Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 17/2003
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I 17/03

Urteil vom 8. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin
Polla

R.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso
Glavas, Markusstrasse 10, 8006 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach dem 1958 geborenen R.________
verfügungsweise am 23. Mai 2000 mit Wirkung ab 1. November 1998 eine halbe
Invalidenrente zu, was sie im Rahmen eines Revisionsgesuchs bestätigte
(Verfügung vom 14. September 2001).

B.
Die gegen die Verfügung vom 14. September 2001 erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat.
Ferner überwies es die Akten an die IV-Stelle, damit diese über einen
allfälligen Anspruch auf berufliche Massnahmen befinde (Entscheid vom 26.
November 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ sinngemäss beantragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Streitsache unter Vornahme
einer polydisziplinären medizinischen Abklärung zur Neubeurteilung an die
IV-Stelle zurückzuweisen; eventualiter sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen.
Weiter wird für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
die unentgeltliche Verbeiständung beantragt.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff
der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten (Einkommensvergleichsmethode [Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136
Erw. 2a und b]) und die Revision der Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 113 V
275 Erw. 1a, 112 V 373 Erw. 2b und 387 Erw. 1b) sowie die dabei zu
vergleichenden Sachverhalte (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis, 112 V 372 Erw.
2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 14.
September 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob seit der erstmaligen rechtskräftigen
Zusprechung der halben Invalidenrente durch Verfügung vom 23. Mai 2000 bis
zum Erlass der die revisionsweise Erhöhung ablehnenden, vorinstanzlich
bestätigten Verfügung vom 14. September 2001 Änderungen in den tatsächlichen
Verhältnissen eingetreten sind, welche nunmehr gestützt auf Art. 41 IVG den
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründen würden.

2.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes
geltend. Er stützt sich dabei auf die Berichte des Dr. med. K.________,
Allgemeine Medizin, vom 12. Dezember 2000 und des Dr. med. R.________,
orthopädische Chirurgie, vom 9./ 10. Januar 2001. Dieser erhebt den Befund
einer Diskopathie L4/5 und L5/S1, eines chronifizierten lumbalen
Schmerzsyndroms sowie einer radiologisch kleineren paramedianen Diskushernie
L5/S1 links. Der Hausarzt Dr. med. K.________ diagnostiziert ein
lumbospondylogenes Syndrom links bei Diskushernie L5/S1 und berichtet von
einem stationären, sich seit dem letzten Bericht im Juli 1999 nicht
veränderten Zustand des Versicherten, wobei dieser über heftige
Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins linke Bein klage. In seiner
Stellungnahme vom 6. Juli 1999, welche die IV-Stelle bezüglich des
Gesundheitszustandes und der daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit ihrer
ursprünglichen Rentenverfügung zu Grunde legte, erachtet Dr. med. K.________
eine körperlich leichte, wechselbelastende und nicht ausschliesslich sitzende
Tätigkeit ohne Heben von Gewichten über wenige Kilogramm im Umfang von 50 %
für zumutbar, woran er auch in seinem neuen Bericht vom 12. Dezember 2000
festhält. Dr. med. R.________ äussert sich zu den Funktionseinschränkungen
dahingehend, dass er keinen Beruf wisse, welchen der Versicherte ausüben
könne. Da er keine operativen Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation
sehe, empfehle er die Zusprechung einer vollen Rente, zumal ein im Rahmen der
Arbeitslosenversicherung durchgeführter Arbeitsversuch nach einem Monat wegen
der Schmerzen habe abgebrochen werden müssen. Hierbei gilt es aber zu
beachten, dass es nicht Aufgabe des Arztes ist, den Invaliditätsgrad zu
bestimmen, sondern dies obliegt der Verwaltung und im Bestreitungsfalle den
Gerichten (vgl. BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c,
105 V 158 Erw. 1). Aus seinem Schreiben vom 22. Mai 2001 an die IV-Stelle
ergibt sich zudem, dass er den Versicherten eigentlich ebenfalls nicht zu 100
% arbeitsunfähig schätzt, sondern eine 100%ige Rente lediglich zur
Verhinderung der Sozialhilfeabhängigkeit zu sprechen wäre. Vielmehr hält auch
er eine 50%ige Arbeitsfähigkeit gestützt auf die medizinischen Fakten für
gerechtfertigt.

2.2 Das zuhanden der Verwaltung im Rahmen des Revisionsverfahrens erstattete
rheumatologische Gutachten der Klinik X.________ vom 9. März 2001 nennt als
Diagnosen ein lumbospondylogenes Syndrom linksbetont mit Symptomausweitung,
wobei die geäusserten Beschwerden insgesamt als einigermassen glaubhaft
bezeichnet werden, wenn auch nicht ganz in der vorgetragenen Intensität. Die
Ärzte betrachten den Versicherten vor allem aufgrund der Dekonditionierung in
seinem ursprünglichen Beruf als Gipser zu 100 % arbeitsunfähig. Die
Arbeitsfähigkeit bei einer leichten körperlich wechselbelastenden Arbeit mit
Lastenheben bis 10 kg sei ebenfalls aufgrund der Dekonditionierung um 50 %
reduziert. Entgegen dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen
Einwand ist die Frage der zumutbaren Restarbeitsfähigkeit für den hier
massgebenden Zeitraum bis Verfügungserlass am 14. September 2001 (BGE 121 V
266 Erw. 1b mit Hinweisen) genügend abgeklärt. Namentlich durften Vorinstanz
und Verwaltung aufgrund der verfügbaren medizinischen Unterlagen davon
ausgehen, dass ein zusätzliches psychiatrisches Gutachten bezüglich der
erwerblichen Einschränkung keine neuen, entscheidwesentlichen Gesichtspunkte
zutage bringen würde. Die Ärzte der Klinik X.________ erachteten zwar im
rheumatologischen Gutachten als begleitende Massnahme den Besuch bei einem in
der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen versierten
Psychologen/Psychiater zur Erlernung der Schmerzbewältigungsstrategien und
Veränderung seiner Verhaltensweise als angezeigt. Darüber hinaus ergeben sich
aus den Akten jedoch keine Anhaltspunkte für ein - von der von Dr. med.
R.________ und Dr. med. K.________ erwähnten psychosozialen
Belastungssituation unterscheidbares und in diesem Sinne verselbstständigtes
- psychisches Leiden mit Krankheitswert (BGE 127 V 299 Erw. 5a), welches
mittels eines psychiatrischen oder polydisziplinären Gutachtens näher
abzuklären wäre (AHI 2000 S. 159 Erw. 4b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V
298 Erw. 4c mit Hinweisen; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b). Da von weiteren
Sachverhaltsabklärungen keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, ist von
einer Rückweisung der Streitsache an die Verwaltung abzusehen.
Zusammenfassend ergibt sich damit keine Verschlechterung des
Gesundheitszustandes im Sinne von Art. 41 IVG, woran die kurze und nicht
stichhaltige Stellungnahme des Dr. med. R.________ vom 9./10. Januar 2001
nichts zu ändern vermag, zumal er, wie dargelegt, die Annahme einer 50%igen
Arbeitsfähigkeit ebenfalls für gerechtfertigt hält.

3.
In erwerblicher Hinsicht hat sich ebenfalls nichts geändert. Soweit der
Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz habe - indem sie von einem um
Fr. 2'830.- höheren Invalideneinkommen ausging - eine unzulässige reformatio
in peius vorgenommen, kann ihm nicht gefolgt werden, da der das
Verfügungsdispositiv bestätigende vorinstanzliche Entscheid die
Rechtsstellung des Versicherten nicht verschlechtert. Auch kann der in diesem
Zusammenhang vorgebrachte Einwand des Beschwerdeführers, es sei ein
leidensbedingter Abzug von mindestens 20 % angebracht, nicht gehört werden.
Denn im Rahmen eines Revisionsverfahrens erfolgt die Invaliditätsbemessung
nicht von Grund auf neu, vielmehr ist - da zu Recht nicht geltend gemacht
wird, die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung oder prozessuale Revision
(vgl. BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen) der Verfügung vom 23. Mai 2000
seien gegeben - nur abzuklären, ob sich im Vergleich zu den in diesem
Zeitpunkt herrschenden tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche
Veränderung ergeben hat (Erw. 2).

4.
Weiter ist die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz hätte aufgrund der
Priorität der Eingliederungsberechtigung vor dem Rentenanspruch nicht über
die Rentenfrage entscheiden dürfen, da noch nicht über den
Eingliederungsanspruch verfügt worden sei, unbegründet. Es ist nicht zu
beanstanden, dass das kantonale Gericht nur über den Rentenanspruch
entschied, da einzig dieser in dem hier (unter revisionsrechtlichen
Gesichtspunkten) zu beurteilenden Fall Thema des kantonalen Prozesses bildete
und die Voraussetzungen (Tatbestandsgesamtheit, Spruchreife, Prozesserklärung
der Verwaltung) für eine Ausdehnung des Prozessthemas auf die
Eingliederungsfrage nicht gegeben waren (BGE 122  36 Erw. 2a mit Hinweisen;
Urteil V. vom 20. August 2002, I 347/00). Soweit ein Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen geltend gemacht wird, fragt sich zudem, ob es dem
Versicherten während des Verwaltungsverfahrens zur erstmaligen Rentenprüfung
nicht offensichtlich an der Eingliederungsbereitschaft fehlte (vgl. ZAK 1991
S. 178).

5.
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung
mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht
als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202
Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf
Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande
ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr.
Kreso Glavas für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes und dem Bundesamt
für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

6.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

7.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr.
Kreso Glavas für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

8.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: