Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 231/2003
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I 231/03

Urteil vom 21. August 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

Soziale Dienste X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch das
Sozialdepartement Y.________,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

betreffend
1. H.________, 1958,
2. M.________, 1990,
vertreten durch H.________

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 21. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 22. Mai 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
H.________ rückwirkend ab 1. Juni 1999 eine Invalidenrente sowie eine
Kinderrente für die 1990 geborene Tochter M.________zu. Gestützt auf das von
H.________ am 4. Mai 2000 unterzeichnete Formular "Gesuch um Rentenauszahlung
an eine Drittperson oder Behörde" wurden die beiden Renten bis Ende Oktober
2001 dem Amt für Jugend- und Sozialhilfe (seit 1. Juli 2001: Soziale Dienste)
(nachstehend: Sozialhilfebehörde) überwiesen. Ab November 2001 erfolgte die
Auszahlung der Kinderrente für M.________ entsprechend einem Ersuchen der
Sozialhilfebehörde vom 26. September 2001 an die Amtsvormundschaft. Am 17.
Oktober 2001 überwies die Sozialhilfebehörde auch die bis dahin bezogenen
Kinderrenten im Gesamtbetrag von Fr. 17'376.- der Amtsvormundschaft.

Nachdem die IV-Stelle bemerkt hatte, dass sie für M.________, welche seit
1993 bei ihren Grosseltern lebt, bereits eine Kinderrente zu deren
Altersrente gewährt hatte, forderte sie mit Verfügung vom 29. November 2001
die für die Zeit ab 1. Juni 1999 bis 31. Oktober 2001 ausgerichteten
Rentenbetreffnisse in Höhe von Fr. 17'376.- von der Sozialhilfebehörde
zurück.

B.
Die hiegegen vom Amt für Jugend- und Sozialhilfe resp. den Sozialen Diensten,
vertreten durch das Sozialdepartement Y.________, erhobene Beschwerde wies
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21.
Februar 2003 ab.

C.
Das Sozialdepartement führt in Vertretung der Sozialhilfebehörde (nachstehend
Beschwerdeführerin) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Begehren um
Aufhebung des kantonalen Entscheids und Rückforderung der zu Unrecht
ausbezahlten Rentenbetreffnisse von der Amtsvormundschaft.

Die IV-Stelle, unter Hinweis auf die Erwägungen im kantonalen Entscheid, und
das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Schreiben vom 20. Juni 2003, mit welchem das Eidgenössische
Versicherungsgericht H.________ als Mitbeteiligter Gelegenheit zu einer
Stellungnahme einräumen wollte, ist von der Post am 1. Juli 2003 mit dem
Vermerk "nicht abgeholt" zurückgesandt worden.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen auch im Invalidenversicherungsbereich
geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner
das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich
auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 29.
November 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b),
sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen
Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2).

2.
Laut dem nach Art. 49 IVG im Invalidenversicherungsbereich sinngemäss
anwendbaren Art. 47 AHVG sind unrechtmässig bezogene Renten zurückzuerstatten
(Abs. 1 Satz 1). Nach Art. 85 Abs. 3 IVV hat die IV-Stelle die Rückerstattung
des zu Unrecht bezogenen Betrages zu verfügen, wenn sie davon Kenntnis
erhält, dass eine Person bzw. ihr gesetzlicher Vertreter für sie Leistungen
bezogen hat, auf die ihr ein Anspruch aus Gründen, die nicht in der
Invalidität liegen, überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe zustand (Satz
1); wurde die Rente gemäss Art. 50 IVG einer Drittperson oder Behörde
ausgerichtet, so ist diese rückerstattungspflichtig (Satz 2).

3.
3.1 Die IV-Stelle hat die Kinderrenten für M.________ für die Zeit ab 1. Juni
1999 bis 31. Oktober 2001 dem Jugend- und Sozialamt resp. den Sozialen
Diensten X.________ ausbezahlt. Unbestrittenermassen ist die diesen
Leistungen zu Grunde liegende Rentenzusprechung zu Unrecht erfolgt, da für
M.________ bereits zuvor schon eine Kinderrente an deren Grosseltern
ausgerichtet wurde. Die fehlerhafte zweite Rentengewährung ist nicht auf die
unrichtige Beurteilung eines spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen
Gesichtspunktes zurückzuführen, sodass die ausbezahlten Betreffnisse auf
Grund von Art. 85 Abs. 3 IVV (in Verbindung mit Art. 49 IVG und Art. 47 Abs.
1 Satz 1 AHVG) zurückzuerstatten sind.

3.2 Entgegen der Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann
nicht gesagt werden, die Rentenzahlungen seien von der Beschwerdeführerin
bloss als Zahl- resp. Inkassostelle in Empfang genommen worden. Diese
Zahlungsweise wurde im Hinblick auf das der IV-Stelle eingereichte und von
der leistungsberechtigten Versicherten am 4. Mai 2000 unterzeichnete Formular
"Gesuch um Rentenauszahlung an eine Drittperson oder Behörde" angeordnet,
welches als Grund für die beantragte Drittauszahlung ausdrücklich
"Fürsorgeleistungen" nennt, was auf eine beabsichtigte Verrechnung mit
vorschussweise ausgerichteten Zahlungen der Sozialhilfebehörde schliessen
lässt. Diese hat denn die erhaltenen Kinderrenten auch nicht etwa direkt an
die Rentenberechtigte selbst oder an eine mit deren Interessenwahrung
betraute Stelle weitergeleitet, sondern sie zunächst auf dem von ihr
geführten Konto verbucht und erst auf eine Anfrage vom 7. August 2001 hin am
17. Oktober 2001 den gesamthaft bezogenen Betrag von Fr. 17'376.- der
Amtsvormundschaft überwiesen. Ohne diese Zahlung würde wohl auch von der
Beschwerdeführerin kaum ernsthaft in Frage gestellt, dass die
Rückerstattungspflicht für die zu Unrecht ausgerichteten Kinderrenten einzig
sie selbst betreffen kann.

Wenn die Sozialhilfebehörde nachträglich feststellte, dass für M.________ in
Wirklichkeit gar nie Fürsorgeleistungen erbracht wurden - und die
Drittauszahlung der Kinderrenten der Invalidenversicherung an sie auch aus
diesem Grunde nicht zu rechtfertigen war -, hätte sie die empfangenen
Zahlungen nicht von sich aus der von ihr nunmehr als berechtigt betrachteten
Amtsvormundschaft überweisen dürfen, stand es doch einzig den Organen der
Invalidenversicherung zu, darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für
eine Drittauszahlung auch an diese Stelle erfüllt waren. Die Weiterleitung
der bezogenen Kinderrentenbetreffnisse an die Amtsvormundschaft - wovon die
IV-Stelle zwar Kenntnis erhielt, worauf sie indessen nicht direkt Einfluss
nehmen konnte - ändert deshalb nichts daran, dass einzig die
Beschwerdeführerin als Zahlungsempfängerin für die gestützt auf Art. 85 Abs.
3 Satz 2 IVV (in Verbindung mit Art. 49 IVG und Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AHVG)
verfügte Rückforderung aufzukommen hat und der IV-Stelle als Schuldnerin der
Rückerstattungsforderung vom 29. November 2001 gegenübersteht.

3.3 Nicht zu prüfen ist, ob und inwiefern allenfalls auch die IV-Stelle an
der unrechtmässigen Drittauszahlung ein Verschulden trifft, würde dies einer
Rückerstattungsforderung gestützt auf Art. 85 Abs. 3 IVV (in Verbindung mit
Art. 49 IVG und Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AHVG) doch nicht entgegenstehen. Auch
insoweit kann aus den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts
zu Gunsten der Beschwerdeführerin abgeleitet werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich, dem Bundesamt für
Sozialversicherung und H.________, Zürich, zugestellt.
Luzern, 21. August 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: