Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 156/2003
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I 156/03

Urteil vom 11. Juli 2003
II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard;
Gerichtsschreiberin Hofer

C.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli
Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 24. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1954 geborene C.________ war seit März 1977 in der W.________ AG als
Vorarbeiter im Hochbau tätig. Nachdem er am 31. Dezember 1999 und am 10.
Januar 2000 Herzinfarkte erlitten hatte, meldete er sich am 26. September
2000 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
Zürich holte den Arztbericht des Dr. med. H.________ vom 11. Oktober 2000 und
den Abklärungsbericht des Spitals T.________ vom 6. Februar 2001 ein und
klärte die beruflichen Verhältnisse ab. Im Rahmen des Vorbescheidverfahrens
veranlasste sie das internistisch-rheumatologische Gutachten von Dres. med.
F.________ und M.________ vom 28. September 2001. Zudem zog sie die Berichte
des Spital L.________ vom 4. und 10. Dezember 2001 sowie den Arztbericht des
Dr. med. H.________ vom 7. Januar 2002 bei. Mit Verfügung vom 5. April 2002
verneinte sie bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 15 % den
Leistungsanspruch.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Januar 2003 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ die Zusprechung einer
Invalidenrente beantragen; eventuell sei die Sache zur ergänzenden Abklärung
an die Verwaltung zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im angefochtenen Entscheid werden die Grundsätze betreffend den
Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art.
28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 128 V
30 Erw. 1, 104 V Erw. 2a und b), die Aufgabe des Arztes und der Ärztin im
Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4) und die Würdigung
ärztlicher Berichte und Gutachten (vgl. auch BGE 125 V 352 Erw. 3) zutreffend
wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Beizupflichten ist der Vorinstanz auch
darin, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) im
vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt, da die streitige Verfügung vom
5. April 2002 vor dessen In-Kraft-Treten ergangen ist (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
2.1 Das kantonale Gericht ging in einlässlicher Würdigung der medizinischen
Unterlagen und insbesondere gestützt auf das Gutachten Dres. med. F.________
und M._______ vom 28. September 2001 davon aus, dass der an einer koronaren
Zweigefässerkrankung und einem Panvertebralen Syndrom leidende Versicherte in
seiner angestammten Tätigkeit zwar voll arbeitsunfähig sei, eine
behinderungsangepasste, körperlich leichte Arbeit indessen zu 100 % ausüben
könne. Limitierend wirke sich ausschliesslich der kardiologische Befund aus,
während aus rheumatologischer Sicht keine Einschränkungen mit Bezug auf eine
sitzende oder stehende Tätigkeit mit Heben von Gewichten von 5 kg bis
Lendenhöhe und manchmal bis 10 kg, sowie für vorgeneigtes Sitzen und Stehen
bestünden. Damit im Einklang steht auch der Bericht der Ärzte des Spitals
T.________ vom 6. Februar 2001, welche am 15. November 2000 eine
kardiologische Abklärung und Nachkontrolle durchgeführt haben.

In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, das Gutachten vom
September 2001 lasse unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im November
2001 wegen einer plötzlichen Bewusstlosigkeit notfallmässig habe
hospitalisiert werden müssen, wobei die in der Folge mit ihm befassten Ärzte
lediglich noch von einer Arbeitsfähigkeit von 50 % für leichtere Tätigkeiten
ausgegangen seien.

2.2 Bereits das kantonale Gericht hat sich mit der nachträglichen
unterschiedlichen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit befasst und ist dabei zum
Ergebnis gekommen, dass diese das schlüssige und einlässlich begründete
Gutachten vom 28. September 2001, welchem nach den von der Rechtsprechung
entwickelten Kriterien voller Beweiswert zukommt (BGE 125 V 352), nicht in
Frage zu stellen vermag. Das Eidgenössische Versicherungsgericht pflichtet
diesem Ergebnis bei. Ergänzender Abklärungen bedarf es nicht. Dr. med.
H.________ hat vor und nach dem Ereignis vom November 2001 zum
Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und dessen Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit Stellung genommen. Während er im Arztzeugnis vom 11. Oktober
2000 eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit in einer behinderungsangepassten
Tätigkeit attestierte, welche nach Möglichkeit zumindest zeitweilig sitzend
erfolgen sollte und welche keine Tragbelastung beinhaltet, ging er im
Arztzeugnis vom 7. Januar 2002 von einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit für eine
leichte, körperlich nicht belastende Beschäftigung aus. Weshalb er zu dieser
gegenüber seiner früheren Beurteilung abweichenden Einschätzung kommt, legt
er nicht dar. Sie ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil er zum einen
ausdrücklich darauf hinweist, dass seit seinem letzten Bericht keine
dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist und zum
andern die Bewusstlosigkeit unklaren Ursprungs vom November 2001 als die
Arbeitsfähigkeit nicht beeinflussend bezeichnet. Die eingehenden Abklärungen
im Spital L.________ hatten gemäss den Berichten vom 23. November und 4.
Dezember 2001 zu keiner zusätzlichen Diagnose geführt, und sie konnten auch
keine Hinweise auf die Ursache für die plötzliche Bewusstlosigkeit zu Tage
fördern. Die Myokard-Perfusionsszintigraphie vom 27./28. November 2001 zeigte
keine Re-Stenose im RIVA-Stromgebiet und auch die bereits früher beschriebene
RCA-Stenose äusserte sich nicht durch eine messbare Ischämie. Die
linksventrikuläre Funktion wurde als mittelschwer bis schwer eingeschränkt
bezeichnet. Die Gutachter Dres. med. F.______ und M.________ gingen damit
übereinstimmend von der Bandbreite einer mässiggradigen, nicht aber einer
schwersten Einschränkung der linksventrikulären Gesamtfunktion aus, und
bezeichneten die koronare Herzkrankheit als bedeutend. Der Versicherte schone
sich jedoch zu sehr und sei stark übergewichtig. Weshalb Dr. med. N.________
vom Spital L.________ trotz gleichem Befund, abweichend vom
internistisch-rheumatologischen Gutachten, von einer lediglich 50 %igen
Arbeitsfähigkeit für leichtere Tätigkeiten ausgeht (vgl. Bericht vom 10.
Dezember 2001), begründet er nicht. Die - von Dr. med. H.________ im
Arztbericht vom 7. Januar 2002 übernommene - Bezifferung "dürfte eine 50 %ige
Arbeitsfähigkeit bestehen" ist zudem äusserst vorsichtig formuliert und wird
offenbar vom Finden einer angepassten Tätigkeit abhängig gemacht. Konkrete
Indizien, welche gegen die Zuverlässigkeit der ausführlichen, auf die
konkrete Behinderung eingehende und differenziert begründete Expertise vom
28. September 2001 sprechen würden, lassen sich den beiden sich im
Wesentlichen auf die Festlegung einer Prozentzahl beschränkenden
nachträglichen Kurzbeurteilungen von Dres. med. H.________ und N.________
nicht entnehmen. Angesichts des umfassenden und einleuchtenden Gutachtens ist
jedenfalls nicht nachvollziehbar, weshalb bei gleichem Befund nur wenige
Monate später lediglich noch von einer hälftigen Arbeitsfähigkeit auszugehen
ist.

3.
Zu prüfen bleibt, ob die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitsbedingten
Verminderung des Leistungsvermögens ein Ausmass erreichen, das Anspruch auf
eine Invalidenrente zu begründen vermag.

3.1 Nach der Rechtsprechung sind für den Einkommensvergleich die Verhältnisse
im Zeitpunkt des Beginns eines allfälligen Rentenanspruchs massgebend;
Validen- und Invalideneinkommen sind dabei auf zeitidentischer Grundlage zu
erheben und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis
zum Verfügungserlass zu berücksichtigen (BGE 128 V 174). Gestützt auf das
internistisch-rheumatologische Gutachten vom 28. September 2001 ist davon
auszugehen, dass die gesundheitliche Behinderung seit dem ersten Herzinfarkt
von Ende Dezember 1999 besteht. Gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 IVG
fällt ein allfälliger Rentenbeginn daher in den Monat Dezember 2000. Spätere
entscheidrelevante Tatsachen ergeben sich weder aus den Akten, noch werden
solche vom Beschwerdeführer - der von einer Berechnung gestützt auf
Vergleichseinkommen aus dem Jahre 2002 ausgehen will - angeführt.

3.2 Hinsichtlich des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität
(Valideneinkommen) ist von den Gegebenheiten während des letzten
Arbeitsverhältnisses auszugehen (vgl. BGE 126 V 76 Erw. 3a; AHI 2000 S. 302
Erw. 3a).

Die Vorinstanz legte dem Valideneinkommen gestützt auf die Angaben im
Fragebogen für den Arbeitgeber vom 11. Oktober 2000, ausgehend vom dort
genannten monatlichen Einkommen von Fr. 5355.-, einen Jahreslohn von Fr.
69'615.- (Fr. 5355.- x 13) zugrunde.

Nach Auffassung des Versicherten wird damit dem Umstand nicht Rechnung
getragen, dass er im Jahr 1997 1803, im Jahr 1998 1852.5 und im Jahr 1999
1949 Arbeitsstunden und somit mehr als die eigentliche Jahresarbeitszeit von
1790 Stunden (221 Arbeitstage x 8.1 Stunden) geleistet hat. Dem ist vorerst
entgegenzuhalten, dass sich bei einer 5-Tage-Woche die Anzahl Arbeitstage auf
21.75 im Monat oder 261 (Ferien und bezahlte Feiertage inbegriffen) im Jahr
beläuft (365 Tage / 52 Sonntage / 52 Samstage = 261 Tage : 12 = 21.75; vgl.
AHI 2000 S. 302 Erw. 3a) und nicht auf 221 Arbeitstage, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ohne nähere Begründung - angeführt wird. Bei
261 Arbeitstagen resultiert eine Jahresstundenzahl von 2114 Stunden (8.1
Stunden x 261). Massgebend für die Berücksichtigung von Überstunden ist, ob
die versicherte Person aufgrund ihrer konkreten erwerblichen Situation und
ihres tatsächlichen Arbeitseinsatzes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein
Zusatzeinkommen zufolge Überstundenarbeit hätte erzielen können (RKUV 1989
Nr. U 69 S. 181 Erw. 2c). Ein solcher Zusatzverdienst ist mit Bezug auf die
bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht rechtsgenüglich nachgewiesen.
Die durchschnittliche Arbeitszeit des Versicherten vor Eintritt der
Behinderung wird von der Arbeitgeberin auf 8.1 Stunden an 5 Tagen pro Woche
beziffert. Aus der Jahresstundenangabe allein kann nicht auf ein
Zusatzeinkommen aus Überstunden geschlossen werden. Wenn der 13. Monatslohn
dem normalen Monatslohn entspricht, hätte der Versicherte nämlich im Jahre
1999 bei normaler Arbeitszeit Fr. 68'287.- (Fr. 5252.90 x 13) verdienen
müssen. Der effektiv erzielte Lohn bei 1949 Arbeitsstunden wurde von der
Arbeitgeberin jedoch mit Fr. 66'564.75 angegeben. Die in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erstmals geltend gemachten Baustellen- und
Chauffeurzulagen werden von der Arbeitgeberin im Fragebogen nicht erwähnt.
Einen Lohnausweis als Beleg für allenfalls ausgerichtete Zulagen reicht der
Beschwerdeführer nicht ein. Vielmehr begnügt er sich mit einer allgemein
gehaltenen Aktennotiz über eine telefonische Besprechung mit dem Lohnbüro der
ehemaligen Arbeitgeberin, was in beweismässiger Hinsicht angesichts der ihm
obliegenden Mitwirkungspflicht (BGE 117 V 263 Erw. 3b) nicht zu genügen
vermag. Wenn die Vorinstanz bei diesen Gegebenheiten für das Jahr 2000 von
einem Einkommen von Fr. 69'615.- ausgegangen ist, lässt sich dies daher nicht
beanstanden.

3.3 Beim Invalideneinkommen stützte sich die IV-Stelle auf drei Profile aus
der internen Arbeitsplatzdokumentation (DAP). Dabei handelte es sich um
Kontrollarbeiten in einem Industriebetrieb (DAP Nr. 4771), eine Tätigkeit als
Staplerfahrer (DAP Nr. 2697) sowie eine Tätigkeit als Produktionsmitarbeiter
(DAP 4251). Die Verwaltung hat für das Jahr 2000 auf einen Durchschnittswert
von Fr. 54'690.- abgestellt. Die Vorinstanz hat diese Berechnung bestätigt
und zusätzlich eine Plausibilitätsprüfung aufgrund der vom Bundesamt für
Statistik ermittelten Löhne gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
(LSE) 2000 vorgenommen. Dabei ist sie nach Tabelle TA 1 vom monatlichen
Bruttolohn (Zentralwert) für einfache und repetitive Tätigkeiten von Männern
von Fr. 4437.- im Monat ausgegangen, was umgerechnet auf eine
durchschnittliche Arbeitszeit von 41.8 Stunden einem Jahreseinkommen von Fr.
55'644.- entspricht. Sodann stellte sie fest, dass selbst bei einem Abzug von
15 % vom Tabellenlohn (vgl. dazu BGE 126 V 78 Erw. 5) ein Invalideneinkommen
von Fr. 46'486.50 resultiert und sich daraus, verglichen mit dem
Valideneinkommen von Fr. 69'615.-, ein rentenausschliessender
Invaliditätsgrad von 33.25 % ergibt.

Insoweit der Beschwerdeführer dafür hält, seine Restarbeitsfähigkeit sei
nicht verwertbar, ist dies unbegründet, da die ihm zumutbaren Tätigkeiten
einerseits Gegenstand von Angebot und Nachfrage auf dem ihm offen stehenden
Arbeitsmarkt sind (vgl. BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b) und
der Versicherte anderseits in deren Ausübung nicht derart eingeschränkt ist,
dass eine Beschäftigung nur unter nicht realistischem Entgegenkommen des
Arbeitgebers möglich wäre (ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b, 1989 S. 321 Erw. 4a).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse des Schweizerischen
Baumeisterverbandes, Zürich, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 11. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der II. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: