Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 247/2003
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I 247/03

Urteil vom 9. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber
Flückiger

A.________, 1951, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Heinz O.
Haefele, Bahnhofstrasse 10, 8340 Hinwil,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 25. April 1994 verneinte die Ausgleichskasse des Kantons
Zürich einen Anspruch des 1951 geborenen A.________ auf eine Rente der
Invalidenversicherung mit der Begründung, die für den entsprechenden Anspruch
vorausgesetzte Invalidität sei nicht gegeben.

Am 9. Februar 2001 meldete sich der Versicherte erneut zum Leistungsbezug an.
Mit der Anmeldung wurden Berichte des Dr. med. H.________, Chirurgie FMH, vom
13. und 30. Januar 2001 und des PD Dr. med. U.________, Orthopädische
Chirurgie FMH, vom 30. September 1999 sowie ein Röntgenbefund des Spitals
X.________ vom 26. Juli 1999 eingereicht. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
holte weitere Stellungnahmen des Dr. med. H.________ vom 6./22. März und 29.
Mai 2001 sowie des PD Dr. med. U.________ vom 12. März 2001 ein.
Anschliessend gab sie bei Dr. med. L.________, Chirurgie und Neurochirurgie
FMH, ein Gutachten in Auftrag, welches am 15. November 2001 erstattet wurde.
Daraufhin lehnte es die Verwaltung - nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens - mit Verfügung vom 13. Februar 2002 wiederum ab, dem
Versicherten eine Rente auszurichten.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 26. Februar 2003).

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen, eventuell sei die Angelegenheit an
die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 13.
Februar 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b),
sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden
Bestimmungen anwendbar.

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff
der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere bei geistigen
Gesundheitsschäden (BGE 127 V 298 Erw. 4c, 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b
mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art.
28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei
erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28
Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b), die Aufgabe des Arztes oder der
Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134
Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) sowie die Beweiswürdigung und
den Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.2 Wurde eine Rente zu einem früheren Zeitpunkt wegen eines zu geringen
Invaliditätsgrades verweigert und ist die Verwaltung auf eine Neuanmeldung
eingetreten (Art. 87 Abs. 4 IVV), so ist im Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob
im Sinne von Art. 41 IVG eine für den Rentenanspruch relevante Änderung des
Invaliditätsgrades eingetreten ist (BGE 117 V 198 Erw. 3a mit Hinweis). Dies
beurteilt sich durch Vergleich des Sachverhaltes, wie er im Zeitpunkt der
ersten Ablehnungsverfügung bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der
streitigen neuen Verfügung (AHI 1999 S. 84 Erw. 1b).

3.
3.1 Bei Erlass der ablehnenden Verfügung vom 25. April 1994 lagen der
Verwaltung Stellungnahmen des Dr. med. M.________, Innere Medizin FMH
(Vertrauensarzt der Versicherungskasse Zürich), vom 13. Juli 1993 und des Dr.
med. K.________ vom 30. August 1993 vor. In beiden Berichten wird
übereinstimmend ein chronisches Lumbovertebralsyndrom bei rechts-konvexer
Skoliose der Wirbelsäule und degenerativen Veränderungen der LWS mit
Spondylarthrose L5/S1 rechts, leichter medialer Diskusprotursion L4/L5 und
ankolysierenden Iliosakralgelenksarthrosen beidseits, rechts deutlich stärker
als links, diagnostiziert. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit gelangten beide
Ärzte zum Ergebnis, der Versicherte könne seinen angestammten Beruf als
Gärtner nicht mehr ausüben, während eine Tätigkeit ohne Bücken und Heben
durchaus möglich sein sollte. Eine daraufhin durchgeführte Abklärung im
Service-Zentrum Y.________, in deren Verlauf der Beschwerdeführer meist
sitzende Arbeiten auszuführen hatte, ergab eine volle Arbeitsfähigkeit in
Bezug auf eine leichte Tätigkeit, welche auch leichte Lastenverschiebungen
enthalten dürfe. Gemäss dem Verfügungstext ging die Verwaltung davon aus,
eine den Rücken nicht zu sehr belastende Tätigkeit (wie beispielsweise als
Magaziner, im Reinigungsdienst oder in der Gerätemontage usw.) sei in vollem
Leistungsumfang zumutbar.

3.2 Dr. med. H.________ diagnostiziert in seinen Berichten vom 13. und 30.
Januar 2001 ein chronisches zerviko-thorakolumbales Syndrom
(Panvertrebralsyndrom), Fibroostosen ilial sowie trochanter und ein
metabolisches Syndrom. Der Patient, der glaubhaft über Weichteilschmerzen im
ganzen Körper, insbesondere im zervikothorakolumbalen Bereich, klage, sei
nicht arbeitsfähig. In seiner Stellungnahme vom 6./22. März 2001 stellte er
die Diagnose einer schweren seelisch-somatischen Störung mit chronischem
zerviko-thorakolumbalem Syndrom (Diskusprotursion L4/L5), Spondylosen LWK 4,
Fehlhaltung sowie Fibroostosen und metabolischem Syndrom. Der
Beschwerdeführer sei beim Sitzen, Stehen, Gehen und Lastentragen
eingeschränkt. Auf Nachfrage der IV-Stelle hin bestätigte Dr. med. H.________
am 29. Mai 2001 eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %, welche seit ca. 1993
vorliege.

PD Dr. med. U.________ führt in seinem Bericht vom 30. September 1999 aus, es
bestehe zweifellos ein gewisses Lumbovertebralsyndrom, derzeit ohne
radikuläre Reizungen. Radiologisch fänden sich geringe protrusive Komponenten
L4/L5 und eine Sklerosierung der vertralen ISG, rechts ausgeprägter als
links. Auf Grund der ausgewiesenen orthopädischen Befunde erscheine eine
gewisse Belastungseinschränkung als gerechtfertigt. Am 12. März 2001 erklärte
der Arzt, der Beschwerdeführer leide an einer eingeschränkten Belastbarkeit
der Lendenwirbelsäule. Es liege ein lumbospondylogenes Schmerzsyndrom vor bei
statischer Dysbalance bei Beckenschiefstand nach rechts und milder ventraler
spondylophytärer Veränderung L3/L4, ohne radikuläre Ausfälle. Für die
Tätigkeit als Gärtner mit der Notwendigkeit, erhebliche Lasten zu heben, sei
der Patient nicht mehr einsatzfähig. Sinnvoll sei eine Arbeit in
Wechselbelastung (stehend, sitzend, gehend), bei einer Gehdauer von fünf bis
zehn Minuten, ohne Exposition zu Nässe, Kälte, Staub etc. Für leichte
Tätigkeiten mit Wechselbelastung sei ein Einsatz mit einem Teilpensum von 30
bis 50 % grundsätzlich denkbar.

Laut dem Gutachten des Dr. med. L.________ vom 15. November 2001 ist die
Diagnose eines chronischen Lumbovertebralsyndroms sowie Adipositas und
Hypertonie gestellt. Auf Grund des Lumbovertebralsyndroms bestehe - wie
bereits seinerzeit durch Dr. med. M.________ attestiert - eine
Arbeitsunfähigkeit als Gärtner. Die Ausübung einer Tätigkeit ohne massive
Belastung der Wirbelsäule sei jedoch angesichts der geringen objektiven
Befunde - nach einer Angewöhnungsphase wegen der jahrelangen Arbeitsabstinenz
- vollumfänglich zumutbar. Das durch Dr. med. H.________ diagnostizierte
chronische Panvertebralsyndrom sei die Folge von Bewegungsarmut, mangelnder
Gewöhnung und sozialer Isolation. Der Zusammenhang zwischen sozialer
Isolation, der Frustration über die "verlorene Gesundheit" und deren
Projektion auf den axialen stammnahen Bewegungsapparat sei dem Patienten
sogar bewusst. Somatisch seien heute mit Sicherheit keine relevanten
Erkrankungen aus dem Formenkreis des Bewegungsapparates festzustellen, welche
zu einer Invalidisierung führen würden.

3.3
3.3.1Auf Grund der medizinischen Unterlagen ist eine Veränderung des
somatischen Beschwerdebildes mit entsprechenden Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit während des relevanten Zeitraums nicht ausgewiesen. Dem
Gutachten des Dr. med. L.________, welchem die Vorinstanz mit Blick auf die
von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (BGE 125 V 352 Erw. 3a)
grundsätzlich zu Recht volle Beweiskraft zugesprochen hat, ist zu entnehmen,
dass keine objektivierbaren Befunde vorliegen, welche die angegebenen - vom
Gutachter zumindest teilweise als glaubhaft erachteten - Beschwerden erklären
könnten. Nach Ansicht von Dr. med. L.________ "liegt das wesentliche Problem
heute mit Sicherheit nicht im Bewegungsapparat". Die Diagnosen schlössen eine
geregelte berufliche Tätigkeit in keinem Sinne aus. Die einzige Einschränkung
bestehe (nach wie vor) darin, dass eine massive Überlastung der Wirbelsäule
nicht zumutbar sei. Mit der Vorinstanz ist dementsprechend davon auszugehen,
der Beschwerdeführer sei unter Berücksichtigung der somatisch begründeten
Symptomatik in einer behinderungsangepassten, die Wirbelsäule nicht
übermässig strapazierenden Tätigkeit, welche keine Haltungskonstanz und kein
übermässiges Heben und Tragen erfordert, voll arbeitsfähig.

3.3.2 Zu prüfen bleibt die Notwendigkeit zusätzlicher Abklärungen in Bezug
auf das allfällige Vorliegen einer neu hinzugetretenen psychisch begründeten
Arbeitsunfähigkeit. Eine spezialärztliche Untersuchung wäre erforderlich,
wenn hiezu auf Grund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten
ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass bestünde (BGE 117 V 282 Erw.
4a; AHI 1994 S. 212 Erw. 4a; SVR 1999 UV Nr. 10 S. 28 Erw. 2c). Den einzigen
diesbezüglichen Hinweis bildet die durch Dr. med. H.________ in seinem
Bericht vom 6./22. März 2001 gestellte Diagnose einer schweren
seelisch-somatischen Störung. Diese Aussage wird jedoch in keiner Weise
begründet. In den früheren Berichten des Dr. med. H.________, darunter in
denjenigen vom 13. und 30. Januar 2001, findet sich keine entsprechende
Diagnose. Auch die übrigen Bericht erstattenden Ärzte äusserten nicht den
Verdacht auf das Vorliegen eines psychischen Leidens. Dr. med. L.________
erklärt in seinem Gutachten vom 15. November 2001, der Explorand mache einen
psychisch unauffälligen Eindruck. Damit bestehen keine hinreichenden
Anhaltspunkte für ein - von der durch Dr. med. L.________ erwähnten
psychosozialen Belastungssituation unterscheidbares und in diesem Sinne
verselbstständigtes - psychisches Leiden mit Krankheitswert (BGE 127 V 299
Erw. 5a), welches durch ein psychiatrisches Gutachten näher abzuklären wäre
(AHI 2000 S. 159 Erw. 4b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V 298 Erw. 4c mit
Hinweisen).

4.
Die Vorinstanz hat auf der Grundlage des umschriebenen Zumutbarkeitsprofils
(Erw. 3.3.1 hievor) einen Einkommensvergleich vorgenommen, der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet wird. Der ermittelte
Invaliditätsgrad von 23 % begründet weiterhin keinen Rentenanspruch.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: