Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 124/2003
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I 124/03

Urteil vom 12. August 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber
Ackermann

V.________, 1963, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel
Kiefer, Bielstrasse 8, 4502 Solothurn,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 17. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
V. ________, geboren 1963, arbeitete ab 1990 als Maschinenführerin für die
Firma T.________ AG. Sie meldete sich am 3. September 1999 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, worauf die IV-Stelle Bern je
einen Bericht des Arbeitgebers vom 18. Oktober 1999 sowie des Dr. med.
S.________, Chiropraktor, vom 15. Dezember 1999 einholte und eine
Begutachtung durch die Medizinische Begutachtungsstelle des Medizinischen
Zentrums R.________ veranlasste (Gutachten vom 6. März 2001 mit
rheumatologischem und psychiatrischem Konsilium). Nachdem im
Vorbescheidverfahren ein Bericht des Dr. med. G.________ vom 23. August 2001
zu den Akten genommen worden war, lehnte die IVBStelle mit Verfügung vom 6.
Februar 2002 den Rentenanspruch ab, da V.________ in einer wechselbelastenden
Tätigkeit vollständig arbeitsfähig sei und ein rentenausschliessender
Invaliditätsgrad von rund 25 % vorliege.

B.
Die dagegen unter Beilage diverser Arztberichte (unter anderem der
Medizinischen Abteilung des Spitals I.________ vom 1. Februar 1999, des Dr.
med. F.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, vom 2. Januar 2000 sowie des
Ambulatoriums X.________ der Psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn
vom 26. August 2002) erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Januar 2003 ab, nachdem es beim
Medizinischen Zentrum R.________ eine ergänzende Stellungnahme vom 21. Mai
2002 eingeholt hatte.

C.
V.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei
die Sache zur weiteren Abklärung und zu neuem Entscheid an die IV-Stelle
zurückzuweisen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 6. Februar
2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

1.2 Die Vorinstanz hat den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG), die
Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und
1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen anhand des
Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie die Aufgabe der Ärzte bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4) zutreffend dargestellt. Darauf
wird verwiesen.

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente und in diesem Zusammenhang
insbesondere das Ausmass der Arbeitsfähigkeit. Das kantonale Gericht hat auf
die Einschätzungen des Medizinischen Zentrums R.________ vom 6. März 2001 und
vom 21. Mai 2002 abgestellt und eine vollständige Arbeitsfähigkeit für
leichte bis mittelschwere Tätigkeiten angenommen.

2.1 Die Versicherte rügt zunächst, dass die somatischen Beschwerden nicht
hinreichend abgeklärt worden seien, so erachteten es inbesondere diverse
Ärzte als möglich, dass im Rahmen der durchgeführten Lumbalpunktion eine
lumbale Wurzel angestochen worden sei; im Weiteren habe Dr. med. G.________
im Bericht vom 23. August 2001 verschiedene diagnostische Blockaden
empfohlen.

Im Gutachten vom 6. März 2001 hat das Medizinische Zentrum R.________ eine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus rheumatologischen Gründen klar
verneint; im Rahmen der Ergänzung vom 21. Mai 2002 (betreffend der im
vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Arztberichte) hat das Medizinische
Zentrum R.________ an seiner Auffassung festgehalten und überdies
klargestellt, dass eine neurologische Untersuchung stattgefunden habe, wobei
jedoch keine objektivierbaren Ausfälle festgestellt worden seien. Diese
ärztlichen Stellungnahmen sind für die streitigen Belange umfassend, beruhen
auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden und
sind in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; zudem sind sie in der
Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation
einleuchtend und enthalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125 V 352 Erw.
3a). Der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnte chronische
Irritationszustand wegen des allfälligen Anstechens einer lumbalen Wurzel im
Rahmen der Lumbalpunktion hat gemäss dem Bericht des Neurologen Dr. med.
F.________ vom 2. Januar 2000 keine praktischen Konsequenzen, so dass dieser
Einwand nicht gegen die Zuverlässigkeit der Äusserungen des Medizinischen
Zentrums R.________ spricht (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb). Dasselbe gilt
für die Auffassung des Dr. med. G.________, wonach - im Gegensatz zur Meinung
des Medizinischen Zentrums R.________ - noch therapeutische Massnahmen
möglich seien, denn diese explizit vom Gutachten abweichende Auffassung wird
nicht begründet. Damit ist davon auszugehen, dass die Versicherte aus
somatischen Gründen in einer leidensangepassten Tätigkeit vollständig
arbeitsfähig ist.

2.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird weiter vorgebracht, dass sich
das kantonale Gericht nicht mit der widersprüchlichen psychiatrischen
Aktenlage auseinandergesetzt, sondern allein auf die Meinung des Gutachtens
des Medizinischen Zentrums R.________ vom 6. März 2001 abgestellt habe; es
seien in dieser Hinsicht insbesondere abweichende, psychische Beschwerden mit
Krankheitswert bejahende, Arztberichte nicht berücksichtigt worden.

Im Gutachten vom 6. März 2001 kann das Medizinische Zentrum R.________ keine
psychische Störung diagnostizieren (insbesondere werden die Kriterien einer
somatoformen Schmerzstörung verneint) und die Versicherte wird als
vollständig arbeitsfähig erachtet. Diese Auffassung wird in der - von der
Vorinstanz veranlassten - Stellungnahme vom 21. Mai 2002 ausdrücklich
bestätigt, wobei die vom Gutachten abweichende ärztliche Auffassung des
Ambulatoriums X.________der Psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn vom
26. August 2002 gewürdigt und überzeugend widerlegt worden ist. Auch die
Auffassung der Medizinischen Abteilung des Spitals I.________ vom 1. Februar
1999 vermag keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Äusserungen des
Medizinischen Zentrums R.________ zu wecken (vgl. BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb),
da die entsprechende Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in Höhe von 50 %
explizit nur bis zum 7. Februar 1999 Geltung beansprucht. Somit ist auf die
Meinung des Medizinischen Zentrums R.________ abzustellen, wonach in
psychiatrischer Hinsicht ebenfalls keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
besteht, so dass die Beschwerdeführerin in einer wechselbelastenden
Arbeitsplatzsituation (wie z.B. Arbeiten am Buffet, als Maschinenführerin,
als Kassiererin) vollständig arbeitsfähig ist.

2.3 Das Einkommen ohne Gesundheitsschädigung (Valideneinkommen) ist in der
Regel anhand des zuletzt effektiv verdienten Einkommens zu bestimmen (RKUV
1993 Nr. U 168 S. 101 Erw. 3b am Ende; vgl. auch Ulrich Meyer-Blaser,
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 205). Somit ist
auf die Angaben des Arbeitgebers vom 18. Oktober 1999 abzustellen, wonach die
Versicherte in diesem Zeitpunkt einen Monatslohn von Fr. 4'040.-- erzielen
würde, was - unter Berücksichtigung des dreizehnten Monatslohnes - im Jahr
des allfälligen Rentenbeginns (1999; BGE  129 V 222, 128 V 174) zu einem
Jahresverdienst in Höhe von Fr. 52'520.-- führt.

Was das hypothetische Einkommen nach Eintritt des Gesundheitsschadens
(Invalideneinkommen) betrifft, ist - da die Beschwerdeführerin keine
Verweisungstätigkeit aufgenommen hat - praxisgemäss auf die Tabellenlöhne der
vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung abzustellen (BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb mit Hinweisen).
Gemäss Tabelle A1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 1998 beträgt der
Zentralwert für im privaten Sektor auf Anforderungsniveau 4 (einfache und
repetitive Tätigkeiten) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden
beschäftigte Frauen monatlich Fr. 3'505.-- brutto. Dieser Betrag ist
einerseits der Lohnentwicklung des Jahres 1999 anzupassen (0,3 %; Die
Volkswirtschaft 7/2003, S. 91 Tabelle B10.2) und andererseits auf die im Jahr
1999 betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41,8 Stunden (Die Volkswirtschaft
7/2003, S. 90 Tabelle B9.2) aufzurechnen, was einen Betrag von monatlich Fr.
3'673.70 resp. jährlich Fr. 44'084.40 ergibt. In Anbetracht der Umstände ist
der von der Vorinstanz vorgenommene behinderungsbedingte Abzug (vgl. dazu BGE
126 V 79 Erw. 5b) in Höhe von 10 % zu bestätigen, was zum massgebenden
Invalideneinkommen von Fr. 39'675.95 führt. Damit beträgt der
Invaliditätsgrad 24.45 %; seither ist - unter Berücksichtigung der
Lohnentwicklung und der neu herausgegebenen Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung 2000 mit einem höheren Zentralwert - keine
rentenerhebliche Veränderung der hypothetischen Bezugsgrössen eingetreten
(vgl. BGE 129 V 222, 128 V 174), so dass immer noch ein
rentenausschliessender Invaliditätsgrad von weniger als 40 % vorliegt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Papier,
Schlieren und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 12. August 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: