Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 330/2003
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I 330/03

Urteil vom 13. August 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Ackermann

J.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle für
Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 8. April 2003)

Sachverhalt:

A.
J. ________, geboren 1955, arbeitete seit April 1987 als Säger für die Firma
A.________ AG. Wegen Beschwerden am linken Knie wurden am 26. Mai 2000 eine
Arthroskopie, eine mediale und laterale Teilmeniskektomie sowie ein Shaving
und am 13. März 2001 eine weitere Arthroskopie durchgeführt; die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger
Unfallversicherer nahm umfangreiche Abklärungen vor (unter anderem zwei
Aufenthalte in der Klinik B.________ sowie mehrere Untersuchungen durch den
SUVA-Arzt Dr. med. C.________). Mit Verfügung vom 11. Oktober 2001 stellte
sie ihre Leistungen ein, da J.________ wiederum vollständig arbeits- und
erwerbsfähig sei, jedoch sprach sie ihm eine Integritätsentschädigung für
eine Integritätseinbusse von 5 % zu; dieses Verfahren ist zur Zeit vor dem
kantonalen Versicherungsgericht hängig.

Am 20. August 2001 meldete sich J.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an, worauf die IV-Stelle des Kantons Aargau die Akten der SUVA
sowie einen Bericht des Arbeitgebers vom 4. September 2001 beizog. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach sie J.________ mit Verfügung vom
25. Februar 2002 eine vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2001 befristete ganze
Rente der Invalidenversicherung zu, da ab dem 15. Oktober 2001 wiederum eine
vollständige Arbeitsfähigkeit vorliege.

B.
Die dagegen - unter Beilage zweier Zeugnisse des Hausarztes Dr. med.
V.________, FMH Orthopädische Chirurgie, vom 30. November 2001 und vom 15.
Februar 2002 - erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 8. April 2003 ab.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
ihm über Oktober 2001 hinaus eine ganze Rente der Invalidenversicherung
zuzusprechen. Gleichzeitig reicht er mehrere Arztberichte ein (neben anderen
je einen des Dr. med. V.________ vom 11. Dezember 2001 und des Dr. med.
X.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 26. Oktober
2001).

Die IV-Stelle schliesst sinngemäss auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG), die Voraussetzungen
für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung
des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen anhand des Einkommensvergleichs
(Art. 28 Abs. 2 IVG), die Aufgabe der Ärzte bei der Invaliditätsbemessung
(BGE 125 V 261 Erw. 4) sowie die grundsätzliche Übereinstimmung des
Invaliditätsbegriffs in der Invaliden- und obligatorischen Unfallversicherung
(BGE 126 V 291 Erw. 2a mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen. Wie das kantonale Gericht weiter zu Recht festgehalten hat, ist
das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden
Fall nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b). Zu ergänzen bleibt, dass bei rückwirkender Zusprechung
einer befristeten Invalidenrente die für die Rentenrevision geltenden
Bestimmungen analog anzuwenden sind (Art. 41 IVG, Art. 88a IVV; BGE 125 V 417
f. Erw. 2d, AHI 1998 S. 121 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung und in
diesem Rahmen insbesondere die Frage der Arbeitsfähigkeit.

2.1 Das kantonale Gericht stellt auf die Einschätzungen der Klinik B.________
sowie des SUVA-Arztes Dr. med. C.________ ab und geht davon aus, dass ab
Oktober 2001 wiederum eine vollständige Arbeitsfähigkeit vorliege. Der
Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, dass er allein schon aus
psychischen Gründen vollständig arbeitsunfähig sei, aber auch aus
orthopädischer Sicht nicht arbeiten könne; im Weiteren sei der Sachverhalt
nur ungenügend abgeklärt worden, da nur das Knieleiden berücksichtigt worden
sei. Jedenfalls sei im Herbst/Winter 2001 keine Besserung des
Gesundheitszustandes eingetreten, die eine Befristung der Rente erlaube.

2.2 Der SUVA-Arzt Dr. med. C.________ geht in seinem Bericht vom 3. Oktober
2001 klarerweise von einer ganztägig zumutbaren Arbeitsfähigkeit aus, wobei
zwar gewisse Einschränkungen bezüglich des linken Knies bestehen (keine
Lasten von über ca. 25 kg tragen oder heben, keine ständigen Arbeiten auf
Leitern, kein ständiges Steigen auf Gerüste oder Maschinen sowie keine
Kniezwangsstellungen), welche sich jedoch am angestammten Arbeitsplatz nicht
auswirken. Der Bericht des SUVA-Arztes ist - insbesondere auch im
Zusammenhang mit den Berichten der Klinik B.________ vom 12. Dezember 2000,
vom 10. Juli 2001 (mit psychosomatischem Konsilium vom 24. Mai 2001) sowie
vom 4. September 2001 - für die streitigen Belange umfassend, beruht auf
allseitigen Untersuchungen, berücksichtigt die geklagten Beschwerden, ist in
Kenntnis der Vorakten abgegeben worden und leuchtet in der Beurteilung der
medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation ein; zudem sind
die Schlussfolgerungen begründet (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Die im erst- und
letztinstanzlichen Verfahren aufgelegten Arztberichte und -zeugnisse sind
weder geeignet, zu einer anderen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zu führen,
noch vermögen sie Zweifel an der Zuverlässigkeit der Ausführungen des
SUVA-Arztes Dr. med. C.________ vom 3. Oktober 2001 zu wecken (vgl. BGE 125 V
353 Erw. 3b/ee):

- Die zwei Zeugnisse des Dr. med. V.________ vom 30. November 2001 und vom
15. Februar 2002 sind nicht begründet und vermögen daher nichts an der
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch den SUVA-Arzt Dr. med. C.________ zu
ändern.

- Die im letztinstanzlichen Verfahren eingereichten Berichte der Klinik
S.________ vom 8. Juli und 4. Dezember 2002, des Spitals  T.________ vom 24.
Oktober 2002 und des Dr. med. V.________ vom 17. Juli 2002 betreffen einen
Zeitpunkt nach dem - Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildenden
(BGE 121 V 366 E 1b) - Zeitraum bis Verfügungserlass (hier Februar 2002), so
dass allein schon aus diesem Grund nicht darauf abgestellt werden kann.

- Der Bericht des Dr. med. V.________ vom 11. Dezember 2001 geht von einem
mittel- bis schwerwiegenden posttraumatischen Dauerschaden am Kniegelenk aus
und berichtet über subjektive Beschwerden des Versicherten sowie über eine
posttraumatische Gonarthrose, so dass an "eine Arbeitsfähigkeit ... nicht im
Entferntesten zu denken" sei. Bei diesem - nur sehr knapp begründeten -
Bericht handelt sich jedoch nur um eine andere Würdigung der vorliegenden
gleichen Befunde, wobei nicht ausgeführt wird, weshalb die überzeugenden
Einschätzungen des SUVA-Arztes Dr. med. C.________ und der Klinik B.________
nicht zutreffen sollten. Die von Dr. med. V.________ erwähnte Gonarthrose
wird im Übrigen weder von der Klinik B.________ noch vom SUVA-Arzt Dr. med.
C.________ erwähnt, obwohl sie das Knie gründlich untersucht haben, was auch
die Auswertung von Abklärungen durch Röntgen und MRI umfasst, weshalb in
dieser Hinsicht ebenfalls bloss eine andere Einschätzung des gleichen
Sachverhaltes vorliegt; dies wird auch durch die im letztinstanzlichen
Verfahren aufgelegten Arztberichte neueren Datums bestätigt, welche allesamt
keine Gonarthrose erwähnen, was insbesondere auch auf den Bericht des Dr.
med. V.________ vom 17. Juli 2002 sowie die Indikation für die Szintigraphie
vom 23. Oktober 2002 im Spital T.________ zutrifft.

- Im Bericht des Dr. med. X.________ vom 26. Oktober 2001 findet sich einzig
eine Anamnese, nicht jedoch eine Einschätzung der Arbeitsfähigkeit, so dass
auch diese Aussagen nicht gegen die Auffassung des SUVA-Arztes Dr. med.
C.________ sprechen.

2.3 Die vom Beschwerdeführer im Weiteren geltend gemachten psychischen
Beschwerden finden keinerlei Stütze in den diversen vorliegenden
Arztberichten; insbesondere verneint das psychosomatische Konsilium der
Klinik B.________ vom 24. Mai 2001 auch nur das Bestehen von Hinweisen auf
eine psychische Störung mit Krankheitswert. Die vom Psychiater Dr. med.
Y.________ bloss telefonisch gegenüber dem Rechtsvertreter des Versicherten
geäusserte Auffassung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit betrifft einen
Zeitpunkt nach dem praxisgemäss (BGE 121 V 366 Erw. 1b) massgebenden Zeitraum
bis zum Verfügungserlass im Februar 2002, so dass der Beschwerdeführer schon
aus diesem Grund daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann.

2.4 Schliesslich hilft dem Versicherten auch der Hinweis auf den behaupteten
Autounfall vom 25. Juli 2001 nichts, denn dieser hätte bereits vor den
Untersuchungen durch den SUVA-Arzt Dr. med. C.________ vom 13. August und 3.
Oktober 2001 stattgefunden, ohne dass der Versicherte darüber berichtet oder
der Arzt entsprechende Verletzungen festgestellt hätte.

2.5 Damit ist auf die Einschätzung des SUVA-Arztes Dr. med. C.________
abzustellen - dem im Übrigen auch das geklagte, in der Klinik B.________
abgeklärte Urintröpfeln bekannt gewesen ist und welches er offensichtlich als
ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit erachtet hat - und spätestens ab
Oktober 2001 von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in der angestammten
Tätigkeit auszugehen; weitere Abklärungen sind nicht notwendig, die in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte polydisziplinäre Untersuchung ist im
Übrigen bereits während des Aufenthalts in der Klinik B.________ im Mai 2001
erfolgt. Da somit ab Oktober 2001 keine Invalidität im Sinne des Art. 4 IVG
mehr vorliegt, ist die Invalidenrente zu Recht befristet worden (Art. 88a
Abs. 1 IVV; vgl. BGE 106 V 16 Erw. 3a).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 13. August 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: