Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 346/2003
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I 346/03

Urteil vom 9. September 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Ackermann

S.________, 1977, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael
Weissberg, Zentralstrasse 47, 2502 Biel,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 31. März 2003)

Sachverhalt:

A.
S. ________, geboren 1977, erlitt im August 2000 einen Autounfall und ist
seitdem Paraplegiker. Er ist im Umfang von 50 % erwerbstätig und absolvierte
bis Sommer 2003 eine Umschulung. Nachdem invaliditätsbedingte Änderungen an
seinem Auto vorgenommen worden waren, beantragte S.________ am 4. Dezember
2001 zusätzlich die Abgabe eines "Parkpiloten", der Hindernisse beim
Rückwärtsfahren akustisch anzeigt, damit er - infolge der Behinderung in den
Bewegungsmöglichkeiten im Auto eingeschränkt - besser einparken könne. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren lehnte die IV-Stelle Bern mit Verfügung
vom 8. Oktober 2002 das Begehren ab, da ein "Parkpilot" nicht zwingend
notwendig und auch nicht von den Strassenverkehrsbehörden vorgeschrieben sei.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 31. März 2003 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihm ein "Parkpilot" abzugeben.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf ein
Hilfsmittel der Invalidenversicherung (Art. 21 Abs. 1 und 2 IVG sowie Art. 2
HVI), die Kompetenz zum Erlass einer Hilfsmittelliste durch den Bundesrat
bzw. das Eidgenössische Departement des Innern (Art. 21 Abs. 1 IVG in
Verbindung mit Art. 14 IVV), die Hilfsmittelkategorie "Invaliditätsbedingte
Abänderungen von Motorfahrzeugen" (Ziff. 10.05 HVI Anhang) sowie die nach der
Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze (BGE 121 V 260 Erw. 2b und c, 115 V
198 Erw. 4e/cc) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Streitig ist allein die Abgabe eines "Parkpiloten" im Rahmen der
invaliditätsbedingten Änderungen am Motorfahrzeug des Versicherten.

2.1 Die Vorinstanz verneint den Anspruch, da ein "Parkpilot" keine notwendige
Voraussetzung für die Benützung des Autos durch einen Behinderten sei, von
den Strassenverkehrsbehörden nicht als Voraussetzung für die Fahrerlaubnis
eines Querschnittgelähmten angesehen werde und ein Personenwagen auch ohne
dieses Hilfsmittel eingeparkt werden könne. Der Beschwerdeführer ist
demgegenüber der Auffassung, dass er infolge seiner Behinderung im Auto keine
optimale Sitzposition (Drehen, Legen eines Armes über die Rückenlehne des
Beifahrersitzes etc.) für das Rückwärtsfahren einnehmen könne und demzufolge
auf die beantragte Parkhilfe angewiesen sei; zudem benötige er den Wagen
häufig (Arbeit, Umschulung) und im Rahmen der Verhältnismässigkeit sei
schliesslich zu berücksichtigen, dass es sich um ein kostengünstiges
Hilfsmittel (Fr. 449.70) handle.

2.2 Praxisgemäss ist unter einem Hilfsmittel des IVG ein Gegenstand zu
verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen des
menschlichen Körpers zu ersetzen vermag (BGE 112 V 15 Erw. 1b mit Hinweis).
Der Versicherte kann sich wegen seiner Behinderung während des
Rückwärtsfahrens nicht drehen und auch nicht den rechten Arm auf den
Beifahrersitz legen, da er - infolge des behinderungsgerechten Umbaus seines
Wagens - zum Autofahren beide Hände benötigt. Damit stellt der beantragte
"Parkpilot" grundsätzlich ein Hilfsmittel gemäss IVG dar, da diese Parkhilfe
den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen des menschlichen Körpers
(Einnehmen optimaler Sitzpositionen für das Rückwärtsfahren) zu ersetzen
vermag.

2.3 Es ist im Weiteren zu prüfen, ob dieses Hilfsmittel im vorliegenden Fall
notwendig ist (Art. 2 Abs. 1 HVI).

Ein Lenker muss seine Körperstellung nicht zwingend ändern, um mit dem Auto
rückwärts zu fahren, denn dieses Manöver kann auch mittels Benützung der
(korrekt eingestellten) Rückspiegel durchgeführt werden. In dieser Hinsicht
ist zu berücksichtigen, dass die aktuelle Situation vor Ort jeweils schon
beim Heranfahren (z.B. an den freien Parkplatz) zu sehen und damit bereits
vor dem Rückwärtsfahren bekannt ist, was die Durchführung des Manövers
überhaupt erst ermöglicht (sei es allein mit Hilfe der Spiegel oder unter
Einsatz eines "Parkpiloten"). So haben denn auch nicht nur die Lenker von
Last- und Lieferwagen, sondern auch diejenigen grösserer Personenwagen (wie
sogenannter "Vans" oder Kombifahrzeuge) keine Rundumsicht - woran auch
wechselnde Körperpositionen nichts zu ändern vermögen - und sind daher
gezwungen, nur mit Hilfe der Spiegel rückwärts zu fahren oder einzuparken. Da
der Beschwerdeführer gemäss Aktenlage regelmässig Auto fährt (so um seinen
Arbeitsplatz und den Umschulungsort zu erreichen) und es sich bei ihm um
einen erfahrenen Lenker handelt, kann er mit ein wenig Übung ohne weiteres
nur mit Hilfe der Aussen- und Innenspiegel rückwärts fahren und einparken.
Diese Überlegungen liegen offensichtlich auch dem Entscheid der
Strassenverkehrsbehörden zu Grunde, denn diese erachten den Versicherten auch
ohne den beantragten "Parkpiloten" als fähig, ein Auto sicher zu führen (vgl.
Art. 14 Abs. 1 und 2 lit. b SVG), da sie andernfalls die Verwendung eines
"Parkpiloten" für querschnittgelähmte Lenker obligatorisch erklärt hätten und
ohne dieses Hilfsmittel die Ausstellung des Fahrausweises verweigern müssten.
Damit handelt es sich beim beantragten "Parkpiloten" nicht um ein notwendiges
Hilfsmittel gemäss Ziff. 10.05 HVI Anhang, weshalb gemäss Art. 2 Abs. 1 HVI
kein Anspruch darauf besteht. Da es bereits an der Erforderlichkeit des
Hilfsmittels fehlt, können die weiteren Voraussetzungen der
Eingliederungswirksamkeit und Geeignetheit (vgl. BGE 129 V 68 Ziff. 1.1.1 mit
Hinweisen) offen gelassen werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons
Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. September 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: