hin vom Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 13. Februar 2001 aufgehoben und die Sache an die
IV-Stelle zur weiteren Abklärung zurückgewiesen. Schon während des hängigen
Beschwerdeverfahrens veranlasste die Verwaltung eine Begutachtung in der
Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) (Gutachten vom 25. Februar 2002 mit
psychiatrischem Consilium vom 13. Februar 2002) und holte einen Bericht des
med. pract. M.________ vom 18. Januar 2001 ein. Nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle J.________ mit Verfügung vom 11.
Dezember 2002 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2002 bei einem Invaliditätsgrad
von 46 % eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu, während für die
Zeit von Mai 1999 bis November 2002 eine separate Verfügung angekündigt
wurde.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Mai 2003 teilweise gut und stellte fest,
dass J.________ Anspruch auf eine halbe Rente habe.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihr eine ganze Rente zuzusprechen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie das kantonale Gericht zu Recht festgehalten hat, ist das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (Dezember 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Zutreffend sind im Weiteren
die Darlegungen der Vorinstanz über die Bemessung des Invaliditätsgrades bei
erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28
Abs. 2 IVG). Darauf wird verwiesen.

Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente,
wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu
50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist; in
Härtefällen hat der Versicherte nach Art. 28 Abs. 1bis IVG bereits bei einem
Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. Dies
bleibt zu ergänzen.

2.
Streitig ist die Höhe des Invaliditätsgrades. Nicht Gegenstand des Verfahrens
ist dagegen der Rentenbeginn.

2.1  Das kantonale Gericht stellt auf die Einschätzung der MEDAS ab und geht
von einer Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leidensangepassten Tätigkeit
aus, während die Versicherte implizit der Auffassung ist, sie sei in einem
geringeren Ausmass als von der MEDAS angenommen arbeitsfähig, da ihre
geklagten Beschwerden nicht genügend berücksichtigt worden seien.

2.2  Die MEDAS hält in ihrem Gutachten vom 25. Februar 2002 klar fest, dass
unter Berücksichtigung der somatischen und vorwiegend der psychischen
Faktoren eine Arbeitsfähigkeit von 50 % bestehe für körperlich eher leichtere
bis vereinzelt mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung der
rechten Schulter vor allem durch Überkopfarbeiten sowie ohne ausgesprochene
Zwangshaltungen oder Stressbelastungen. Die Expertise der MEDAS ist für die
streitigen Belange umfassend, beruht auf allseitigen Untersuchungen,
berücksichtigt die geklagten Beschwerden, ist in Kenntnis der Vorakten
abgegeben worden und leuchtet in der Beurteilung der medizinischen
Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation ein und enthält begründete
Schlussfolgerungen (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Diese Einschätzung wird im
Übrigen durch die Auffassung des Dr. med. S.________ vom 30. Juni 1999
bestätigt, der schon damals von einer Arbeitsfähigkeit von 50 bis 70 % für
leichtere Arbeiten ausgegangen ist. Angesichts der umfassenden Anamnese und
Befunderhebung durch die Experten der MEDAS ist nicht ersichtlich, inwiefern
die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angesprochenen Beschwerden nicht
genügend berücksichtigt worden sein sollten; die entsprechende Rüge der
Versicherten ist denn auch nicht begründet, sondern nur pauschal erhoben
worden.

Gegen die Annahme einer Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leidensangepassten
Tätigkeit spricht auch nicht die im letztinstanzlichen Verfahren eingereichte
Verfügung des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich vom 2. April
2003, welche die Vermittlungsfähigkeit ab dem 1. Februar 2003 verneint, denn
diese Verfügung betrifft einerseits einen - Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis darstellenden (BGE 121 V 366 Erw. 1b) - Zeitpunkt nach
Verfügungserlass im Dezember 2002 und andererseits sind Invalidenversicherung
und Arbeitslosenversicherung nicht in dem Sinne komplementäre
Versicherungszweige, dass der vom Erwerbsleben ausgeschlossene Versicherte
sich in jedem Fall entweder auf Invalidität oder aber auf Arbeitslosigkeit
berufen könnte; so kann sogar derjenige, der trotz eines Gesundheitsschadens
invalidenversicherungsrechtlich nicht in rentenbegründendem Masse
erwerbsunfähig ist (was hier jedoch nicht der Fall ist; vgl. Erw. 2.3
hienach), gleichwohl arbeitslosenversicherungsrechtlich gesehen
vermittlungsunfähig sein (BGE 109 V 29; ARV 1999 Nr. 19 S. 107 Erw. 3b).

2.3  Die Vorinstanz hat das Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) zu
Recht anhand des zuletzt verdienten, die Schichtzulage berücksichtigenden und
der Lohnentwicklung angepassten Entgelts als Abnehmerin festgesetzt. Ebenso
hat das kantonale Gericht das Einkommen nach Eintritt des Gesundheitsschadens
(Invalideneinkommen) anhand der Zahlen der - auf die Einschränkungen der
Versicherten genügend Rücksicht nehmenden - Blätter dokumentierter
Arbeitsplätze (DAP) wie auch - im Sinne einer Plausibilitätskontrolle -
anhand der Tabellenlöhne der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung zutreffend bestimmt. Diese Einkommen
sind denn auch nicht bestritten. Allerdings hat die Vorinstanz vom anhand der
Tabellenlöhne festgesetzten Invalideneinkommen einen behinderungsbedingten
Abzug von 15 % vorgenommen, während die Beschwerdeführerin der Ansicht ist,
es seien etwa 20 % zusätzlicher Abzug zu berücksichtigen.

Gemäss Rechtsprechung haben persönliche und berufliche Merkmale des
Versicherten wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder
Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des
Lohnes (BGE 126 V 78 Erw. 5a/cc mit Hinweis). Der deswegen vom Tabellenlohn
vorzunehmende behinderungsbedingte Abzug beträgt jedoch nicht generell und in
jedem Fall 25 %; es ist vielmehr anhand der gesamten Umstände des konkreten
Einzelfalles zu prüfen, ob und in welchem Masse das hypothetische
Invalideneinkommen gekürzt werden kann (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b). Dieser
gesamthaft vorzunehmende Abzug stellt eine Schätzung dar. Bei deren
Überprüfung kann es nicht darum gehen, dass die kontrollierende richterliche
Behörde ihr Ermessen an die Stelle der Vorinstanz setzt. Bei der
Unangemessenheit gemäss Art. 132 lit. a OG geht es um die Frage, ob der zu
überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im
Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall
getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen.
Allerdings darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne
triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich
somit auf Gegebenheiten abstützen können, welche seine abweichende
Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (BGE 126 V 81 Erw. 6
mit Hinweis). In Anbetracht der Umstände kann hier nicht davon gesprochen
werden, dass der Entscheid der Vorinstanz über die Höhe des
behinderungsbedingten Abzuges zweckmässigerweise anders hätte ausfallen
sollen, da das kantonale Gericht die von der Versicherten erwähnten
einkommensbeeinflussenden Merkmale mit 15 % genügend berücksichtigt hat. Die
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiter erwähnte fehlende Schulbildung
wird demgegenüber in BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa nicht als im Rahmen der Abzüge
zu berücksichtigendes (invaliditätsfremdes) Merkmal erwähnt und hat somit
keinen Einfluss auf die Bestimmung des Invalideneinkommens.

2.4  Da Validen- und Invalideneinkommen korrekt bestimmt worden sind (Erw.
2.3 hievor), ist der von der Vorinstanz festgesetzte Invaliditätsgrad nicht
zu beanstanden, weshalb die Versicherte Anspruch auf eine halbe Rente der
Invalidenversicherung hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse Agrapi und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 11. November 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: