Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 422/2003
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I 422/03

Urteil vom 31. Oktober 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Fleischanderl

L.________, 1960, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Praxis X.________,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 8. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1960 geborene L.________ ist verheiratet und Mutter von drei Kindern
(Jahrgänge 1988, 1990 und 1993). Am 6. April 2000 meldete sie sich unter
Hinweis auf eine seit längerer Zeit bestehende Fibromyalgie bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente) an. In der Folge holte die
IV-Stelle des Kantons Zürich Berichte des Hausarztes Dr. med. H.________,
Allgemeine Medizin FMH, vom 2. Juli 2000 und des Dr. med. A.________,
Spezialarzt FMH für Rheumaerkrankungen, vom 23. Juli 2000 ein. Zusätzlich
ordnete sie eine polydisziplinäre Untersuchung durch das Zentrum für
Medizinische Begutachtung (ZMB) an, welches seine Expertise am 24. Juni 2002
erstattete, und veranlasste eine Abklärung an Ort und Stelle
(Abklärungsbericht Haushalt vom 3. September 2002). Gestützt darauf lehnte
die IV-Stelle das Leistungsbegehren - nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens - mangels rentenbegründender Invalidität ab (Verfügung
vom 2. Oktober 2002).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. Mai 2003 in dem Sinne gut, als es die
angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies,
damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ beantragen, es sei ihr
unter Aufhebung des kantonalen Entscheides sowie der Verwaltungsverfügung ab
April 1999 eine halbe Rente, eventuell eine Viertelsrente zuzusprechen. In
der Beilage reicht der Rechtsvertreter der Versicherten weitere Berichte des
Dr. med. A.________ vom 30. September 2002 sowie des Dr. med. H.________ vom
29. Mai 2003 ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der Rechtsprechung entwickelten
intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in
materiellrechtlicher Hinsicht auf den vorliegenden Sachverhalt nicht
anwendbar ist. Ferner wurden im vorinstanzlichen Entscheid die gesetzlichen
Bestimmungen und Grundsätze über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG),
die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und
Abs. 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl.
auch BGE 128 V 30 Erw. 1a mit Hinweis), bei nichterwerbstätigen Versicherten
nach der spezifischen Methode (Art. 5 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 3 IVG in
Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und 2 IVV, je in der hier massgeblichen, bis
31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und bei Teilerwerbstätigen nach
der gemischten Methode (Art. 27bis Abs. 1 IVV [in der von 1. Januar 2001 bis
31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung]) zutreffend wiedergegeben.
Darauf wird verwiesen.

2.
Auf Grund der Akten steht fest, dass die Beschwerdeführerin im
Gesundheitsfall seit August 1999 zu 60 % erwerbstätig und zu 40 % im Haushalt
beschäftigt wäre, weshalb ab diesem Zeitpunkt die Invaliditätsbemessung nach
der gemischten Methode (Art. 27bis Abs. 1 IVV) zu erfolgen hat. Zu prüfen ist
im Folgenden, in welchem Ausmass die Beschwerdeführerin bedingt durch ihr
Leiden in der Arbeitsfähigkeit sowie in der Tätigkeit als Hausfrau
beeinträchtigt ist.

3.
3.1 In seinem Bericht vom 2. Juli 2000 (samt Beiblatt) unterliess es der
Hausarzt, Dr. med. H.________, sich präzise zur Leistungseinbusse der
Beschwerdeführerin im Haushalt und im Erwerbsbereich zu äussern und hielt
diesbezüglich eine detaillierte Abklärung für angezeigt. Gestützt auf seine
Diagnose - Fibromyalgiesyndrom mit sekundären Depressionen - attestierte er
der Versicherten für Tätigkeiten, die mit längerem Sitzen, Stehen, Heben oder
Tragen verbunden seien, auf Grund einer verminderten physischen und
psychischen Belastbarkeit jedenfalls eine reduzierte Arbeitsfähigkeit. Der
Rheumatologe Dr. med. A.________ verzichtete in seinem Bericht vom 23. Juli
2000 ebenfalls auf eine Bezifferung der Arbeitsfähigkeit und begründete dies
- unter Verweis auf einen beiliegenden Bericht vom 25. Juli 1994 - mit der
einmaligen konsiliarischen Untersuchung vom 11. Juli 1994, welche es ihm
nicht ermöglichen würde, eine umfassende Beurteilung abzugeben. Das durch die
Beschwerdegegnerin eingeholte Gutachten des ZMB vom 24. Juni 2002 kommt
sodann zum Schluss, dass die Versicherte an einer Somatisierungsstörung mit
gelegentlichen Panikattacken bei hypochondrischer Persönlichkeit und einem
Panalgiesyndrom leide. Weiter stellten die Fachärzte des ZMB unter
Berücksichtigung der somatischen und insbesondere der psychischen Aspekte der
Krankheit eine 40%ige Arbeitsunfähigkeit im erwerblichen Bereich fest und
erachteten eine Teilerwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin in ihrem
angelernten Beruf als kaufmännische Angestellte im Ausmass von 60 % als
zumutbar. In den letztinstanzlich eingereichten Berichten des Dr. med.
A.________ vom 30. September 2002 und des Dr. med. H.________ vom 29. Mai
2003 wird ferner auf das Bestehen somatischer Beschwerden - darunter
zunehmende Hüftschmerzen - hingewiesen, welche im ZMB-Gutachten nicht
ausreichend berücksichtigt worden seien, ohne jedoch genaue Angaben zur
Restarbeitsfähigkeit zu enthalten.

3.2 Mit Bezug auf die mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung einhergehende
Leistungseinbusse im erwerblichen Bereich lassen sich nach dem Gesagten unter
anderem im Bericht des Dr. med. H.________ vom 2. Juli 2000 sowie im
ZMB-Gutachten vom 24. Juni 2002 Hinweise finden. Während der Hausarzt die
Arbeitsfähigkeit der Versicherten aus somatischer und psychischer Sicht für
einfachere berufliche Tätigkeiten, die mit monotonen Stellungen verbunden
sind, als vermindert einstuft, attestieren die Ärzte des ZMB der
Beschwerdeführerin - unter vorwiegender Berücksichtigung der psychischen
Beschwerden - in der Tätigkeit als kaufmännische Angestellte eine um 40 %
eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Der medizinische Befund des Rheumatologen
Dr. med. A.________ vom 30. September 2002 gibt zwar Aufschluss über
somatische, in erster Linie die Hüfte betreffende Schmerzen, spricht sich
aber nicht über die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
aus. Der aktuellste Bericht vom 29. Mai 2003, ausgestellt durch den Hausarzt
Dr. med. H.________, hält alsdann fest, dass die vom ZMB bescheinigte 60%ige
Arbeitsfähigkeit nur bezogen auf ein - fälschlicherweise angenommenes - 100
%-Pensum erklärbar sei.
Aus diesen Unterlagen erhellt, dass das aktuelle Beschwerdebild  im für die
Beurteilung massgeblichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses (2. Oktober 2002;
BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis) zur Hauptsache durch die psychischen
Beschwerden geprägt war. Dies ergibt sich einerseits aus den ausführlichen
und umfassenden Abklärungen des ZMB vom 24. Juni 2002, welche die
rechtsprechungsgemäss erforderlichen Kriterien für beweiskräftige ärztliche
Entscheidungsgrundlagen vollumfänglich erfüllen (BGE 125 V 353 Erw. 3a mit
Hinweis) und die daher herangezogen werden können, und andererseits aus dem
im Bericht vom 30. September 2002 enthaltenen Hinweis des Rheumatologen Dr.
med. A.________ auf die stark ausgeprägte subjektive Komponente des Leidens
der Versicherten. Die hausärztlichen Angaben (vom 2. Juli 2000) datieren
demgegenüber mehr als zwei Jahre vor Verfügungserlass beziehungsweise einige
Monate danach (29. Mai 2003), weshalb darauf nicht ohne weiteres abzustellen
ist. Die Tatsache, dass es sich bei den Dres. med. A.________ und H.________
nicht um psychiatrische Fachspezialisten handelt, lässt ferner den Schluss
zu, dass diese sich primär mit den - eben gerade nicht im Vordergrund
stehenden - somatischen Beschwerden der Versicherten auseinandergesetzt
haben.

4.
4.1 Was die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin im
Haushalt anbelangt, hat die Vorinstanz den von der Beschwerdegegnerin
eingeholten Abklärungsbericht Haushalt vom 3. September 2002 als nicht
massgeblich erachtet und die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung an
diese zurückgewiesen.

4.2 Dieses Vorgehen erweist sich vor dem Hintergrund, dass der
Abklärungsbericht Haushalt jedenfalls dann allein keine beweistaugliche
Grundlage darstellt, wenn es um die Bemessung einer psychisch bedingten
Invalidität geht (in AHI 2001 S. 151 nicht publizierte Erw. 3d des Urteils S.
vom 26. Oktober 2000, I 99/00; Urteile S. vom 28. Februar 2003, I 685/02,
Erw. 3.2, G. vom 9. Juli 2002, I 676/01, Erw. 4, und V. vom 21. Juni 2001, I
22/01, Erw. 3a), als richtig. Der zur Abklärung der Invalidität im Haushalt
ausgearbeitete Fragebogen ist vorwiegend für die Beurteilung der Invalidität
infolge körperlicher Gebrechen ausgerichtet, weshalb für die Beurteilung
psychischer Erkrankungen bei der Invaliditätsbemessung im Haushalt der
medizinischen Begutachtung erhöhtes Gewicht beizumessen ist (Urteil G. vom 9.
Juli 2002, I 676/01, Erw. 4). Im ZMB-Gutachten vom 24. Juni 2002 finden sich
keine Anhaltspunkte für medizinisch begründete Einschränkungen im Haushalt
sondern lediglich Ausführungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit im
Erwerbsbereich. Im letztinstanzlich eingereichten Bericht vom 30. September
2002 erwähnt Dr. med. A.________ seit einigen Monaten zunehmende
Hüftschmerzen, nennt jedoch nicht deren Auswirkungen auf die Tätigkeiten im
Haushalt. Der Hausarzt Dr. med. H.________ kritisiert mit Bericht vom 29. Mai
2003 sodann zwar die durch das ZMB erhobenen Befunde bezüglich der
Restarbeitsfähigkeit, verzichtet jedoch ebenfalls auf eine Einschätzung der
haushaltlichen Leistungsfähigkeit.
Die im kantonalen Entscheid ausgesprochene Rückweisung zur fachmedizinischen
Abklärung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Beschwerdeführerin im
Haushaltsbereich ist vor diesem Hintergrund rechtens. Insbesondere wird es
Aufgabe der beigezogenen Ärzte sein, sich zu den einzelnen Positionen der
Haushaltsführung unter dem Gesichtswinkel der Zumutbarkeit zu äussern.

5.
Beizufügen bleibt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht auf einen per August 1999
vorzunehmenden Methodenwechsel hinweist. Es besteht unter den
Verfahrensbeteiligten Einhelligkeit darüber, dass die Versicherte bis August
1999 ausschliesslich als Hausfrau tätig war und ihr unter Rücksichtnahme auf
das jugendliche Alter der Kinder bis zu diesem Zeitpunkt keine zusätzliche
Erwerbstätigkeit hätte zugemutet werden können. Für die Zeit bis August 1999
ist demzufolge für die Invaliditätsbemessung - diesbezüglich bedarf es
entgegen der Auffassung der Vorinstanz keiner zusätzlichen Abklärungen
seitens der Verwaltung hinsichtlich der Statusfrage mehr - auf die
spezifische Methode abzustellen. Eine endgültige Festsetzung der
massgeblichen Einschränkung im Hauhalt wird aber auch hier erst nach
Einholung der zusätzlichen medizinischen Angaben möglich sein. Im Hinblick
auf die somatischen Beschwerden, namentlich die im Bericht des Dr. med.
A.________ vom 30. September 2002 erwähnten, seit einigen Monaten zunehmenden
Hüftbeschwerden, bleibt anzumerken, dass der Beschwerdeführerin, sollte sich
ihr Gesundheitszustand in dieser Hinsicht weiter verschlechtern und die
Leistungsfähigkeit sowohl im Haushalt als auch im erwerblichen Sektor dadurch
beeinträchtigt werden, jederzeit der Weg der Neuanmeldung nach Massgabe von
Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV offen steht.

6.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar mit
Bezug auf die vorinstanzliche Rückweisung betreffend der nochmaligen
Abklärung des Status der Beschwerdeführerin vor August 1999 begründet ist,
nicht aber hinsichtlich des Hauptantrages auf eine Rentenzusprechung gestützt
auf die vorhandenen Unterlagen. Dem gilt es im Entschädigungspunkt dadurch
Rechnung zu tragen, dass die IV-Stelle der Beschwerdeführerin lediglich eine
reduzierte Parteientschädigung zu zahlen hat (Art. 159 Abs. 3 in Verbindung
mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr.
500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse Grosshandel und Transithandel und dem Bundesamt
für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 31. Oktober 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: