Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 192/2003
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I 192/03

Urteil vom 28. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Durizzo

I.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle
A.________,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 11. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
I. ________, geboren 1956, meldete sich am 3. Juli 2001 unter Hinweis auf
Beschwerden nach zwei Unfällen vom 9. Februar 1998 (Zürich Versicherung) und
6. Dezember 1999 (SUVA) sowie Diabetes bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog die Unfallakten bei,
holte Berichte des Spitals Z.________ vom 9. August 2001 und der
Orthopädischen Klinik X.________ vom 22. August 2001 ein und klärte die
erwerbliche Situation ab. Mit Verfügung vom 15. Februar 2002 sprach sie dem
Versicherten mit Wirkung ab 1. Dezember 2000 eine bis zum 30. Juni 2001
befristete halbe Invalidenrente zu.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher I.________ die Zusprechung
einer ganzen Rente ab 1. Dezember 2000, eventualiter eine polydisziplinäre
Untersuchung beantragte, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 11. Februar 2003 ab.

C.
I.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Zusprechung
einer ganzen Invalidenrente ab 1. Dezember 2000 beantragen.
Während die IV-Stelle des Kantons Zürich auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zu den
Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis
IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung), zur Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002
gültig gewesenen Fassung; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b), zur
rückwirkenden Rentenzusprechung (Art. 41 IVG in der bis 31. Dezember 2002
gültig gewesenen Fassung und Art. 87 ff. IVV; BGE 125 V 418 Erw. 2d, 121 V
275 Erw. 6b/dd) und zur richterlichen Beweiswürdigung von Arztberichten (BGE
125 V 352 Erw. 3a und b mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt
bezüglich der (Nicht-)Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die mit der
4. IV-Revision auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Bestimmungen keine
Anwendung finden.

2.
Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, er leide - nebst den Unfallfolgen -
an starken Depressionen, Diabetes, Knochen- und Gelenkschmerzen,
Gleichgewichtsstörungen sowie neurologischen Ausfällen, was Verwaltung und
Vorinstanz nicht berücksichtigt hätten.

2.1 Hinsichtlich der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. Juni 2001, für die
dem Versicherten eine halbe Invalidenrente zugesprochen wurde, fehlt es an
einer stichhaltigen Begründung des Antrags auf eine ganze Rente. Die vom
Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerden werden im Bericht des Spitals
Z.________ vom 9. August 2001, wo er seit März 2000 betreut worden war, mit
Ausnahme des Diabetes, nicht genannt. Lediglich die hier nicht streitigen
Beschwerden am linken Ellbogen wirkten sich nach Einschätzung der Ärzte auf
die Arbeitsfähigkeit aus. Insbesondere ein invalidisierendes psychisches
Leiden war damals nicht aktenkundig. Sein Antrag auf Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. Juni 2001 ist
daher unbegründet.

2.2 Zu prüfen bleibt, ob die Rente zu Recht bis zum 30. Juni 2001 befristet
wurde.
Der Beschwerdeführer hat im Vorbescheidverfahren geltend gemacht, seine
Beschwerden seien rheumatischer, psychologischer und internistischer Natur,
und er beantragte die Einholung eines Berichts des Dr. med. S.________,
Psychiatrie/Psychotherapie FMH, da das psychische Leiden nicht abgeklärt
worden sei. Die Vertrauensärztin der IV-Stelle, Frau Dr. med. G.________, war
demgegenüber der Meinung, dass keine Hinweise für ein psychisches Leiden
bestünden, weshalb eine psychiatrische Begutachtung nicht erforderlich sei
(Stellungnahme vom 30. November 2001). Entgegen ihrer Annahme war das
Vorliegen von psychischen Beschwerden jedoch auf Grund des Schreibens der
Frau Dr. med. F.________, Neurologie, EEG, vom 4. September 2001 nicht
auszuschliessen. Diese teilte lediglich mit, dass sie den Versicherten erst
seit Juni 2001 kenne und die gestellten Fragen noch nicht beantworten könne.
Vor Erlass der Verfügung vom 15. Februar 2002 hätte die IV-Stelle daher
nochmals rückfragen müssen, zumal es, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt,
am 9. September 2002 doch zur Einholung eines psychiatrischen Berichts
gekommen ist. Aus dem Bericht der Frau Dr. med. F.________ vom 16. Oktober
2001 an die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ist ersichtlich,
dass die behandelnde Ärztin den Beschwerdeführer dem Psychologen lic. phil.
H.________ für eine Exploration vorgestellt hatte. Dieser habe den Verdacht
auf eine Persönlichkeitsstörung gestellt und eine psychiatrische Betreuung in
der Muttersprache vorgeschlagen, worauf sich der Versicherte in die
Behandlung durch Dr. med. S.________ begeben habe.
Der Beschwerdeführer legt letztinstanzlich einen zuhanden der
Beschwerdegegnerin auf deren schon erwähnte Anfrage vom 9. September 2002 hin
erstatteten Bericht des Dr. med. S.________ vom 13. Februar 2003 ins Recht,
welcher ihm eine 70%ige Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. Oktober 2001, dem
Zeitpunkt des Behandlungsbeginns, attestiert. Wenn dieser Bericht auch in der
Diagnosestellung zu wenig präzis ist ("Symptome einer Depression", "Vermutung
einer Persönlichkeitsstörung"), und die Tragweite der psychischen Befunde
unklar bleibt, so enthält er doch Anhaltspunkte für eine psychische
Fehlentwicklung, welche nähere Abklärungen rechtfertigen: Immerhin
rapportiert der behandelnde Arzt eine andauernde depressive Störung mit zum
Teil psychotischen Symptomen auf dem Boden einer schizoiden Persönlichkeit
sowie ein chronifiziertes Schmerzsyndrom. Wie es sich damit bis zum Zeitpunkt
der Verfügung vom 15. Februar 2002 verhalten hat, bleibt nach Lage der Akten
offen. Die Verwaltung wird daher zur Klärung dieser Frage ein psychiatrisches
Gutachten beiziehen und erneut über den Anspruch des Beschwerdeführers auf
eine Invalidenrente ab dem 1. Juli 2001 befinden.

3.
Bei diesem Prozessausgang hat der Beschwerdeführer Anspruch auf
Parteientschädigung, welche in Anbetracht des vor- und letztinstanzlich aus
den Akten resultierenden Aufwandes für beide Verfahren auf insgesamt Fr.
500.- festgelegt wird (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1-3 und Abs.
6 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Februar
2003 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 15. Februar 2002
aufgehoben werden, soweit damit über die Invalidenrente ab dem 1. Juli 2001
befunden wird, und es wird die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich
zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen,
über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Invalidenrente ab diesem
Zeitpunkt neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das gesamte
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 28. Mai 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: