Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 243/2003
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I 243/03

Urteil vom 4. Februar 2004
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Hadorn

SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

betreffend R.________,
handelnd durch seine Eltern M._________ und U._________

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 28. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
R. ________ (geb. 1988) leidet an einem kongenitalen Psychoorganischen
Syndrom (POS). Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm mit Verfügung vom
26. August 1997 medizinische Massnahmen vom 22. August 1996 bis 31. August
2001 zu, darunter Psychothera-pie für die Zeitspanne vom 28. Februar 1997 bis
31. Januar 1999 (später verlängert bis 31. August 2003). Als
Durchführungsstelle wurde Dr. med. F.________IVG aufgeführt. Mit Verfügung
vom 7. Januar 1998 hob die IV-Stelle die Verfügung vom 26. August 1997
teilweise auf. Da Dr. F.________ Allgemeinmediziner und nicht Psychiater sei,
erfülle er die einschlägigen kantonalen Vorschriften für die Ausübung des
Berufes als Psychotherapeut nicht. Deshalb könne die IV die bei diesem Arzt
durchgeführte Psychotherapie nicht übernehmen.

Am 23. Januar 2002 stellte die Swica Krankenversicherung AG als Krankenkasse
von R.________ bei der IV-Stelle ein Wiedererwägungsgesuch bezüglich der ihr
seinerzeit nicht zugestellten Verfügung vom 7. Januar 1998 und beantragte die
Übernahme der bei Dr. F.________ durchgeführten und von ihr bezahlten
Therapie. Diese sei nicht vom Arzt selbst, sondern von Frau L.________,
Psychologin FSP, in dessen Praxisräumen durchgeführt worden. Mit Verfügung
vom 17. Juni 2002 lehnte die IV-Stelle das Gesuch der Swica ab. Dr.
F.________ erfülle die Zulassungsvoraussetzungen nicht, und auch Frau
L.________ sei nicht berechtigt, mit der IV abzurechnen.

B.
Die von der Swica dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28.Februar
2003 in dem Sinne teilweise gut, als es feststellte, dass R.________ für die
Zeit vom 28. Februar 1997 bis Ende Februar 1998 Anspruch auf Vergütung der im
Zusammenhang mit der von Dr. F.________ delegierten Psychotherapie
entstandenen Kosten habe.

C.
Die Swica führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die IV sei zu
verpflichten, die Kosten der von Dr. med. F.________ in der Periode Februar
1997 bis Januar 2000 durchgeführten Psychotherapiebehandlungen zu übernehmen
und die von der Swica bezahlten Leistungen im Rahmen des IV-Tarifs
zurückzuerstatten.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während R.________ sich nicht
vernehmen lässt.

D.
Am 4. Februar 2004 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine
parteiöffentliche Beratung durchgeführt.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzlichen Bestimmungen
zum Grundsatz der Wahlfreiheit der Versicherten unter den Ärzten (Art. 26
Abs. 1 IVG) und den Vorbehalten (Art. 26 Abs. 4 IVG), zur Wahl unter den
medizinischen Hilfspersonen sowie der Einschränkung durch kantonale
Vorschriften (Art. 26bis Abs. 1 IVG; Art. 24 Abs. 3 IVV) und die hiezu
ergangene Rechtsprechung (Urteil G. vom 28. Januar 1998, I 293/97) ebenso
richtig dargelegt wie den Auszug aus dem Vertrag zwischen dem BSV und der
Verbindung der Schweizer Ärzte vom 28. Dezember 1979 (vgl. erwähntes Urteil
G.). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 17. Juni 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Auch die am 1. Januar 2004
in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die
Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 gelangen nicht zur Anwendung (BGE 129
V 4 Erw. 1.2).

2.
Es steht fest, dass Frau L.________, Psychologin FSP, in der Praxis von Dr.
med. F.________ delegierte psychotherapeutische Behandlungen für den
Versicherten durchgeführt hat. Dr. F.________ ist weder Kinder- oder
Jugendpsychiater FMH noch figuriert er in der Liste jener Spezialärzte, in
deren Praxis qualifizierte psychologische Mitarbeiter tätig sind. Frau
L.________ erfüllt daher die Anforderungen der IV im Sinne von Art. 26bis IVG
für die Durchführung von psychotherapeutischen Behandlungen als medizinische
Hilfsperson nicht. Sie steht nicht im Wahlrecht des Versicherten, weshalb für
die von ihr durchgeführten psychotherapeutischen Behandlungen kein Anspruch
auf Kostenvergütung als medizinische Eingliederungsmassnahme nach dem vom BSV
mit der Verbindung der Schweizer Ärzte vertraglich vereinbarten Tarif
besteht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht vom
Sachverhalt im bereits erwähnten Urteil G, in welchem die IV ebenfalls keine
Leistungen zu erbringen hatte.

3.
Die Beschwerdeführerin bemängelt diese Rechtsprechung. Sie macht einerseits
geltend, als Leistungserbringer sei Dr. F.________ und nicht Frau L.________
zu betrachten. Auch im Krankenversicherungsrecht (Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff.
1 KVG) werde in Fällen delegierter Psychotherapie der Arzt selbst und nicht
die Hilfsperson als Erbringer der Leistung ange-sehen, da die Behandlung
unter seiner Aufsicht und Verantwortung durchgeführt werde. Ärzte
unterständen aber keinen Einschränkungen, wie sie in Art. 26bis Abs. 1 IVG
für Hilfspersonen formuliert worden seien.

Wie es sich damit verhält, kann vorliegend offen bleiben, wie sich aus dem
Folgenden ergibt.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass die IV-Stelle ihr die
Verfügung vom 7. Januar 1998 trotz entsprechender Vorschrift (Art. 88quater
IVV) nicht zugestellt hat. Die Vorinstanz hat dies unter dem Titel von Treu
und Glauben in der Weise berücksichtigt, dass sie die Leistungspflicht der IV
trotz der Nichtzulassung von Dr. F.________ bzw. Frau L.________ bis Ende
Februar 1998 bejaht hat. Sie erwog dabei, dass der Versicherte ursprünglich
auf die Korrektheit der leistungszusprechenden Verfügung vom 26. August 1997
habe vertrauen dürfen. Bei gesetzmässiger Zustellung der Verfügung vom 7.
Januar 1998 auch an die Swica hätte er etwas Zeit benötigt, um eine von der
Invalidenversicherung anerkannte neue Durchführungsstelle zu suchen. Ab März
1998 hingegen könne die IV nicht mehr zu Zahlungen verpflichtet werden.

4.2 Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Es ist davon auszugehen,
dass die Krankenkasse, wenn sie die Verfügung vom 7. Januar 1998 rechtzeitig
zugestellt erhalten hätte, sofort reagiert und den Versicherten dazu bewogen
hätte, zu einem zugelassenen Leistungserbringer zu wechseln. Das aber hätte
zur Folge gehabt, dass die Invalidenversicherung - jetzt gegenüber dem neuen
Leistungserbringer - über Februar 1998 hinaus zahlungspflichtig geblieben
wäre. Da die Kasse aber die Verfügung nicht erhalten hatte, erbrachte sie
weiterhin Leistungen und erlitt daher auch über diesen Monat hinaus einen
durch die Unterlassung der IV-Stelle verursachten Nachteil. Konsequenterweise
hat die IV somit Leistungen von Dr. F.________ bzw. Frau L.________ nicht nur
bis Februar 1998, sondern mindestens bis zu demjenigen Zeitpunkt zu
übernehmen, in welchem die Krankenkasse erstmals von der Verfügung vom 7.
Januar 1998 Kenntnis erhalten hatte und den Versicherten einladen konnte, zu
einem zugelassenen Leistungserbringer zu wechseln. Nach den Akten war dies
erst im Jahr 2001 der Fall, somit zu einem Zeitpunkt, als die Swica ihre hier
streitigen Leistungen bereits vollumfänglich erbracht hatte.

Der Anspruch des Versicherten auf medizinische Massnahmen zu Lasten der IV
war in materieller Hinsicht unbestritten. Die Verwaltung stellte ihre
Leistungen einzig deshalb ein, weil die mit der Durchführung der Massnahmen
betrauten Personen die formellen Voraussetzungen nicht erfüllten. Es steht
aber fest, dass die IV die entsprechenden Vorkehren weiter hätte tragen
müssen, wenn sie durch einen zu-gelassenen Leistungserbringer erbracht worden
wären. Die Verwaltung hat sich in ihrer Verfügung vom 7. Januar 1998 damit
begnügt, ihre Leistungen einzustellen. Indessen hätte sie eine neue,
zugelassene Durchführungsstelle bezeichnen und für die medizinischen
Massnahmen weiterhin aufkommen müssen. In den Akten fehlen jegliche Hinweise
auf allfällige Bemühungen, zugelassene Erbringer zu bezeichnen.

Mithin leidet die Verfügung vom 7. Januar 1998 nicht nur an der mangelnden
Zustellung an die Beschwerdeführerin. Sie ist vielmehr auch inhaltlich
zumindest unvollständig und damit offensichtlich unrichtig. Zudem ist ihre
Berichtigung angesichts der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen
finanziell von erheblicher Bedeutung, wes-halb die Voraussetzungen für eine
Wiedererwägung erfüllt sind (BGE 126 V 23 Erw. 4b). Demnach hat die IV-Stelle
die Wiedererwägungsgesuche der Beschwerdeführerin und des Versicherten mit
Verfügung vom 17. Juni 2002 zu Unrecht abgewiesen. Sie hätte ihre Verfügungen
im obgenannten Sinne neu erlassen und die Leistungen bis zu diesem Zeitpunkt
übernehmen müssen. Mithin hat sie die von der Beschwerdeführerin erbrachten,
hier im Streit liegenden Leistungen vollumfänglich zu tragen.

5.
Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versicherungsgericht im
Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen den Parteien keine Gerichtskosten auferlegen. Dieser
Grundsatz gilt u.a. dort nicht, wo eine Krankenkasse mit der
Invalidenversicherung im Streit über die Leistungspflicht für einen
gemeinsamen Versicherten liegt (BGE 127 V 107 Erw. 6). Die unterliegende
IV-Stelle hat daher die Gerichtskosten zu übernehmen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Dispositiv-Ziffer 1 des
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar
2003 in dem Sinne abgeändert, dass R.________ für die Zeit vom 28. Februar
1997 bis 31. Januar 2000 Anspruch auf Vergütung der im Zusammenhang mit der
von Dr. med. F.________ delegierten Psychotherapie entstandenen Kosten
gegenüber der IV hat.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 3000.- werden der IV-Stelle des Kantons
Zürich auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3000.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherten, dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 4. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.