Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 303/2003
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I 303/03

Urteil vom 15. März 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Renggli

R.________, 1954, Beschwerdeführerin, vertreten durch CAP
Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG, Rosenbergstrasse 32, 9001 St.
Gallen,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 27. März 2003)

Sachverhalt:

A.
R. ________, geboren 1954, bezieht aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 %
seit 1. Januar 1999 eine halbe Invalidenrente (Verfügung vom 17. August
1999). Im Rahmen einer Rentenrevision machte sie am 22. August 2001 geltend,
ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Daraufhin nahm die IV-Stelle
des Kantons St. Gallen verschiedene medizinische Unterlagen zu den Akten. Mit
Vorbescheid vom 31. Oktober 2001 teilte sie R.________ mit, es sei keine den
Rentenanspruch beeinflussende Änderung festgestellt worden, weshalb weiterhin
Anspruch auf eine halbe Rente bestehe. Nachdem R.________ dazu keine
Stellungnahme abgab, verfügte die IV-Stelle am 27. November 2001 im Sinne des
Vorbescheids.

B.
Die dagegen mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Rente und dem
Eventualantrag auf Rückweisung an die Verwaltung zwecks genauerer Abklärung
des Sachverhalts erhobene Beschwerde wurde vom Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. März 2003 abgewiesen.

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die vorinstanzlich
gestellten Rechtsbegehren erneuern.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die
Rechtsprechung über die revisionsweise Anpassung von Invalidenrenten (Art. 41
IVG), die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit
Hinweisen), die Unerheblichkeit einer bloss abweichenden Würdigung eines im
Wesentlichen gleich gebliebenen Gesundheitszustandes (BGE 112 V 372 Erw. 2b),
die Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts von Amtes wegen (BGE 117 V
282 Erw. 4a mit Hinweisen), den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, die
praxisgemässen Anforderungen an einen beweistauglichen Arztbericht und die
Würdigung der Stellungnahmen von Hausärzten (BGE 125 V 352 Erw. 3) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 und die seit dem 1. Januar 2004 in Kraft stehenden Änderungen des IVG
durch die 4. IVG-Revision (AS 2003 S. 3837) im vorliegenden Fall nicht
anwendbar sind, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 27. November 2001) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Streitig und zu prüfen sind der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine
ganze Invalidenrente und die Frage, ob die getätigten medizinischen und
weiteren Abklärungen eine Beurteilung dieses Anspruchs zulassen.

2.1 Zu vergleichen sind dazu die Sachverhalte, die der ursprünglichen
Rentenverfügung vom 17. August 1999 und der Revisionsverfügung vom 27.
November 2001 zugrunde lagen.

2.1.1 Die Verfügung vom 17. August 1999 stützte sich in medizinischer
Hinsicht auf ein von den Dres. med. E.________ und J.________ unter
konsiliarischem Beizug weiterer Ärzte und vorbestehender medizinischer Akten
erstelltes Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB) vom 21.
Juni 1999. Darin wurden als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit
eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine histrionische
Persönlichkeitsstörung und eine leichte depressive Episode festgehalten, als
Nebendiagnosen (ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit) eine generalisierte
Tendomyopathie (synonym: Fibromyalgie), Spannungstyp-Kopfschmerzen, ein
Zervikal- und Lumbovertebralsyndrom im Rahmen der Schmerzstörung und eine
chronische Glomerulopathie. Die Arbeitsfähigkeit wurde für die bisherige
Tätigkeit als Hilfskraft in einem Verpackungsbetrieb wie auch für alle
übrigen Hilfstätigkeiten auf 50 % (erläutert als "halbtägige Arbeit mit
vollem Rendement") festgesetzt, wobei keinerlei somatische Gründe für eine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestünden.

2.1.2 Für die Revisionsverfügung vom 27. November 2001 verzichtete die
IV-Stelle weitgehend auf neue medizinische Abklärungen, da infolge
verschiedener weiterer Behandlungen zahlreiche Berichte vorlagen. Bezüglich
der somatischen Beeinträchtigungen ergab sich Folgendes: In einem Arztbericht
vom 30. September 1999 hielten die Dres. med. S.________ und G.________ vom
Nephrologischen Ambulatorium des Spitals X.________ unklare rechtsseitige
Flanken- und Unterbauchschmerzen im Rahmen des Fibromyalgiesyndroms und einen
Verdacht auf chronische Glomerulopathie fest. Dr. med. U.________, FMH für
physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumakrankheiten,
berichtete am 5. März 2000 über eine generalisierte Fibromyalgie und hielt
ausdrücklich fest, die Untersuchungsergebnisse entsprächen denjenigen in
seinem Bericht vom 14. November 1998. Im Herbst 2000 hielt sich die
Beschwerdeführerin wegen Rückenschmerzen im Spital X.________, Fachbereich
Rheumatologie und Rehabilitation, auf, wo am 2. und 16. November durch die
Dres. med. M.________, von K.________ und L.________ zur Hauptsache erneut
eine Fibromyalgie diagnostiziert wurde. Die Untersuchungen hätten keine neuen
somatischen Krankheitsaspekte zu Tage gefördert. Am 28. Februar 2001 wurde
wegen der Rückenschmerzen ein Computertomogramm erstellt; Dr. med. C.________
fand keine schwerwiegenden gesundheitsbeeinträchtigenden Befunde. Dr. med.
von K.________, Spital X.________, schlug am 22. März 2001 wegen der
Fibromyalgie (aktuell: Schmerzexazerbation) eine Schmerztherapie vor. Der
hausärztliche Verlaufsbericht von Dr. med. O._________ vom 5. Oktober 2001
zuhanden der IV-Stelle hielt fest, dass die Patientin an einer Fibromyalgie
leide und der Gesundheitszustand, bei subjektivem Verschlechterungsgefühl,
objektiv stationär geblieben sei. In einem Schreiben vom 18. Dezember 2001 an
den damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erläuterte die
Hausärztin, dass sie weiterhin - wie schon vor der Begutachtung durch das ZMB
- von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ausgehe. Damit ergibt sich insgesamt,
abgesehen von der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit, auf die zurückzukommen
sein wird (Erw. 2.1.4), ein schlüssiges Gesamtbild, welches gleichbleibende
Diagnosen und einen objektiv stationären Gesundheitszustand in somatischer
Hinsicht einschliesst.

2.1.3 Was die Entwicklung des psychischen Gesundheitszustandes betrifft, kann
der im vorinstanzlichen Verfahren aufgelegte Bericht des Dr. med. A.________,
Psychiatrie/Psychotherapie, vom 26. März 2002 herangezogen werden (vgl. BGE
99 V 102 mit Hinweisen), worin von einer rezidivierenden depressiven Störung
mit gegenwärtig mittelgradiger Episode und einer Somatisierungsstörung bei
Verdacht auf vorbestehende histrionische Persönlichkeitsstörung berichtet
wird. Die Patientin sei aus psychiatrischer Sicht zu 50 % arbeitsfähig. Der
einzige Unterschied zur Begutachtung durch das ZMB im Juni 1999 besteht in
der Schwere der depressiven Episode, welche damals als leicht, im Frühling
2002 hingegen als mittelgradig beurteilt wurde. Da die durch die psychischen
Beeinträchtigungen verursachte Arbeitsunfähigkeit übereinstimmend mit 50 %
angegeben wurde, kann dahingestellt bleiben, ob die - sei es bleibende, sei
es vorübergehende - Verschlechterung des psychischen Zustandes bereits zum
Zeitpunkt der Revisionsverfügung (27. November 2001) eingetreten war, da
diese Veränderung jedenfalls ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit und
damit auf den Invaliditätsgrad blieb.

2.1.4 Die Einschränkung der Beschwerdeführerin in der Arbeitsfähigkeit wurde
im ZMB-Gutachten und von Dr. med. A.________ übereinstimmend mit 50 %
angegeben und auf psychische Beeinträchtigungen zurückgeführt, wobei Dr.
A.________ für eine Gesamtbeurteilung eine polymedizinische Begutachtung
empfahl. Eine somatisch bedingte Arbeitsunfähigkeit wurde nie festgestellt.
Die ohne nähere Begründung und ohne Auseinandersetzung mit der abweichenden
Beurteilung im ZMB-Gutachten abgegebene Einschätzung durch die behandelnde
Ärztin, Dr. med. O._________, kann nicht als beweiskräftig gelten, da sie den
diesbezüglichen Anforderungen (Erw. 1) nicht genügt. Dasselbe gilt für den im
vorinstanzlichen Prozess eingereichten Arztbericht des Dr. med. B.________,
FMH Innere Medizin und Rheumatologie, vom 11. Oktober 2002, in welchem die
Beschwerdeführerin zudem als "zur Zeit nicht arbeitsfähig" beurteilt wird,
womit keine Aussage über die Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der beinahe ein
Jahr früher ergangenen Revisionsverfügung vorliegt. Zusammenfassend kann
gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin bisher immer als aus psychischen
Gründen in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt beurteilt wurde, dass diese
Einschränkung trotz einer gewissen Verschlechterung im Psychostatus konstant
blieb und dass schliesslich im somatischen Bereich, entgegen dem, was in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, keine wesentlichen
Veränderungen festgestellt wurden, womit sich auch die von Dr. med.
A.________ empfohlene polymedizinische Abklärung als unnötig erweist, wie die
Vorinstanz zu Recht erwogen hat.

2.2 Aufgrund des Gesagten ist festzustellen, dass keine den Rentenanspruch
beeinflussende Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorliegt, weshalb
der Hauptantrag der Beschwerdeführerin abzuweisen ist. Dem Eventualantrag auf
Rückweisung an die IV-Stelle zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung ist
ebenfalls nicht stattzugeben, ist doch, wie gezeigt, der rechtserhebliche
Sachverhalt genügend abgeklärt. Von weiteren Untersuchungen sind keine neuen
Aufschlüsse zu erwarten, sodass darauf verzichtet werden kann (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 15. März 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: