Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 332/2003
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I 332/03

Urteil vom 11. August 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Widmer

P.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Ehemann,

gegen

Kantonale IV-Stelle Wallis, Bahnhofstrasse 15, 1950 Sitten,
Beschwerdegegnerin

Kantonales Versicherungsgericht des Wallis, Sitten

(Entscheid vom 22. April 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1967 geborene P.________ ist verheiratet und Mutter eines 1992 geborenen
Sohnes. Zuletzt hatte sie von Juni bis Oktober 1995 als Kassierin im
Restaurant X.________ gearbeitet. Am 5. Juni 2001 meldete sie sich unter
Hinweis auf eine Diskushernie bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die Kantonale IV-Stelle Wallis zog verschiedene
Arztberichte bei und veranlasste eine Abklärung der Arbeitsfähigkeit im
Haushaltsbereich (Bericht vom 20. Oktober 2001). Sie gelangte zum Schluss,
dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden eine teilzeitliche
Erwerbstätigkeit im Umfang von 50 % ausüben würde und daneben im Haushalt
tätig wäre. Die Verrichtung einer Erwerbsarbeit sei ihr aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr möglich, während im Aufgabenbereich Haushalt eine
Einschränkung von 30 % ausgewiesen sei. Gesamthaft resultiere ein
Invaliditätsgrad von 65 %. Demgemäss sprach die IV-Stelle P.________ nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 24. Juni 2002
rückwirkend ab 1. Oktober 2001 eine halbe Invalidenrente zu.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher P.________ sinngemäss die
Zusprechung einer ganzen anstelle der halben Invalidenrente beantragt hatte,
wies das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis ab (Entscheid vom 22.
April 2003).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert die Versicherte dem Sinne nach das
vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren. Sie reicht ein Schreiben ihrer
Schwester S._________ vom 8. Mai 2003 ein.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat richtig festgestellt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist. Denn nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 24. Juni 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen werden vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art.
4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG),
die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), bei nichterwerbstätigen,
namentlich im Haushalt tätigen Versicherten nach der spezifischen Methode
(Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 26bis und 27 Abs. 1 und 2 IVV)
sowie bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art.
27bis Abs. 1 IVV) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

3.
Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf ihren
Gesundheitszustand keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann. Ebenso wenig
angefochten sind die Feststellungen von Verwaltung und Vorinstanz, wonach die
Versicherte bei der Besorgung des Haushalts zu 30 % eingeschränkt ist, sowie
der Beginn des Rentenanspruchs am 1. Oktober 2001. Streitig und zu prüfen ist
hingegen, ob die Versicherte anstelle der halben eine ganze Invalidenrente
beanspruchen kann, was davon abhängig ist, in welchem Umfang sie ohne
Gesundheitsschaden erwerbstätig wäre.

4.
4.1 Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig Erwerbstätige
oder als Nichterwerbstätige einzustufen ist, ergibt sich aus der Prüfung, was
die versicherte Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn
keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Bei im Haushalt tätigen
Versicherten im Besonderen sind die persönlichen, familiären, sozialen und
erwerblichen Verhältnisse ebenso wie allfällige Erziehungs- und
Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten
und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu
berücksichtigen. Die Statusfrage beurteilt sich praxisgemäss nach den
Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung
entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im
Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 125 V 150 Erw. 2c mit Hinweisen).

4.2 Während die Vorinstanz im Wesentlichen gestützt auf die im
Abklärungsbericht Haushalt vom 17. Oktober 2001 enthaltenen Angaben, wonach
die Versicherte ohne gesundheitliche Einschränkungen mindestens seit dem
Schuljahr 1999/2000 eine Erwerbstätigkeit zu 50 % aufgenommen hätte, wogegen
ein höheres Arbeitspensum wegen des Kindes ausgeschlossen wäre, von einer
hälftigen Arbeit ausser Haus ausging, macht die Beschwerdeführerin geltend,
sich nicht in diesem Sinne geäussert zu haben. Vielmehr sei von einer
Teilerwerbstätigkeit im Ausmass von 50 % - 80 % die Rede gewesen. Eine
entsprechende Arbeit (je rund drei Stunden vor- und nachmittags) in der
Gastronomie oder Reinigungsbranche hätte es ihr ermöglicht, das Kind am
Mittag und auch abends zu betreuen.

4.3 Zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses (24. Juni 2002) war der bereits seit
längerem schulpflichtige Sohn der Beschwerdeführerin (geboren 7. August 1992)
knapp zehn Jahre alt und damit nicht mehr in einem Alter, das eine ständige
Betreuung seitens eines Elternteils erfordert. Vielmehr ist mit der Betreuung
eines Kindes in diesem Alter angesichts der durch den Schulunterricht
bedingten Abwesenheiten auch die Erfüllung eines höheren ausserhäuslichen
Arbeitspensums durch die Mutter, beispielsweise im Umfang von 60 %, ohne
weiteres vereinbar, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Betreuung des
Kindes ausschliesslich der Mutter obliegt. Dies gilt umso mehr, als
Arbeitszeiten, die den Bedürfnissen der Beschwerdeführerin entgegenkommen,
gerade in den von ihr genannten Erwerbszweigen nicht unüblich sind.

Die Versicherte lebt mit ihrer Familie in einer Dreieinhalb-Zimmerwohnung,
deren Pflege nicht einen übermässig grossen Aufwand verursacht. Des Weiteren
erscheint es aus finanziellen Gründen nahe liegend, dass die
Beschwerdeführerin eine Tätigkeit in einem höheren Umfang als 50 % aufnehmen
würde, erzielt doch ihr Ehemann lediglich ein bescheidenes Einkommen (laut
vorinstanzlichen Feststellungen unter Fr. 4000.- im Monat). Nachdem im
Abklärungsbericht Haushalt festgehalten ist, dass die Versicherte mindestens
seit dem Schuljahr 1999/2000 eine Erwerbstätigkeit zu 50 % aufgenommen hätte,
während erst- und letztinstanzlich vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin
hätte im Gesundheitsfall eine Teilzeitstelle im Umfang von 50 % bis 80 %
gesucht, ist angesichts der dargelegten Umstände, die für eine ausgedehntere
hypothetische Erwerbstätigkeit sprechen, die Annahme nicht von der Hand zu
weisen, dass der von der Abklärungsperson protokollierte Wert von 50 % auf
einem Missverständnis beruht. Darauf deutet auch die mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgelegte Bestätigung der Schwester der
Versicherten (vom 8. Mai 2003) hin, die ausführt, bei der Abklärung im
Haushalt vom 17. Oktober 2001 sei durchwegs von einer Teilzeitstelle "bis
höchstens 80 %, mindestens aber 50 %" die Rede gewesen.

Auf Grund einer Würdigung der gesamten zu berücksichtigenden Umstände kann
als überwiegend wahrscheinlich gelten, dass die Beschwerdeführerin ohne
Gesundheitsschaden im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (24. Juni
2002) eine Teilerwerbstätigkeit von mindestens 60 % ausgeübt hätte. Damit
ergibt sich eine Aufteilung der Aufgabenbereiche von 60 % Erwerbstätigkeit
und 40 % Haushaltführung. Bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit im
erwerblichen Bereich und einer Einschränkung von 30 % bei der Besorgung des
Haushalts resultiert ein Invaliditätsgrad von insgesamt 72 % (60 % + 12 % [30
x 40 % : 100]), weshalb die Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 2001 Anspruch
auf eine ganze Invalidenrente hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Kantonalen Versicherungsgerichts des Wallis vom 22. April 2003 und die
Verfügung der Kantonalen IV-Stelle Wallis vom 24. Juni 2002 aufgehoben, und
es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 2001 Anspruch
auf eine ganze Invalidenrente hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Versicherungsgericht des
Wallis, der Kantonalen Ausgleichskasse des Wallis und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 11. August 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: