Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 146/2003
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I 146/03

Urteil vom 1. Juli 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Flückiger

K.________, 1963, Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 31. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
K. ________ ist die Mutter der im Dezember 1996 geborenen C.________. Sie
selber bezieht seit 1. Mai 1996, der Vater ihres Kindes, der im Land
X.________ lebende G.________, seit 1. März 1994 eine ganze Rente der
schweizerischen Invalidenversicherung.

Mit Verfügung vom 18. September 1997 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt
G.________ für die Zeit ab 1. Dezember 1996 eine Doppel-Kinderrente für
C.________ in Höhe von Fr. 869.- für Dezember 1996 und Fr. 892.- ab 1. Januar
1997 zu. Der Berechnung wurde ein massgebendes durchschnittliches
Jahreseinkommen der beiden Elternteile von gesamthaft Fr. 34'626.- zu Grunde
gelegt. Für die Zeit ab 1. Oktober 1998 wurde die Doppel-Kinderrente der
Kindsmutter K.________ zugesprochen (Verfügung vom 21. September 1998), der
sie bereits zuvor ausbezahlt worden war. Ab 1. Januar 1999 belief sich der
Betrag der Doppel-Kinderrente auf monatlich Fr. 901.-, berechnet auf einem
Jahreseinkommen von Fr. 34'974.-.

Mit Verfügung vom 30. Juni 2000 sprach die IV-Stelle für Versicherte im
Ausland G.________ für C.________ mit Wirkung ab 1. Juli 2000 eine
Doppel-Kinderrente von Fr. 830.- pro Monat zu. Am 10. Juli 2000 forderte die
Verwaltung von K.________ verfügungsweise einen Betrag von Fr. 3050.- zurück.
Zur Begründung wurde erklärt, an Stelle der ausbezahlten ungekürzten
Doppel-Kinderrenten für Dezember 1996 bis Juni 2000 in Höhe von total Fr.
38'495.- (1 x Fr. 869.- [1996] plus 24 x Fr. 892.- [1997/98] plus 18 x Fr.
901.- [1999/2000]) habe lediglich Anspruch auf eine gekürzte Rente von
insgesamt Fr. 35'445.- (1 x Fr. 801.- [1996] plus 24 x Fr. 821.- [1997/98]
plus 18 x Fr. 830.- [1999/2000]) bestanden.

B.
Die gegen die Verfügung vom 10. Juli 2000 erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ab (Entscheid vom 31. Januar 2003).

C.
K.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei
die Verfügung vom 10. Juli 2000 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu
verpflichten, ihr den (offenbar zwischenzeitlich durch Abzug von einer
anderen Kinderrente zurückbehaltenen) Betrag von Fr. 3050.- auszubezahlen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Mit Schreiben vom 23. März 2003 weist K.________ auf drei zu korrigierende
Fehler (Daten der Verfügungen) in der Beschwerdeschrift hin.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 10. Juli
2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

2.
2.1 Ob die Anpassung einer Leistungsverfügung im Invalidenversicherungsrecht
im Sinne einer Herabsetzung rückwirkend (mit der Folgen einer möglichen
Rückerstattungspflicht) oder lediglich für die Zukunft erfolgt, hängt davon
ab, ob sich die Korrektur auf einen AHV-analogen oder einen IV-spezifischen
Gesichtspunkt bezieht: Handelt es sich um eine IV-spezifische Tatsache
(insbesondere einen Umstand, welcher für die Bestimmung des
Invaliditätsgrades von Bedeutung ist), so erfolgt die Anpassung rückwirkend,
falls die versicherte Person ihre Pflicht zur Meldung anspruchsrelevanter
Tatsachen (Art. 77 IVV) verletzt hat (Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV);
andernfalls findet keine Rückwirkung statt (Art. 85 Abs. 2, 88bis Abs. 2
IVV), sodass auch eine Rückforderung ausscheidet. Ist dagegen ein
AHV-analoger Gesichtspunkt betroffen (dazu zählen beispielsweise die
Versicherteneigenschaft oder die Rentenberechnung), erfolgt die Anpassung
gestützt auf Art. 49 IVG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AHVG
grundsätzlich rückwirkend (vgl. zum Ganzen BGE 119 V 432 Erw. 2 mit
Hinweisen). Wurde die Rente einer Drittperson ausbezahlt, so ist diese
rückerstattungspflichtig (Art. 78 Abs. 2 AHVV).

2.2 Eine auf Grund einer formell rechtskräftigen Verfügung ausgerichtete
Leistung ist in der Sozialversicherung nur zurückzuerstatten, wenn die
Voraussetzungen einer Wiedererwägung oder einer prozessualen Revision erfüllt
sind (BGE 126 V 399 Erw. 1 mit Hinweis).

Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die
Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand
materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen,
wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung
ist (BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die IV-Stelle für Versicherte im Ausland mit
der vorinstanzlich bestätigten Verfügung vom 10. Juli 2000 zu Recht einen
Betrag von Fr. 3050.- zurückgefordert hat.

3.1 Die Rückforderung wird damit begründet, bei der ursprünglichen
Leistungsfestsetzung sei übersehen worden, dass die Doppel-Kinderrente
infolge Überversicherung zu kürzen gewesen wäre. Dabei handelt es sich
klarerweise um einen Aspekt der Rentenberechnung und damit um einen
AHV-analogen Tatbestand. Eine nachträgliche Korrektur hat demzufolge
grundsätzlich rückwirkend zu erfolgen. Die im (die an G.________ gerichtete
Verfügung vom 30. Juni 2000 betreffenden) Entscheid der Eidgenössischen
Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen (es handelt
sich dabei nicht, wie die Beschwerdeführerin offenbar annimmt, um das
Eidgenössische Versicherungsgericht) vom 28. März 2002 enthaltene Erwägung,
eine rückwirkende Anpassung sei ausgeschlossen, trifft, wie dargelegt, einzig
auf IV-spezifische Sachverhalte zu, welche jedoch vorliegend nicht gegeben
sind.

3.2 Da der entsprechende Rentenanspruch im Jahr 1996 entstand, richtet sich
eine Kürzung wegen Überversicherung, wie die Verwaltung zu Recht ausführt,
nach den bis Ende 1996 gültig gewesenen Bestimmungen (Abs. 1
Schlussbestimmungen der Änderungen des IVG vom 7. Oktober 1994 in Verbindung
mit lit. c Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung des AHVG vom 7.
Oktober 1994 [10. AHV-Revision]). Gemäss dem damaligen Wortlaut von Art.
38bis IVG werden Kinderrenten gekürzt, soweit sie zusammen mit den Renten des
Vaters und der Mutter das für sie massgebende durchschnittliche
Jahreseinkommen wesentlich übersteigen. Gemäss Art. 33bis IVV richtete sich
die Kürzung nach Art. 53bis Abs. 1-3 AHVV. Das Ausmass der Kürzung bei
Vollrenten beider Elternteile geht aus den vom Bundesamt für
Sozialversicherung herausgegebenen Rententabellen hervor. Die durch die
Verwaltung vorgenommene Neuberechnung der Doppelkinderrente unter
Berücksichtigung der Kürzung zufolge Überentschädigung stimmt mit den
Tabellenwerten überein und ist korrekt (Rententabellen 1995 [gültig bis Ende
1996], Band 2, S. 164: Fr. 801.-; Tabellen 1997 für laufende, bereits vor dem
1.1.1997 entstandene Rentenfälle [gültig von Anfang 1997 bis Ende 1998], S.
80: Fr. 821.-; Tabellen 1999 für laufende, bereits vor dem 1.1.1997
entstandene Rentenfälle [gültig von Anfang 1999 bis Ende 2000], S. 80: Fr.
830.-). Damit steht fest, dass die der Beschwerdeführerin während des
Zeitraums vom 1. Dezember 1996 bis 30. Juni 2000 ausgerichtete
Doppelkinderrente für die Tochter C.________ von insgesamt Fr. 38'495.- den
Anspruch um Fr. 3050.- überstieg.

3.3 Die der ursprünglichen Leistungsverfügung zu Grunde liegende
Rentenberechnung war infolge Nichtberücksichtigung der Kürzungsbestimmung von
Art. 38bis IVG rechtsfehlerhaft und damit zweifellos unrichtig (BGE 126 V 401
Erw. 2b/bb mit Hinweis). Das Kriterium der erheblichen Bedeutung ist erfüllt,
da es sich um eine Dauerleistung handelt (BGE 119 V 480 Erw. 1c mit
Hinweisen; SVR 2001 IV Nr. 1 S. 3 Erw. 5c). Der für eine Rückforderung
erforderliche Rückkommenstitel ist daher in Form der Wiedererwägung gegeben.

Damit war die Verwaltung gehalten, den zu Unrecht ausgerichteten Betrag von
Fr. 3050.- zurückzufordern. Die Verfügung vom 10. Juli 2000 erging demnach zu
Recht, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 1. Juli 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: