Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 20/2003
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I 20/03

Urteil vom 28. April 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Schmutz

X.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt
Sintzel, Löwenstrasse 54, 8023 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 25. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene X.________ war ab 1989 als Gärtner tätig. Am 23. Oktober
1994 erlitt er bei einem Verkehrsunfall eine schwere Stauchung der Hals- und
Lendenwirbelsäule. Mit Verfügung vom 13. März 1998 sprach ihm die
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, ab 1. Oktober 1995
eine ganze Invalidenrente zu.

Nachdem X.________ am 15. März 1999 eine 30-Prozent-Stelle als Chauffeur
angetreten hatte, teilte ihm die IV-Stelle am 24. Juni 1999 mit, dass der
Anspruch im bisherigen Umfang weiter bestehe. Nach dem Verlust der erwähnten
Stelle erlitt X.________ am 25. Dezember 1999 einen weiteren Verkehrsunfall,
bei dem er sich nebst einer Thoraxkontusion eine Distorsion der
Halswirbelsäule zuzog. Am 7. August 2000 trat er eine Teilzeitstelle als
Lagerist/Chauffeur an und bezog ab Ende 2000 wie schon zuvor Taggelder der
Arbeitslosenversicherung.

Am 20. Juli 2001 teilte die IV-Stelle dem Versicherten erneut mit, dass der
Anspruch im bisherigen Umfang weiter bestehe, veranlasste aber eine
polydisziplinäre medizinische Abklärung im Zentrum für Medizin in Betrieb und
Arbeit A.________. Gestützt auf das Gutachten des Zentrums A.________ vom 20.
April 2002 kam die IV-Stelle zum Schluss, dass X.________ nicht mehr in
anspruchsbegründendem Ausmass invalid sei. Sie stellte dem Versicherten im
Vorbescheid vom 24. Mai 2002 die Aufhebung der Rente in Aussicht, welche sie
am 18. Juli 2002 auf Ende August 2002 hin verfügte. Einer allfälligen
Beschwerde entzog sie die aufschiebende Wirkung.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. November 2002 ab.

C.
X.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei weiterhin eine ganze
Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Sache zu weiteren
Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da unverzüglich in der Sache entschieden wird, erübrigt es sich, über das in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung zu befinden.

2.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 18. Juli
2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff
der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten (Einkommensvergleichsmethode [Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136
Erw. 2a und b]) ebenso zutreffend dargelegt wie jene über die Revision der
Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 113 V 275 Erw. 1a, 112 V 373 Erw. 2b und 387
Erw. 1b) sowie die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 125 V 369 Erw. 2
mit Hinweis, 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a). Richtig
sind auch die Erwägungen über die Rechtsprechung zu den geistigen
Gesundheitsschäden (BGE 127 V 298 Erw. 4c in fine; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b
mit Hinweisen), zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung
(BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 105 V 158 Erw. 1) und zum Beweiswert
ärztlicher Berichte (BGE 125 V 352 f. Erw. 3 mit Hinweisen). Darauf wird
verwiesen.

4.
4.1 Streitig ist allein, ob sich die gesundheitlichen Verhältnisse des
Beschwerdeführers so verändert haben, dass die revisionsweise Aufhebung der
Rente gerechtfertigt war. Verwaltung und Vorinstanz stützten sich bei ihrem
Entscheid auf das Gutachten des Zentrums A.________ vom 20. April 2002,
welches zum Schluss kam, beim Beschwerdeführer sei zwar im Verlauf der
gesundheitlichen und funktionellen Beeinträchtigungen seit 1994 (erster
Unfall) und 1999 (zweiter Unfall) keine wesentliche Veränderung eingetreten,
er sei nun aber in psychiatrischer Hinsicht als gesund anzusehen. Auf Grund
der anderen Bemessung des seit 1996 bekannten somatoformen Anteils am
Schmerzgeschehen werde die Arbeitsfähigkeit nun höher eingeschätzt. Der
Beschwerdeführer rügt, im Gutachten sei die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit
aus psychischer Sicht nicht überzeugend und nachvollziehbar begründet worden;
die Vorinstanz sei auf die entsprechenden Einwände nicht oder nur
oberflächlich eingegangen; zudem habe sie das Gutachten falsch interpretiert.

4.2 Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer im Gutachten des Zentrums
A.________ "in psychiatrischer Hinsicht als gesund" eingeschätzt wurde,
obwohl neben einem chronischen ausstrahlenden Rückenschmerz ausdrücklich auch
eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden war. Der vermeintliche
Widerspruch erklärt sich damit, dass die Gutachter die somatoforme
Schmerzstörung bei der Beurteilung der psychischen Gesundheit gesondert
erörterten. Zunächst begründeten sie, der Beschwerdeführer sei "aus
psychiatrischer Sicht" als gesund anzusehen, weil insbesondere keinerlei
kognitive Einbussen bestünden und die psychischen Grundfunktionen und die
Grundstimmung intakt seien. Die Konzentration und die Dynamik des Verhaltens
habe unter der Untersuchung eher noch zugenommen, was die Gesundheit des
psychischen Apparates bestätige. Es sei aus dieser Sicht keine Funktion so
eingeschränkt, dass die Arbeitsfähigkeit tangiert werde. Dass die
Arbeitsfähigkeit aber aus anderer Sicht eingeschränkt war, war nach dem
Gutachten unbestritten, und es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
die Beurteilung einer verbesserten Arbeitsfähigkeit sich "aus einer anderen
Bemessung des somatoformen Anteils am Schmerzgeschehen" ergebe. Die
entsprechende Diagnose wurde also bei der Beurteilung des Schmerzgeschehens
mitberücksichtigt, wobei der neben dem orthopädischen Anteil bestehende
somatoforme Anteil am gesamten Schmerzgeschehen neu bewertet und tiefer
gewichtet wurde.

4.3 Für die Details der psychiatrischen Einschätzung verwies das Gutachten
zudem auf den psychiatrischen Konsiliarbericht von Dr. med. B.________,
Spezialarzt FMH für Psychiatrie, vom 22. März 2002, in dem geschildert worden
war, der Beschwerdeführer habe während der Untersuchung keine
Schmerzäusserung gezeigt und sei während einer Stunde still gesessen, bevor
er dann fast unauffällig aufgestanden sei. Er habe sich mit Begeisterung über
das Fahrzeugnavigationssystem ausgelassen und dabei gelacht. Stellt man
diesen Beobachtungen den vom Beschwerdeführer herangezogenen Bericht des
Psychiatrischen Zentrums C.________ über die psychodiagnostische Untersuchung
im Oktober/November 1996 gegenüber, zeigt sich klar - und dies ist der für
die revisionsrechtliche Beurteilung im Rahmen von Art. 41 IVG entscheidende
Punkt -, dass in psychischer und physischer Hinsicht tatsächlich eine
Besserung der Gesundheit eingetreten sein muss: In dem Bericht aus der Zeit
der urspünglichen Rentenverfügung war noch geschildert worden, dass sich der
Versicherte sehr langsam bewegte, mit leiser Stimme sprach und sich
zurückhaltend und fast etwas fügsam verhielt. Mit Rücksicht auf seinen
körperlichen Zustand mussten zudem während der psychologischen Testungen
jeweils mehrere Pausen eingelegt werden, damit er sich dazwischen etwas
bewegen konnte. Auch nach dem Bericht des Psychiatrischen Zentrums C.________
vom 16. Dezember 1997 war der Beschwerdeführer im Habitus noch immer sehr
verlangsamt und er schleppte sich nur mühsam und unter sichtbaren Schmerzen
voran. Alle diese Einschränkungen lassen sich dem Gutachten des Zentrum
A.________ vom 20. April 2002 nicht mehr entnehmen.

4.4 Der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss erhobene Einwand, da
der Gutachter des Zentrums A.________ Dr. med. B.________ die 1996 im
Psychiatrischen Zentum C.________ durchgeführten Testungen nicht wiederholt
habe, sei es nicht möglich, zu beurteilen, ob sich die kognitiven Fähigkeiten
in der Zwischenzeit verbessert hätten, dringt nicht durch. Dem Psychiater
lagen die medizinischen Akten bei der Begutachtung vor, und es war ohne
weiteres möglich, im Gespräch einen Vergleich anzustellen. Wie zudem aus dem
Bericht hervorgeht, hat er im Assessment ebenfalls Tests durchgeführt.
Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers wurde er im psychiatrischen
Begleitbericht zum Gutachten des Zentrum A.________ nicht als "deprimierte
Persönlichkeit mit Hoffnungslosigkeit und Ängstlichkeit" beschrieben, sondern
es wurde lediglich angeführt, sein Zustand habe "sich im AMDP-Inventar als
leicht deprimiert, mit leichter Hoffnungslosigkeit und leichter Ängstlichkeit
präsentiert". Auch wird ihm nach dem Gutachten nicht zugemutet, auf dem
Arbeitsmarkt eine volle Arbeitsleistung zu erbringen, sondern seine
Arbeitsfähigkeit in der letzten Tätigkeit als Personenwagenchauffeur ist auf
70 % und in einer angepassteren Tätigkeit (ohne Tragen oder Heben von
schweren Lasten) auf 80 % festgelegt werden. Entgegen seien Ausführungen hat
die Vorinstanz nirgends anerkannt, dass für ihn "auf Grund seiner multiplen
physischen und psychischen Beschwerden jedwelche Tätigkeit als
Personenwagenchauffeur mit einem Pensum von über 30 % nicht mehr in Frage
komme". Sie hat in diesem Zusammenhang bloss festgestellt, die ausgeübte
Tätigkeit als Personenwagenchauffeur sei seiner Behinderung nicht optimal
angepasst.

4.5 Die angerufenen Berichte des Hausarztes Dr. med. E.________, Facharzt FMH
für Innere Medizin, vom 12. Juli 2000 und des SUVA-Kreisarztes Dr. med.
F.________, Facharzt FMH für Chirurgie vom 5. Juni 2000 wurden knapp ein
halbes Jahr nach dem zweiten Verkehrsunfall und auch im Rückblick auf diesen
verfasst. Das Gutachten des Zentrums A.________ wurde erst zweieinhalb Jahre
nach dem zweiten Unfall erstattet und bildet den im vorliegenden Zusammenhang
zeitlich relevanten Sachverhalt - anders als die beiden früheren Berichte -
aktuell ab. Auch mit dem mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingelegten
Brief von Dr. med. E.________ vom 30. Dezember 2002 sind die von den
Gutachtern gemachten Feststellungen über die eingetretene Besserung der
physischen und psychischen Leiden des Beschwerdeführers nicht zu entkräften,
hat doch Dr. med. E.________ die Schätzung einer Arbeitsfähigkeit von 50 %
nicht begründet.

5.
Ist somit revisionsrechtlich neu von einem körperlichen und psychischen
Leistungsvermögen auszugehen, wie in Erw. 4.4 umschrieben, lässt sich der
Rentenanspruch nicht länger aufrechterhalten. Da die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesbezüglich den kantonalen Entscheid nicht
substanziell in Frage stellt und auch nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte
für eine abweichende Beurteilung des Invaliditätsgrades (Art. 28 IVG)
bestehen (BGE 110 V 53), ist auf die vorinstanzlichen Erwägungen zum
Einkommensvergleich zu verweisen, denen das Eidgenössische
Versicherungsgericht beipflichtet.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung und zugestellt.

Luzern, 28. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: