Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 291/2003
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I 291/03

Urteil vom 15. September 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Durizzo

F.________, 1951, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli
Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
F. ________, geboren 1951, arbeitete als Sicherheitsbeamtin, als sie am 5.
Februar 1999 stürzte und sich an der rechten Schulter verletzte. Am 13. April
2000 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog die Unfallakten bei, holte Berichte der
Klinik B.________, vom 2. August 2000 und vom 13. Februar, 19. März und 11.
Juni 2001 ein, liess die Versicherte psychiatrisch untersuchen (Gutachten des
Dr. med. H.________, Psychiatrie FMH, vom 6. Oktober 2001) und klärte die
erwerbliche Situation ab. Seit 1. Februar 2000 richtet sie F.________ eine
halbe Invalidenrente aus (Verfügung vom 18. Januar 2002).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Februar 2003 ab.

C.
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Zusprechung
einer ganzen Invalidenrente beantragen.

Während die IV-Stelle des Kantons Zürich auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichten das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), insbesondere auch bei
geistigen Gesundheitsschäden (BGE 127 V 298 Erw. 4c in fine mit Hinweisen),
zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und
1bis IVG), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl.
auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) und zur richterlichen Beweiswürdigung von
Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a und b) richtig dargelegt. Ebenfalls
zutreffend hat sie ausgeführt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 18.
Januar 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b). Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin lässt geltend machen, dass die Ärzte der Klinik
B.________ seit dem Zeitpunkt des Unfalls mit Ausnahme von wenigen Wochen im
September und Oktober 2000 von einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 75 %
oder mehr ausgingen. Demgegenüber haben sich das kantonale Gericht und die
IV-Stelle auf das Gutachten des Dr. med. H.________ gestützt, welcher eine
leidensangepasste Tätigkeit im Umfang von 50 % als zumutbar erachtete.

2.2 Aus dem Unfallschein ergibt sich, dass die Ärzte des Medical Center
A.________ der Versicherten seit dem Unfall am 5. Februar 1999 eine 100 %ige
Arbeitsunfähigkeit attestierten. Die letzte Eintragung im Jahr 1999 datiert
vom 24. November. Im Dezember 1999 war eine Schulterarthroskopie in der
Klinik B.________ vorgesehen, die allerdings auf Wunsch der
Beschwerdeführerin aus hier nicht massgeblichen Gründen auf anfangs Juni 2000
verschoben wurde. Aus den weiteren Eintragungen im Unfallschein ergibt sich,
dass die Versicherte dort erst wieder Ende März 2000 und dann vor der
Operation im Juni 2000 untersucht wurde. In der Zwischenzeit war sie am 19.
Dezember 1999 im Auftrag des Unfallversicherers von Dr. med. S.________,
Orthopädische Chirurgie FMH, begutachtet worden (Expertise vom 21. Januar
2000). Er empfahl zwar die Schulteroperation und erachtete die angestammte
Tätigkeit als Sicherheitsbeamtin als nicht zumutbar, attestierte der
Beschwerdeführerin jedoch in einer leidensangepassten Tätigkeit ohne Tragen
und Heben von schweren Gegenständen eine volle Arbeitsfähigkeit. In seinem
zweiten Gutachten vom 22. April 2001 berichtete er, dass Operation und
weiterer Verlauf komplikationslos gewesen seien und die Versicherte
anlässlich einer Kontrolle im Juli 2000 ihre Zufriedenheit geäussert habe.
Erst im November 2000 habe sie die Ärzte der Klinik B.________ erneut wegen
zunehmender Schulterschmerzen konsultiert. Die Arbeitsunfähigkeit im
angestammten Beruf betrug nach seiner Auffassung 50 %, in einer
leidensangepassten Tätigkeit maximal 25 %. In Kenntnis dieser Einschätzung
ging Dr. med. H.________ von einer zusätzlichen Einschränkung aus psychischen
Gründen aus und erachtete die Beschwerdeführerin in einer leidensangepassten
Tätigkeit zu 50 % arbeitsfähig.

2.3 Angesichts dieser umfassenden orthopädischen und psychiatrischen
Expertisen steht die Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leidensangepassten
Tätigkeit fest und kann nicht auf die Eintragungen im Unfallschein und die
Kurzberichte der Klinik B.________ abgestellt werden. Daran vermag auch der
letztinstanzlich eingereichte Bericht der Klinik Y.________ vom 17. April
2003 nichts zu ändern, lässt er doch keine Rückschlüsse auf den massgeblichen
Zeitpunkt des Verfügungserlasses zu (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw.
1b). Immerhin mag bezüglich der dort erwähnten Fibromyalgie angefügt werden,
dass Dr. med. H.________ eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und
bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit berücksichtigt hat. Der ebenfalls
genannte Hörschaden besteht bereits seit längerer Zeit und hat offenbar keine
zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zur Folge.

3.
3.1 Zu prüfen bleibt die erwerbliche Seite. Für die Ermittlung des Einkommens,
welches die versicherte Person ohne Invalidität erzielen könnte
(Valideneinkommen), ist entscheidend, was sie im massgebenden Zeitpunkt nach
dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich
verdienen würde (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 f. Erw. 3b mit Hinweis). Die
Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen. Es ist daher in
der Regel vom letzten Lohn vor Eintritt der Gesundheitsschädigung auszugehen
(ZAK 1980 S. 593 mit Hinweisen; Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die
Invalidenversicherung [IVG], in: Murer/Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung
des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 205).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind keine Gründe ersichtlich,
hier von dieser Regel abzuweichen und wegen der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde besonders hervorgehobenen Sprachkenntnisse auf
ein Einkommen abzustellen, das mit der konkreten beruflichen Situation, in
welcher die Beschwerdeführerin steht, überhaupt nichts zu tun hat. Die
Sprachkenntnisse vermochten der seit Mai 1996 als Sicherheitsbeamtin
angestellten Versicherten nicht zu einer besser entlöhnten Arbeit zu
verhelfen.

Mit der Vorinstanz ist daher vom letzten Lohn auszugehen, welcher vor
Eintritt des Gesundheitsschadens erzielt wurde. Gemäss Bericht der
Arbeitgeberin vom 11. Mai 2000 betrug dieser im Jahr 2000 Fr. 23.- pro Stunde
einschliesslich 8,33 % Ferienentschädigung. Umgerechnet auf die
betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die
Volkswirtschaft, 2003 Heft 6, S. 98, Tabelle B 9.2), bei vier Wochen Ferien
im Jahr, d.h. 48 Arbeitswochen, und angepasst an die Nominallohnentwicklung
bei Frauenlöhnen im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung von 0,8 %
(Bundesamt für Statistik, Lohnentwicklung 2001, S. 33, Tabelle T1.2.93; vgl.
das zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmte Urteil S. vom 30. Mai
2003, U 401/01, Erw. 3.1.2) ergibt sich zu dem für den Einkommensvergleich
massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns (BGE 128 V 184, 129 V 222) im Jahr
2001 ein Einkommen von Fr. 46'405.-.
3.2 Was das trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbare
Einkommen (Invalideneinkommen) betrifft, hat das kantonale Gericht auf die
vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Tabellenlöhne mit
Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) abgestellt. Dies
ist gerechtfertigt. Die Versicherte erfüllt weder die Voraussetzungen von
Anforderungsniveau 3 ("Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt") noch
diejenigen von Anforderungsniveau 2 ("Verrichtung selbstständiger und
qualifizierter Arbeiten"): Sie absolvierte nach Primar- und Sekundarschule
bloss eine Anlehre als Bürogehilfin und verrichtete auch vor Eintritt der
Invalidität keine Anforderungsniveau 2 oder 3 entsprechende Tätigkeit.

Gemäss Lohnstrukturerhebung 2000 belief sich der Zentralwert für die mit
einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten
Frauen im privaten Sektor auf Fr. 3'658.- (bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden). Umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche
Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft, a.a.O.) und angepasst an
die Nominallohnentwicklung von 2,5 % (Bundesamt für Statistik, a.a.O., Total)
ergibt sich für das Jahr 2001 ein Einkommen von 46'905.-, beziehungsweise Fr.
23'452.- für ein 50 %-Pensum.

3.3 Schliesslich ist auch der von der Vorinstanz vorgenommene Abzug von 10 %
im Rahmen der Angemessenheitskontrolle und mit Blick auf vergleichbare Fälle
nicht zu beanstanden (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 6 mit Hinweisen).
Neben der leidensbedingten Einschränkung sind keine Faktoren ersichtlich, die
eine weitergehende Reduktion rechtfertigen würden (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5),
so insbesondere auch nicht wegen Teilzeitarbeit, verdienen
teilzeitbeschäftigte Frauen bei einem Beschäftigungsgrad zwischen 50 und 89 %
in der Regel doch mehr als vollzeitbeschäftigte (Bundesamt für Statistik, Die
Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2000, S. 24).

3.4 Das Invalideneinkommen beläuft sich damit auf Fr. 21'107.-. Verglichen
mit dem Valideneinkommen von Fr. 46'405.- resultiert ein Invaliditätsgrad von
54,5 %. Das Begehren auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ist daher
unbegründet.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 15. September 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: