Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 296/2003
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I 296/03

Urteil vom 21. Oktober 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Amstutz

S.________, 1944, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Senn,
Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1944 geborene S.________ war seit Februar 1979 als
Raumpflegerin/Serviceangestellte im Hotel W.________ angestellt und über ihre
Arbeitgeberin auf privatrechtlicher Grundlage bei der Krankenkasse KBV
(nachfolgend: KBV) krankentaggeldversichert. Aufgrund von Rücken- und
Schulterbeschwerden sowie eines depressiven Leidens wurde ihr vom 3. März bis
10. Mai 1999 und ab 5. Juli 1999 bis auf weiteres eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, worauf gestützt die KBV Krankentaggelder
ausrichtete. Nach erfolgter Anmeldung bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug (2. Juni 2000) sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
S.________ mit Verfügung vom 4. Juli 2001 rückwirkend ab 1. Juli 2000 eine
ganze Invalidenrente zu. Von der geschuldeten Nachzahlungssumme in der Höhe
von Fr. 18'718.- brachte die Verwaltung zwecks Verrechnung mit der bereits
bezogenen Invalidenrente des Ehegatten der Versicherten einen Betrag von Fr.
12'322.- in Abzug und führte ferner gestützt auf einen Verrechnungsantrag der
KBV vom 27. Juni 2001 den Krankenversicherer als Auszahlungsadresse für einen
weiteren Teilnachzahlungsbetrag in der Höhe von Fr. 5'396.- auf.

B.
In teilweiser Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde der S.________
hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Verfügung vom 21.
September 2001 insoweit auf, als damit der Rentenbeginn auf den 1. Juli 2000
festgesetzt wurde und als der KBV ein Teilnachzahlungsbetrag von Fr. 5'396.-
ausbezahlt wurde; es stellte fest, dass die Versicherte ab 1. März 2000
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat, und wies die Sache an die
IV-Stelle zurück, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über die Empfängerin des Nachzahlungsbetrages von Fr. 5'396.- neu
entscheide. Hingegen trat das Gericht insoweit nicht auf die Beschwerde ein,
als darin Bestand und Höhe der Rückforderung der KBV bestritten wurde.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ sinngemäss beantragen, in
Aufhebung des teilweisen Nichteintretensentscheids der Vorinstanz sei die
Sache zur Überprüfung der materiellen Begründetheit des
Rückforderungsanspruchs der KBV an das kantonale Gericht, eventualiter die
IV-Stelle, zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich einzig gegen den teilweisen
Nichteintretensentscheid der Vorinstanz. Da die zu beurteilende Streitigkeit
somit nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum
Gegenstand hat, prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht nur, ob das
kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art.
104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend ausgeführt hat, sind die
materiellrechtlichen Bestimmungen des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 sowie die gestützt darauf erfolgten Gesetzes- und
Verordnungsrevisionen im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der strittigen Verfügung (hier: 4. Juli
2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw.
1.2). Hinsichtlich der massbebenden Bestimmungen und Grundsätze über die
Zulässigkeitsvoraussetzungen einer ohne ausdrückliche Einwilligung der
leistungsberechtigten Person vorgenommenen Drittauszahlung nachträglich
zugesprochener Rentenleistungen zwecks Verrechnung mit erbrachten
Vorschussleistungen, namentlich das Erfordernis eines eindeutigen, direkt
gegenüber der Invalidenversicherung bestehenden Rückforderungsrechts des
Dritten (Art. 50 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 85bis IVV [in der seit 1.
Januar 1999 geltenden Fassung]; BGE 128 V 108, 123 V 25; AHI 2003 S. 261,
2002 S. 159), wird auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist einzig, ob im vorliegenden iv-rechtlichen
Drittauszahlungsverfahren auch über materiellrechtlichen Bestand und konkrete
Höhe des von der KBV gegenüber der IV-Stelle geltend gemachten
Rückforderungsanspruchs zu befinden ist. Vorinstanz und Verwaltung verneinen
dies unter Berufung auf ein Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgericht
vom 6. Januar 1989 ([I 49/88] = RKUV 1989 Nr. K 805 S. 187 ff.). Dagegen ist
die iv-rechtliche Zuständigkeit nach Auffassung der Beschwerdeführerin zu
bejahen, da ihr andernfalls - aufgrund der privatrechtlichen Natur der
gestützt auf eine kollektive Krankentaggeldversicherung nach
Versicherungsvertragsgesetz [VVG; vgl. Art. 12 Abs. 3 KVG]) ausgerichteten
Taggelder - zur Bestreitung der materiellrechtlichen Begründetheit der
Rückforderung allein der mit wesentlichen prozessualen Nachteilen verbundene
Zivilrechtsweg verbleibe (Art. 47 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes
[VAG]; vgl. BGE 124 III 46 Erw. 1a/aa und 48 Erw. 2a, 232 Erw. 2b; RKUV 1998
Nr. KV 22 S. 52 Erw. 3a); die Verneinung der umstrittenen
Überprüfungsmöglichkeit im IV-Verfahren sei zudem auch in prozessökonomischer
und sachlicher Hinsicht nicht zu rechtfertigen.

4.
4.1
4.1.1Gemäss vorinstanzlich zitiertem Urteil S. des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 6. Januar 1989 (RKUV 1989 Nr. K 805 S. 187 ff.)
betrifft die Rückforderung von Krankenkassenleistungen wegen Überversicherung
das Rechtsverhältnis zwischen der versicherten Person und der Krankenkasse,
weshalb ein Streit über Bestand oder Höhe der Rückerstattungsforderung
zwischen diesen beiden Parteien auszutragen ist. Die versicherte Person,
welche den Bestand oder die Höhe der von ihrem Rentenguthaben
verrechnungsweise in Abzug gebrachten Rückforderung der Krankenkasse
bestreiten will, hat dies mithin direkt gegenüber der Krankenkasse geltend zu
machen, welche nötigenfalls eine beschwerdefähige Verfügung zu erlassen hat;
der Ausgleichskasse dagegen fehlt es an einer diesbezüglichen
Verfügungsbefugnis (a.a.O., S. 189 f., Erw. 5c).

Im Wesentlichen aus Gründen der Verfahrensökonomie und Praktikabilität bedarf
es bei entsprechendem Vorgehen der versicherten Person gegen den
Krankenversicherer nicht zwingend eines Zuwartens der Ausgleichskasse mit der
verrechnungsweisen Überweisung des geltend gemachten Rückerstattungsbetrags
an die Krankenkasse, bis über die materiellrechtliche Begründetheit der
Rückforderung rechtskräftig entschieden worden ist. Dem Interesse der
versicherten Person an der Ausrichtung der vollen Leistungen der
Invalidenversicherung ist damit Genüge getan, dass die Krankenkasse ihr den
Betrag, welchen die Ausgleichskasse allenfalls zu Unrecht von der
Rentennachzahlung verrechnungsweise in Abzug gebracht hat, nachträglich
ungeschmälert auszuzahlen hat (a.a.O., S. 192 Erw. 7).

4.1.2 An der Rechtsprechung gemäss RKUV 1989 Nr. K 805 S. 187 ff. hat der am
1. Januar 1994 in Kraft getretene, hier in der seit 1. Januar 1999 gültigen
Fassung anwendbare Art. 85bis IVV in Verbindung mit dem am 1. Januar 1997 in
Kraft getretenen Art. 50 Abs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig
gewesenen Fassung) nichts geändert. Diese Bestimmungen regeln die unstrittig
im IV-Verfahren zu prüfenden Voraussetzungen, unter welchen die
verrechnungsweise Drittauszahlung von Rentennachzahlungen zulässig ist,
äussern sich jedoch nicht zum Verfahren, in welchem materiellrechtlicher
Bestand und konkrete Höhe des vom Drittzahlungsansprecher geltend gemachten
Rückforderungsanspruchs zu prüfen sind. Entsprechendes gilt für die - für das
Sozialversicherungsgericht zwar nicht verbindliche, bei seiner Entscheidung
indes mit Blick auf eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende
Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigende (BGE
126 V 68 Erw. 4b, 125 V 379 Erw. 1c, je mit Hinweisen) - Wegleitung des
Bundesamtes für Sozialversicherung über die Renten [RWL] in der
Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung in der vom
1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (ebenso die
seit 1. Januar 2003 in Kraft stehenden Fassung), in deren Anwendungsbereich
auch die Ausrichtung von Rentennachzahlungen an jene bevorschussende
Krankenkassen fällt, welche Leistungen gemäss Bundesgesetz über den
Versicherungsvertrag erbringen (siehe nunmehr ausdrücklich RWL 2003, Rz 10057
[in der seit Januar 2004 gültigen Fassung]; vgl. auch Rz. 1004 sowie 2008 und
2012 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherung über die
Verrechnung von Nachzahlungen der IV mit Leistungsrückforderungen von
zugelassenen Krankenkassen in der seit 1. Januar 1999 geltenden Fassung).

4.2 Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass die dargelegte
Rechtsprechung, wonach Bestand oder Höhe der Rückerstattungsforderung im
Bestreitungsfall nicht im IV-Verfahren zu überprüfen sind (Erw. 3.1.1
hievor), im Zusammenhang mit Vorschussleistungen erging, welche - anders als
die von der KBV ausgerichteten Krankentaggelder - öffentlich-rechtlicher
Natur waren. Ebenfalls zutreffend ist, dass das Eidgenössische
Versicherungsgericht im erwähnten Urteil vom 6. Januar 1989 mehrfach darauf
hingewiesen hat, dem konkret betroffenen Versicherten erwachse aus der
fehlenden materiellrechtlichen Überprüfung der Rückforderung im IV-Verfahren
kein Nachteil, zumal die Möglichkeit der Beschwerdeerhebung gegen den
Krankenversicherer offen stehe. Entgegen den Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt sich indessen weder daraus noch aus sonst
einem Begründungselement des betreffenden Urteils entnehmen, dass der
Grundsatz, wonach Streitigkeiten über Bestand und Höhe der
Rückerstattungsforderung direkt zwischen Krankenkasse und versicherter Person
auszutragen sind und die IV-Stelle sich nicht damit zu befassen hat, nicht
gelten würde, falls hierfür der zivilrechtliche Rechtsweg einzuschlagen wäre.
Entscheidend ist allein, dass der versicherten Person zur Bestreitung von
Bestand und Höhe des Rückforderungsanspruchs ein direkter Rechtsweg gegen die
Krankenkasse offen steht, was hier unstrittig der Fall ist. Der Umstand, dass
die zivilprozessuale Klägerrolle für die Beschwerdeführerin hinsichtlich
Beweislast und Kostenrisiken ungünstiger ist als die Stellung im
Sozialversicherungsverfahren, vermag kein abweichendes Ergebnis zu begründen.
Schliessen die Vertragsparteien eine Taggeldversicherung auf
privatrechtlicher Grundlage ab, im Wissen darum, dass Streitigkeiten durch
den Zivilrichter zu entscheiden sind, sind die damit verbundenen prozessualen
Nachteile hinzunehmen. Es ginge nicht an, allein dieser Folgen wegen der
IV-Stelle eine erweiterte Zuständigkeit als in jenen Fällen zuzuerkennen, in
denen Taggelder auf sozialversicherungsrechtlicher Grundlage zurückgefordert
werden. Soweit die Beschwerdeführerin grundsätzliche Kritik an der seit
Inkrafttreten des KVG per 1. Januar 1996 geltenden Aufsplittung der
Rechtswege für den Grundversicherungs- und den (privatrechtlichen)
Zusatzversicherungsbereich übt, ist festzuhalten, dass das Eidgenössische
Versicherungsgericht an die bundesgesetzliche Vorgaben gebunden ist (Art. 191
BV) und es Sache des Gesetzgebers wäre, allfällige Mängel der mit dem neuen
KVG vom 18. März 1994 eingeführten Trennung der Rechtspflegezuständigkeiten
zu beheben.

4.3 Nebst prozessualen Gesichtspunkten sprechen nach Auffassung der
Beschwerdeführerin auch sachliche Gründe dafür, dass Bestand und Höhe des von
der KBV geltend gemachten Rückforderungsanspruchs im IV-Verfahren überprüft
werden. So habe die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs ihren Grund
allein in einer (allfälligen) tatsächlichen Überentschädigung der
versicherten Person und betreffe somit - wie die Zulässigkeitsvoraussetzungen
der Drittauszahlung - einen im Bundessozialversicherungsrecht geregelten
Sachverhalt; es sei daher nur folgerichtig, dass die IV-Stelle und im
Streitfall das beschwerdeweise angerufene Sozialversicherungsgericht nicht
nur über die Zulässigkeit der Drittauszahlung als solcher befindet, sondern
auch materiellrechtlichen Bestand und konkrete Höhe der vom Dritten
behaupteten Überentschädigung bzw. des daraus fliessenden
Rückforderungsanspruchs beurteilt.

Der Argumentation der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, dass allein
die Nähe einer Streitigkeit zur Sozialversicherung es nicht rechtfertigt, sie
dem öffentlichen Recht zuzuordnen, zumal damit nichts über die Rechtsnatur
des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ausgesagt wird (BGE 124 III 46
Erw. 1a/bb). Dieses bleibt im Falle der mit der KBV nach VVG abgeschlossenen
Kollektiv-Krankentaggeldversicherung ungeachtet des
sozialversicherungsrechtlichen Bezugs zu der hier in Frage stehenden
Streitigkeit privatrechtlicher Natur (vgl. Erw. 3.1 hievor).

4.4 Nach dem Gesagten sind die IV-Stelle und im Beschwerdefall das
Sozialversicherungsgericht nicht befugt, über die materiellrechtliche
Begründetheit des von der KBV geltend gemachten Rückforderungsanspruchs zu
befinden, womit der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid Bundesrecht
nicht verletzt.

5.
Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die gestützt auf
Art. 134 OG e contrario zu erhebenden Gerichtskosten zu tragen und steht ihr
keine Parteientschädigung zu (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 21. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: