Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 369/2003
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I 369/03

Urteil vom 22. September 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Brusa,
Strassburgstrasse 10, 8004 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 20. September 2002 sprach die IV-Stelle Zürich X.________
rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 2001 bis 31. März 2002 eine ganze
Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau und drei Kinderrenten zu. Den
Nachzahlungsbetrag von Fr. 77'250.-- überwies sie dem Mittelschul- und
Berufsbildungsamt des Kantons Zürich zwecks Verrechnung mit Lohnzahlungen,
welche trotz krankheitsbedingt fehlender Arbeitsfähigkeit erbracht worden
waren.

B.
Die gegen den verfügten Rentenbeginn einerseits und die vorgenommene
Verrechnung andererseits gerichtete Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. März 2003
ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt X.________ die Zusprechung der
gesetzlichen Leistungen, deren Verzinsung sowie deren direkte Auszahlung
(einschliesslich Zins) an ihn selbst beantragen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer beantragt die direkte Auszahlung der ihm mit Verfügung
vom 20. September 2002 rückwirkend zugesprochenen Rentenbetreffnisse von Fr.
77'250.--. Des Weitern bringt er vor, das Gesuch um Leistungen der
Invalidenversicherung sei schon vor dem 8. Januar 2002 gestellt worden.
Sinngemäss wird damit ein früherer Rentenbeginn geltend gemacht.

1.1 Letzteres Begehren betrifft die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG. Insoweit ist die
Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die
Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit
der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und
kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten
hinausgehen (Art. 132 OG).

1.2 Bei der ebenfalls in Frage gestellten Zulässigkeit der Überweisung der
Rentennachzahlung an das kantonale Mittelschul- und Berufsbildungsamt zwecks
Verrechnung mit erbrachten Leistungen des Arbeitgebers geht es demgegenüber -
wie auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde festgehalten wird -
rechtsprechungsgemäss nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG (BGE 121 V 18 Erw. 2, AHI
2003 S. 165 Erw. 1, je mit Hinweisen). Bei Prozessen um den Auszahlungsmodus
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht daher nur zu prüfen, ob die
Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 121 V 18 f. Erw. 2, 118 V
90 f. Erw. 1a, AHI 2003 S. 165 Erw. 1, je mit Hinweisen).

Für eine Änderung dieser langjährigen Rechtsprechung besteht entgegen der
Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kein Anlass. Steht der
Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung unbestrittenermassen fest,
kann eine Überprüfung der Frage, wem diese auszuzahlen sind, vom
Eidgenössischen Versicherungsgericht nur mit eingeschränkter Kognition
erfolgen.

2.
2.1 Wie schon das kantonale Gericht ausgeführt hat, sind das am 1. Januar 2003
in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG), die dazugehörende
Verordnung vom 11. September 2002 (ATSV) und die gestützt darauf erfolgten
Gesetzes- und Verordnungsrevisionen im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da
nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier:
20. September 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw.
1.2). Abzustellen ist daher auf die bis zum 31. Dezember 2002 gültig
gewesenen Normen.

2.2 Die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die
Drittauszahlung von Leistungen der Invalidenversicherung zwecks Verrechnung
mit erbrachten Vorschussleistungen (Art. 85bis IVV in Verbindung mit dem auf
den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Art. 50 Abs. 2 IVG [in der bis 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung]) sind im kantonalen Entscheid vom 26.
März 2003 zutreffend dargelegt worden. Darauf kann verwiesen werden. Dasselbe
gilt hinsichtlich des Rentenbeginns bei verspäteter Anmeldung zum
Leistungsbezug (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 IVG).

3.
3.1 Wegen der erst am 8. Januar 2002 und damit verspätet erfolgten Anmeldung
hat die Verwaltung die Invalidenrente nur für die zwölf dieser Anmeldung
vorangehenden Monate zugesprochen (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 IVG).

3.2 Die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach das Begehren um Leistungen
der Invalidenversicherung nicht erst im Januar 2002, sondern noch im Dezember
2001 der Post übergeben worden sei, ist durch nichts belegt. Die damit
bestehende Beweislosigkeit wirkt sich, wie die Vorinstanz richtig erkannt
hat, zum Nachteil des Beschwerdeführers aus, der aus dem unbewiesen
gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten will (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit
Hinweisen). Bezüglich des Einwandes, als Anmeldung zum Leistungsbezug seien
bereits die diesbezüglichen Unterredungen im Jahre 2000 mit dem früheren
Arbeitgeber zu berücksichtigen, welcher als öffentlich-rechtliche Institution
zur Weiterleitung an die zuständigen Stellen der Invalidenversicherung
verpflichtet gewesen wäre, ist ebenfalls auf die zutreffenden Erwägungen im
kantonalen Entscheid zu verweisen, welchen das Eidgenössische
Versicherungsgericht auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts beizufügen hat.

4.
Eingehend auseinander gesetzt hat sich die Vorinstanz mit den einzelnen gegen
die vorgenommene Drittauszahlung erhobenen Rügen, welche in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut vorgetragen werden. Wie sie dabei
richtig erkannt hat, stellt sich im Hinblick auf Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV
die Frage, ob die vom früheren Arbeitgeber erbrachten Leistungen auf Grund
eines Gesetzes ausgerichtet wurden und dem Gesetz ein eindeutiges
Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung der Invalidenversicherung
entnommen werden kann.

4.1 In für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlicher Weise (Erw.
1.2 hievor) hat die Vorinstanz festgestellt, dass seitens des früheren
Arbeitgebers für die Zeit ab 1. Januar 2001 bis 31. März 2002 Leistungen
ausgerichtet wurden, welche die nachträglich für die nämliche Zeitspanne
zugesprochene Rentennachzahlung deutlich übersteigen. Diese aktenmässig
belegte Ausgangslage wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt.
Als weitere Voraussetzung für die Anwendung von Art. 85bis IVV ist mit Blick
auf die nachträglich zugesprochenen Invalidenrenten der Vorschusscharakter
dieser ohne äquivalente Gegenleistung in Form von Arbeit erfolgten
Lohnfortzahlungen zu bejahen (vgl. SVR 2002 IV Nr. 37 S. 118 f. Erw. 5c).

4.2 Nach vorinstanzlicher Betrachtungsweise handelt es sich bei den ab Januar
2001 bis Ende März 2002 erbrachten Leistungen um Lohnfortzahlungen des
Arbeitgebers, deren Gewährung gestützt auf § 99 Abs. 3 der Vollzugsverordnung
vom 19. Mai 1999 zum Personalgesetz des Kantons Zürich (LS ZH 177.111)
erfolgte. In § 105 Abs. 1 der genannten regierungsrätlichen
Vollzugsverordnung erblickte das kantonale Gericht ein im Sinne von Art.
85bis Abs. 2 lit. b IVV eindeutiges Rückforderungsrecht.

Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV macht die Anwendung dieser Bestimmung - und
damit die sich aus ihr als bundesrechtliche Rechtsfolge ergebende
Drittauszahlung nach Massgabe des Art. 85bis Abs. 3 IVV - von der
Beantwortung einer kantonalrechtlichen Vorfrage abhängig, eben davon, ob die
einschlägige kantonale Gesetzgebung ein "eindeutiges" Rückforderungsrecht
enthält. Diese Pflicht zur vorfrageweisen Prüfung einer kantonalrechtlichen
Norm, welche solange stattfinden kann, als nicht ein als Tatbestand wirkender
Entscheid der hauptfrageweise zuständigen kantonalen Behörde vorliegt,
entspricht ständiger Rechtsprechung und Doktrin (BGE 123 V 33 Erw. 5c/cc; AHI
2003 S. 173 Erw. 5c; SVR 2002 IV Nr. 37 S. 118 Erw. 5b/dd, je mit Hinweisen).
Dies ändert aber nichts daran, dass mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur
die fehlerhafte Anwendung von Bundesrecht gerügt werden kann (Erw. 1.2
hievor). Der einfache Rechtsfehler, begangen in der Anwendung kantonalen
Rechts, bildet als solcher keine Bundesrechtsverletzung. Eine solche liegt
erst vor, wenn das kantonale Recht in willkürlicher Weise angewendet wird
(BGE 123 V 33 Erw. 5c/cc; AHI 2003 S. 173 Erw. 5c; SVR 2002 IV Nr. 37 S. 118
Erw. 5b/dd, je mit Hinweisen). Davon kann im vorliegenden Fall nicht
gesprochen werden. Eine schlechthin unhaltbare, damit willkürliche und
deshalb bundesrechtswidrige Rechtsauffassung liegt nicht vor.

4.3 Darin, dass das kantonale Gericht zum Schluss gelangt ist, die streitige
Drittauszahlung sei gestützt auf Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV in Verbindung
mit § 105 Abs. 1 der regierungsrätlichen Vollzugsverordnung zum kantonalen
Personalgesetz zu Recht erfolgt, ist demnach, entgegen dem in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Standpunkt, kein Verstoss gegen
Bundesrecht zu erkennen. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für eine dieser
Erkenntnis zu Grunde liegende mangelhafte Sachverhaltsfeststellung im Sinne
von Art. 105 Abs. 2 OG vor. Der angefochtene Entscheid vom 26. März 2003 hält
demnach einer Überprüfung durch das Eidgenössische Versicherungsgericht mit
der - vorliegend gegebenen - engen und zudem praktisch auf Willkür hin
beschränkten Kognition (Erw. 1.2 und 4.2 hievor) stand. Die Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind nicht geeignet, zu einem andern Ergebnis
zu führen.

5.
Soweit die Drittauszahlung der Rentennachzahlung angefochten war, betrifft
die Streitigkeit nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen (Erw. 1.2 hievor). Die daher zu erhebenden
Gerichtskosten (Umkehrschluss aus Art. 134 OG) sind vom unterliegenden
Beschwerdeführer zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. September 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: