Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 371/2003
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2003
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2003


I 371/03

Urteil vom 26. November 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und nebenamtlicher Richter Maeschi;
Gerichtsschreiberin Polla

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

D.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso Glavas,
Markusstrasse 10, 8006 Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 31. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Am 14. August 2002 ersuchte der 1954 geborene D.________ um unentgeltliche
Verbeiständung im Vorbescheidverfahren betreffend Leistungen der
Invalidenversicherung. Auf ein Schreiben vom 15. August 2002, mit welchem die
IV-Stelle des Kantons Zürich innert einer Frist von 30 Tagen Unterlagen zum
Nachweis der Bedürftigkeit verlangte, teilte der Rechtsvertreter des
Versicherten am 21. Oktober 2002 mit, sein Klient wohne in Bosnien, gehe
keiner Erwerbstätigkeit nach und lebe von einer kleinen SUVA-Rente sowie von
Verwandtenunterstützung. Mit Verfügung vom 25. November 2002 wies die
Verwaltung das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung mangels Nachweises
der Bedürftigkeit ab.

B.
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde bejahte das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Bedürftigkeit gestützt auf
nachträglich eingereichte Belege und wies die Sache an die Verwaltung zurück,
damit sie die weiteren Voraussetzungen der unentgeltlichen Verbeiständung
prüfe und über den geltend gemachten Anspruch neu verfüge. Zudem
verpflichtete es die IV-Stelle, D.________ eine Parteientschädigung von Fr.
800.- zu bezahlen (Entscheid vom 31. März 2003).

C.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit sie damit
zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet worden sei.

D. ________ beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit
darauf einzutreten sei; ferner wird um unentgeltliche Verbeiständung auch für
das letztinstanzliche Verfahren ersucht. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 61 Abs. 1 lit. g des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 hat die im kantonalen Beschwerdeverfahren obsiegende
Person Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom
Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach
der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses
bemessen. Diese Verfahrensvorschrift ist rechtsprechungsgemäss sofort
anwendbar, sofern das neue Recht keine anders lautende Übergangsbestimmung
kennt (BGE 129 V 115 Erw. 2.2, 117 V 93 Erw. 6b, 112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998
Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b). Als einzige verfahrensrechtliche
Übergangsbestimmung gibt Art. 82 Abs. 2 ATSG den Kantonen eine Frist von fünf
Jahren für die Anpassung der kantonalen Bestimmungen über die Rechtspflege,
sofern diese dem Bundesrecht nicht genügen, insbesondere mit Art. 61 ATSG
nicht vereinbar sind. Insoweit richtet sich auch der Anspruch auf
Parteientschädigung noch so lange nach dem kantonalen Recht, als dieses nicht
an das ATSG angepasst worden ist (vgl. Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 82 Rz
14).

1.2 Gemäss § 34 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich vom 7. März 1993 (Zürcher Gesetzessammlung 212.81) haben die
Parteien auf Antrag nach Massgabe ihres Obsiegens Anspruch auf den vom
Gericht festzusetzenden Ersatz der Parteikosten. Dieser wird ohne Rücksicht
auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der
Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Die gestützt auf § 7 des Gesetzes
erlassene Verordnung über die sozialversicherungsrechtlichen Gebühren, Kosten
und Entschädigungen vom 6. Oktober 1994 (Zürcher Gesetzessammlung 212.812)
sieht in § 8 Abs. 4 vor, dass eine Entschädigung verweigert werden kann, wenn
die obsiegende Partei den Prozess schuldhaft selbst veranlasst hat. Diese
Bestimmungen halten sich im Rahmen des Bundesrechts (vgl. Erw. 2.1 hienach).

2.
2.1 Es entspricht einem allgemeinen bundesrechtlichen Grundsatz, dass die
Kostenlosigkeit des Verfahrens und der Anspruch auf Parteientschädigung (Art.
85 Abs. 2 lit. a und f AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG, gültig gewesen bis
31. Dezember 2002; Art. 61 lit. a und g ATSG) unter dem Vorbehalt steht, dass
keine mutwillige oder leichtsinnige Prozessführung vorliegt (BGE 128 V 323
Erw. 1a). Eine mutwillige Prozessführung kann auch darin begründet sein, dass
eine Partei eine ihr in dieser Eigenschaft obliegende Pflicht (Mitwirkungs-
oder Unterlassungspflicht) verletzt (BGE 128 V 324 Erw. 1b). Zudem entspricht
es einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz, dass eine Partei unabhängig von
einem allfälligen Prozesserfolg die von ihr unnötigerweise verursachten oder
verschuldeten Verfahrenskosten selber zu tragen hat (vgl. Art. 156 Abs. 6 OG
und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im
Verwaltungsverfahren vom 10. September 1969, SR 172.041.0; BGE 125 V 375 Erw.
2b). Dementsprechend ist die Parteientschädigung auch im Bereich des
Bundessozialversicherungsrechts zu verweigern, wenn die obsiegende Partei das
Gerichtsverfahren in schuldhafter Weise selbst veranlasst hat (ZAK 1989 S.
283 Erw. 2b).

2.2 Weil es um die Anwendung eines bundesrechtlichen Verfahrensgrundsatzes
geht, ist das Eidgenössisches Versicherungsgericht in der Überprüfung des
kantonalen Entscheids grundsätzlich frei. Da aber kein Streit um die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen vorliegt, hat es
nur zu prüfen, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Zudem ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 e contrario).

3.
3.1 Auf das Begehren um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im
Verwaltungsverfahren (vgl. hiezu BGE 114 V 228 ff., AHI 2000 S. 162 ff.) vom
14. August 2002 hat die IV-Stelle dem Beschwerdegegner am 15. August 2002
nähere Angaben zu den Anspruchsvoraussetzungen gemacht und ihn ersucht,
innert einer Frist von 30 Tagen die Notwendigkeit der Vertretung durch einen
Anwalt zu begründen und die Bedürftigkeit aus wirtschaftlicher Sicht zu
belegen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners hat der IV-Stelle am 19.
August 2002 geantwortet, sein Klient wohne in Bosnien, weshalb er das
Formular betreffend unentgeltliche Verbeiständung nicht ausfüllen könne.
D.________ arbeite nicht mehr und lebe von einer kleinen SUVA-Rente, sodass
es ihm nicht möglich sei, für die Kosten der Rechtsvertretung aufzukommen. Es
werde um Auskunft darüber gebeten, welche Belege und Unterlagen benötigt
würden, um die Bedürftigkeit auszuweisen. Eine Antwort auf dieses Schreiben
findet sich nicht in den Akten und wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auch nicht erwähnt. In einem Schreiben an die IV-Stelle ersuchte der
Rechtsanwalt am 21. Oktober 2002 erneut um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung, wobei er die Meinung äusserte, das Begehren mit den Angaben
vom 19. August 2002 hinreichend begründet zu haben. Am 25. November 2002 wies
die IV-Stelle das Gesuch mangels Nachweises der Bedürftigkeit ab, worauf der
Rechtsvertreter unter Beilage einer Bestätigung der Gemeindeverwaltung
X._________/Bosnien vom 3. Dezember 2002 um Wiedererwägung der Verfügung
ersuchte, was von der IV-Stelle abgelehnt wurde. In der gegen die Verfügung
vom 25. November 2002 erhobenen Beschwerde wies der Anwalt erneut darauf hin,
dass sein Klient abgesehen von einer kleinen SUVA-Rente über keine Einnahmen
verfüge, womit seine Bedürftigkeit belegt sei; gleichzeitig verlangte er auch
für das kantonale Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Verbeiständung. Das
kantonale Gericht stellte ihm das Formular "Gesuch um unentgeltliche
Rechtsvertretung" zu und setzte ihm eine Frist von 30 Tagen zur Einreichung
des vollständig ausgefüllten und mit den Angaben der Gemeindebehörde und der
Steuerbehörde versehenen Formulars unter der Androhung, dass bei ungenügender
Substantiierung das Begehren abgewiesen werde. Nachdem der Rechtsvertreter
mündlich auf Schwierigkeiten bei der Einholung der verlangten Unterlagen
hingewiesen hatte, reichte er am 4. Februar 2003 Bestätigungen der bosnischen
Behörden vom 22. Januar 2003 ein, aus welchen hervorgeht, dass sein Mandant
in keinem Arbeitsverhältnis steht, im Grundbuch nicht als Eigentümer
eingetragen ist und über kein registriertes Fahrzeug verfügt; zudem liegt
eine beglaubigte Erklärung vor, wonach er über kein Vermögen verfügt.
Gestützt hierauf hat das kantonale Gericht die Bedürftigkeit für das
Verwaltungsverfahren (und das kantonale Beschwerdeverfahren) bejaht.

3.2
3.2.1Die Beschwerdeführerin bestreitet die materielle Richtigkeit des
angefochtenen Entscheids nicht und anerkennt damit, dass die im
vorinstanzlichen Verfahren beigebrachten Unterlagen eine hinreichende
Grundlage für die Bejahung der Bedürftigkeit des Beschwerdegegners
darstellen. Sie macht indessen geltend, dieser hätte die erforderlichen
Belege bereits im Verwaltungsverfahren einreichen können und habe das
Beschwerdeverfahren damit in schuldhafter Weise selbst veranlasst.

3.2.2 Es trifft zu, dass der Beschwerdegegner seiner Mitwirkungspflicht im
Verwaltungsverfahren nicht hinreichend nachgekommen ist. Denn es genügt nicht
wenn der Gesuchsteller die Bedürftigkeit lediglich glaubhaft macht; vielmehr
hat er hiefür den Nachweis zu erbringen. Dabei obliegt es grundsätzlich dem
Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend
darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 120 Ia 181 Erw. 3a mit
Hinweisen). Dieser Pflicht ist der Beschwerdegegner nicht nachgekommen, indem
er es trotz ausdrücklicher Aufforderung der IV-Stelle unterlassen hat,
entsprechende Belege beizubringen. Nicht gefolgt werden kann ihm auch, soweit
er sich auf einen Beweisnotstand beruft und geltend macht, es sei ihm wegen
des Wohnsitzes in Bosnien nicht möglich gewesen sei, das übliche Formular
einzureichen. Die IV-Stelle hat ihn bereits am 15. August 2002 darauf
aufmerksam gemacht, dass der Nachweis der Bedürftigkeit auch auf andere
geeignete Weise (beispielsweise durch eine behördliche Bestätigung, die
Steuerrechnung oder andere Belege über Einkünfte, Ausgaben und Vermögen)
erfolgen kann. Dass die Beibringung solcher Belege möglich war, hat der
Beschwerdegegner mit den im kantonalen Verfahren eingereichten Unterlagen
bewiesen. Gründe, weshalb er die behördlichen Bestätigungen nicht bereits im
Verwaltungsverfahren hätte beibringen können, sind nicht ersichtlich und
werden auch nicht geltend gemacht.

3.2.3 Zu beachten ist indessen, dass der Rechtsvertreter des
Beschwerdegegners im Schreiben vom 19. August 2002 auf die besondern Umstände
(Wohnsitz in Bosnien) hingewiesen und die IV-Stelle um Mitteilung ersucht
hatte, welche Belege und Unterlagen einzuholen seien. Eine Antwort auf dieses
Schreiben findet sich nicht in den Akten und wird auch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der IV-Stelle nicht erwähnt. Auf das Schreiben
vom 21. Oktober 2002, mit welchem der Rechtsanwalt erneut darauf hinwies,
dass sein Mandant in Bosnien keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und von einer
kleinen SUVA-Rente sowie von Verwandtenunterstützung lebe, und die Auffassung
vertrat, er habe keine zusätzlichen Belege einzureichen, erliess die
IV-Stelle ohne weitere Mitteilung die Verfügung vom 25. November 2002, mit
welcher sie das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung mangels Nachweises
der Bedürftigkeit abwies. Unter den gegebenen Umständen hätte aber durchaus
Anlass bestanden, den Beschwerdegegner unter Ansetzung einer Nachfrist
nochmals zur Einreichung näher bezeichneter Unterlagen aufzufordern. Auf das
Wiedererwägungsgesuch vom 20. Dezember 2002, mit welchem der Gesuchsteller
eine Bestätigung der Gemeindebehörde einreichte, wonach er (am Wohnort)
keiner Erwerbstätigkeit nachging, trat die IV-Stelle am 7. Januar 2003 sodann
mit der Begründung nicht ein, eine Wiedererwägung sei ausgeschlossen, weil
keine formell rechtskräftige Verfügung bestehe. Diese Mitteilung war insofern
unzutreffend, als es sich beim Verwaltungsakt vom 25. November 2002 um eine
(noch) unangefochtene, noch nicht in Rechtskraft erwachsene Verfügung
handelte, welche die Verwaltung voraussetzungslos hätte in Wiedererwägung
ziehen können (vgl. Rumo-Jungo, Die Instrumente zur Korrektur der
Sozialversicherungsverfügung, in: Schaffhauser/Schlauri, Verfahrensfragen in
der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 277). Es hätte daher auch in
diesem Verfahrensstadium noch Gelegenheit bestanden, das Begehren unter
Berücksichtigung des eingereichten Beleges näher zu prüfen und allenfalls
unter Ansetzung einer Nachfrist zusätzliche Unterlagen einzufordern. Die
Verwaltung hat es daher teilweise selbst zu vertreten, dass es zu einer
Prozessführung kam und die für die Beurteilung der Bedürftigkeit
erforderlichen Belege erst im Beschwerdeverfahren beigebracht wurden. Es
liegen damit besondere Umstände vor, welche der Annahme entgegenstehen, der
Beschwerdegegner habe das Gerichtsverfahren mutwillig oder in schuldhafter
Weise selbst verursacht. Es verstösst folglich nicht gegen Bundesrecht, wenn
die Vorinstanz ihm eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden
IV-Stelle zugesprochen hat. Nicht angefochten ist die Höhe der verfügten
Entschädigung.

4.
Entsprechend dem Ausgang des Prozesses gehen die Gerichtskosten zu Lasten der
IV-Stelle (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat dem Beschwerdegegner auch für das
letztinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159
Abs. 2 OG). Dessen Begehren um Gewährung der unentgeltliche Verbeiständung im
letztinstanzlichen Verfahren (Art. 152 Abs. 2 OG) ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons Zürich
auferlegt.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr.
1'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 26. November 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: