Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 173/2003
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I 173/03

Urteil vom 10. Oktober 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

D.________, 1973, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 29. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
D. ________ ist 1973 geboren und hat seine Ausbildung als Hafner/
Plattenleger im Jahre 1995 abgeschlossen. Seitdem arbeitet er in diesem Beruf
bei der seinem Bruder M.________ gehörenden Firma X.________. Am 24. April
2001 meldete sich D.________ bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung
wegen zunehmenden Rückenbeschwerden bei der Arbeit zur Berufsberatung und
Umschulung auf eine neue Tätigkeit an. Die IV-Stelle Schwyz wies das
Leistungsbegehren mit Verfügung vom 3. August 2001 ab. Das Verwaltungsgericht
Schwyz hob mit seinem Entscheid vom 21. November 2001 diesen Verwaltungsakt
auf und wies die Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung und
Neubeurteilung an die IV-Stelle zurück. Erstere wurde bei der Rheumaklinik
und dem Institut für physikalische Medizin Y.________ in Auftrag gegeben. Dr.
med. T.________, Assistenzärztin, und Dr. med. K.________, Oberarzt,
erstatteten am 30. Mai 2002 Bericht. Das Gutachten basiert auch auf einer
Evaluation der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit, welche am
Institut vom Physiotherapeuten H.________ durchgeführt worden war. Die
IV-Stelle wies mit Verfügung vom 27. August 2002 das Gesuch um berufliche
Massnahmen wiederum ab, da - bei einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit in der
angestammten Tätigkeit von 30% - gemäss Gutachten vom 30. Mai 2002 nach der
Durchführung eines mehrmonatigen muskelaufbauenden Trainings sowie einer
Gewichtsreduktion wiederum mit einer vollen Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz aus der Erwägung heraus ab, auf das Gutachten vom 30. Mai 2002 sei
hinsichtlich der Prognose einer vollen Arbeitsfähigkeit nicht abzustellen;
der Anspruch auf eine Umschulung entfalle hingegen mangels eines
Invaliditätsgrades von mindestens 20% (Entscheid vom 29. Januar 2003).

C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es
seien ihm in Aufhebung des Entscheides vom 29. Januar 2003 berufliche
Massnahmen der Invalidenversicherung zuzusprechen.
Während die IV-Stelle Schwyz auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen betreffend den Anspruch
auf berufliche Massnahmen der Invalidenversicherung (Art. 8 Abs. 1 und Art.
17 Abs. 1 IVG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 124 V 108), über
den Beweiswert eines Arztberichtes (AHI 1997 S. 121) sowie über die
Anwendbarkeit des seit 1. Januar 2003 geltenden Bundesgesetzes über den
allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; BGE
129 V 4 Erw. 1.2) richtig wiedergegeben. Es wird darauf verwiesen.

2.
Streitgegenstand ist der Anspruch auf Umschulung. Während die IV-Stelle
diesen in der Ablehnungsverfügung mit der Begründung verneint hat, der
Beschwerdeführer wäre bei konsequentem Muskelaufbautraining nach den Angaben
im rheumatologischen Gutachten vom 30. Mai 2002 in der Lage, bei wesentlich
verbesserter Schmerzsituation seinen angestammten Beruf als
Hafner/Plattenleger ohne wesentliche Einschränkung auszuüben, hat das
kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid erkannt, dass der Versicherte in
seinem erlernten und seit vielen Jahren ausgeübten rückenbelastenden Beruf
aus medizinischer Sicht nicht genügend eingegliedert ist. Wenn das kantonale
Gericht trotzdem zur Abweisung der Beschwerde gelangt ist, dann über den Weg
einer substituierten Begründung, indem es angenommen hat, der
Beschwerdeführer erleide trotz der Unmöglichkeit, seinen bisherigen Beruf
weiterhin auszuüben, bei optimaler Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit auf
dem ausgeglichenen allgemeinen Arbeitsmarkt keine gesundheitlich bedingte
Erwerbseinbusse von mindestens 20%, wie es die Rechtsprechung zu Art. 17 IVG
verlangt.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat einen Invaliditätsgrad von 12 % ermittelt.
Dieser ergibt sich aus dem Vergleich von Fr. 65'000.-, welche, so die
Vorinstanz, der Beschwerdeführer im Gesundheitsfall durch ungehinderte
Ausübung seines bisherigen Berufes erzielen würde, im Vergleich zu Fr.
57'031.-, darstellend das auf das Jahr 2001 und die durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit aufgerechnete Tabelleneinkommen laut Zentralwert der
Tabelle A1 der Lohnstrukturerhebung (LSE) 2000 des Bundesamtes für Statistik
[Anforderungsstufe 4 (Hilfsarbeit)].

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird eine Reihe von Argumenten
vorgetragen, welche unbegründet sind und diesen Einkommensvergleich nicht in
Frage zu stellen vermögen. Namentlich entspricht es ständiger Rechtsprechung
zu Art. 28 Abs. 2 IVG, dass der Versicherte im Rahmen seiner
Schadenminderungspflicht auch gehalten ist, unqualifizierte Tätigkeiten
(Hilfsarbeiten) auszuüben, d.h. sich das in einem solchen beruflichen Umfeld
erzielbare Einkommen anrechnen zu lassen, wenn es aus gesundheitlicher Sicht
zumutbar ist. Demgemäss ist gegen das vorinstanzliche Vorgehen, das
Invalideneinkommen mittels statistischer Werte zu erheben, grundsätzlich
nichts einzuwenden. Hingegen ist bei Ermittlung des hypothetischen
Invalideneinkommens unter Einbezug der LSE rechtsprechungsgemäss ein
prozentualer Abzug vorzunehmen, wenn ein Versicherter aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr uneingeschränkt einsetzbar ist (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5).
Dies wird in einer erneuten Berechnung des Invaliditätsgrades zu
berücksichtigen sein (vgl. nachfolgende Erwägung 3.3).
3.3 Unklar bleibt nach der Aktenlage indes die Frage nach dem erzielbaren
Valideneinkommen. Das kantonale Gericht hat dieses durch Extrapolation des
zuletzt erzielten Verdienstes in dem vom Beschwerdeführer gemeinsam mit
seinem Bruder betriebenen Geschäft ermittelt. Zu den Einwänden in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wonach dieses zuletzt tatsächlich erzielte
Einkommen schon unter dem Einfluss der funktionellen Limitierungen seitens
des Rückens stehe und dass der Beschwerdeführer im Gesundheitsfall den
Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hätte (wie sein Bruder), was ihm der
Gesundheitsschaden verunmögliche, nimmt das kantonale Gericht in der
Vernehmlassung nicht Stellung. In der Tat ist die Frage nach dem im
Gesundheitsfall im Zeitpunkt des mutmasslichen Rentenbeginns erzielbare
Einkommen durch die vorhandenen Akten nicht genügend belegt. Die IV-Stelle
wird zu dieser Frage ergänzende Abklärungen vornehmen und danach über den
Umschulungsanspruch, unter Beachtung der weiteren gesetzlichen Erfordernisse
(Art. 8 Abs. 1 IVG), erneut befinden.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Ausgang des Prozesses
entsprechend steht dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
zu (Art. 159 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 29. Januar 2003 und
die Ablehnungsverfügung vom 27. August 2002 aufgehoben werden und dass die
Sache an die IV-Stelle Schwyz zurückgewiesen wird, damit sie, nach
Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den Umschulungsanspruch neu
verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die IV-Stelle hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wird über eine Parteientschädigung
für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 10. Oktober 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: