Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 117/2003
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I 117/03

Urteil vom 15. September 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Hadorn

S.________, 1952, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Andreas
Gafner, Nidaugasse 24, 2502 Biel,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 20. Dezember 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 5. Oktober 2000 lehnte die IV-Stelle Bern ein erstes Gesuch
von S.________ (geb. 1952) um eine IV-Rente ab. Die hiegegen eingereichte
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit unangefochten
gebliebenem Entscheid vom 10. April 2001 ab.
Auf ein neues Leistungsgesuch von S.________ trat die IV-Stelle mit Verfügung
vom 15. März 2002 nicht ein.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des S.________ wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern mit Entscheid vom 20. Dezember 2002 wiederum ab. Dabei
sprach es seinem Rechtsvertreter unter dem Titel der unentgeltlichen
Verbeiständung eine Entschädigung von Fr. 1'765.60 (inkl. Auslagen und
Mehrwertsteuer) zu.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die
Sache sei an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie das zweite
Leistungsgesuch materiell prüfe. Sodann sei die im kantonalen Prozess
zugesprochene Entschädigung auf Fr. 4'466.35 festzusetzen. Ferner lässt
S.________ auch für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht um unentgeltliche Verbeiständung ersuchen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Verwaltungsgericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zum
Vorgehen der IV-Stelle bei Erhalt eines neuen Leistungsgesuchs nach
vorheriger Ablehnung eines früheren Gesuches (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV) und
die hiezu ergangene Rechtsprechung (BGE 117 V 200 Erw. 4b) richtig dargelegt.
Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier: 15. März 2002) eingetretene Rechts- und
Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt
werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Streitig und zu prüfen ist mit der Vorinstanz, ob die IV-Stelle zu Recht
nicht auf das zweite Leistungsgesuch eingetreten ist. Dies hängt davon ab, ob
der Beschwerdeführer eine massgebliche Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes bis zum 15. März 2002 (Nichteintretensverfügung)
glaubhaft gemacht hat.

2.1 Bei der Ablehnung des ersten Gesuches stützte sich die Verwaltung
insbesondere auf das Gutachten der MEDAS vom 7. Juli 2000. Aus diesem ergibt
sich, dass der Beschwerdeführer internistisch, psychiatrisch und
rheumatologisch untersucht worden ist. Dabei kamen die Gutachter zum Schluss,
dass der Versicherte in der Tätigkeit als Hydraulikmonteur zu 100 %
arbeitsunfähig sei. In einer dem Rücken angepassten, leichten Tätigkeit sei
er jedoch zu 50 % arbeitsfähig. Bei Therapieeinsicht und ihm Freude
bereitender Berufstätigkeit sei eine weitere Verbesserung denkbar. Da der
Beschwerdeführer als selbstständiger Hydraulikmonteur seit 1990 nie mehr als
Fr. 8'000.- im Jahr verdient hatte, ergab der Einkommensvergleich (Art. 28
Abs. 2 IVG) keinen Invaliditätsgrad in rentenberechtigendem Ausmass (Art. 28
Abs. 1 IVG).

2.2 Bei der Neuanmeldung machten die Dres. V.________, Arzt für Allgemeine
Medizin FMH und K.________, Allgemeine Medizin FMH, eine Verschlechterung des
psychischen Zustandes geltend und verlangten hierüber ein neues Gutachten.
Nähere medizinische Begründungen hiefür lassen sich ihren Berichten vom 8.,
26. und 27. November 2001 sowie vom 18. und 19. Februar 2002 jedoch nicht
entnehmen. Damit ist keine Verschlechterung des psychischen Zustandes
glaubhaft gemacht. Gestützt auf die erwähnten Unterlagen ist die IV-Stelle zu
Recht nicht auf das neue Gesuch eingetreten.

2.3 Es bleibt die Frage, ob sich in den erst im kantonalen und im
vorliegenden Prozess eingereichten medizinischen Akten Hinweise auf eine
erhebliche Verschlechterung finden. Bei diesen Arztberichten ist wiederum zu
beachten, dass das Datum der streitigen Verwaltungsverfügung (15. März 2002)
die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V
366 Erw. 1b).

2.3.1 Dr. med. W.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie,  führt im
Bericht vom 26. März 2002 aus, nach seinen bisherigen Eindrücken scheine eine
Teilinvalidität aus psychiatrischer Sicht gegeben zu sein. Die dazu
erforderlichen Abklärungen seien bisher wegen begrenzter Kooperation des
Patienten gescheitert. In einem weitern Bericht vom 23. November 2002 kommt
Dr. W.________ zum Ergebnis, dass sich an Diagnose und Beurteilung seit dem
26. März 2002 nichts geändert habe. Auf Grund der psychischen Störungen mit
eindeutigem Krankheitswert sei die Arbeitsfähigkeit des Versicherten
zumindest zu 50 % eingeschränkt. Die Klinik, M.________, erachtet den
Beschwerdeführer im Bericht vom 8. Mai 2002 sogar als medizinisch-theoretisch
zu 100 % arbeitsfähig in einer leichten Tätigkeit, stellt jedoch in Bezug auf
eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, "in Anbetracht der langen
Leidenszeit", eine "eher pessimistische" Prognose.

2.3.2 Soweit sich die Angaben in den genannten Unterlagen auf den Sachverhalt
beziehen, wie er sich bis zum 15. März 2002 verwirklicht hat, besteht kein
Anlass, auf die vorinstanzlich bestätigte Nichteintretensverfügung
zurückzukommen. Aus den im Jahr 2003 erstellten, im letztinstanzlichen
Verfahren vorgelegten medizinischen Berichten lässt sich in Bezug auf die
hier massgebliche Zeitspanne ebenfalls nichts zu Gunsten des Versicherten
ableiten. Demnach muss es dabei sein Bewenden haben, dass bis Mitte März 2002
keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht
ist. Wie es sich in der darauf folgenden Zeit verhält, ist nicht im
vorliegenden Prozess zu prüfen.

3.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Höhe der ihm im kantonalen Verfahren
unter dem Titel der unentgeltlichen Verbeiständung zugesprochenen
Entschädigung.

3.1 Da es bei diesem Punkt nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur
zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.2 Gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG ist das
Recht, sich verbeiständen zu lassen, gewährleistet. Wo die Verhältnisse es
rechtfertigen, wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. Demnach
besteht von Bundesrechts wegen auch im kantonalen Verfahren Anspruch auf
Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsvertreter. Die Bemessung dieser
Entschädigung jedoch ist mangels bundesrechtlicher Bestimmung dem kantonalen
Recht überlassen, mit welchem sich das Eidgenössische Versicherungsgericht
grundsätzlich nicht zu befassen hat (Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97
Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG). Es darf die Höhe der Entschädigung nur
daraufhin überprüfen, ob die Anwendung der für ihre Bemessung einschlägigen
kantonalen Bestimmungen, sei es bereits auf Grund ihrer Ausgestaltung oder
aber auf Grund des Ergebnisses im konkreten Fall (RKUV 1993 Nr. U 172 S.
144), zu einer Verletzung von Bundesrecht geführt hat (Art. 104 lit. a OG).
Dabei fällt praktisch nur das früher aus Art. 4 Abs. 1a BV abgeleitete,
nunmehr in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot in Betracht (BGE 125 V 408 Erw.
3a mit zahlreichen Hinweisen; SVR 2001 AHV Nr. 4 S. 11 Erw. 2). Nach der
Rechtsprechung, die auch unter der Herrschaft des Art. 9 BV gilt (SVR 2001
AHV Nr. 4 S. 12 Erw. 2 am Ende), ist eine Entschädigung dann willkürlich,
wenn sie eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz
offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht
vertreten lässt oder in stossender Weise  dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft (BGE 125 V 409 Erw. 3a mit Hinweisen). Willkür kann in diesem
Kontext in zwei Erscheinungsformen auftreten, nämlich als klare und schwere
Verletzung kantonalen Rechts über die Bemessung der Entschädigung oder als
schlechthin unhaltbare Betätigung in dem vom Bundes- und kantonalen Recht
eröffneten Ermessensbereich (AHI 1999 S. 183 Erw. 3a am Ende). Im letzteren
Fall kann die Festsetzung eines Anwaltshonorars wegen Verletzung von Art. 9
BV oder Art. 29 Abs. 3 BV nur aufgehoben werden, wenn sie ausserhalb jedes
vernünftigen Verhältnisses zu den mit Blick auf den konkreten Fall
notwendigen anwaltlichen Bemühungen steht und in krasser Weise gegen das
Gerechtigkeitsgefühl verstösst (nicht veröffentlichtes Urteil der I.
Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts i. S. X. vom 22. Juni
2000, 1P.201/2000). Willkür liegt schliesslich nur vor, wenn nicht bloss die
Begründung eines Entscheides, sondern das Ergebnis selber unhaltbar ist (vgl.
BGE 125 I 168 Erw. 2a, 123 I 5 Erw. 4a, je mit Hinweisen).

3.3 Im kantonalen Verfahren reichte der Anwalt des Beschwerdeführers eine
Kostennote ein, worin er für seine Aufwendungen insgesamt Fr. 3'910.-
zuzüglich Spesen und Mehrwertsteuer geltend machte. Die Vorinstanz anerkannte
diese Rechnung nur im Umfang von Fr. 2'100.- (plus Spesen und MWSt). Der
Rechtsvertreter habe, obwohl es einzig um die Frage des Eintretens gegangen
sei, die kantonale Beschwerde unnötigerweise auch materiell begründet, wofür
er nicht zu entschädigen sei.

Entscheidend ist, dass das Ergebnis, d.h. die Zusprechung eines Honorars von
Fr. 2'100.- (und der Auszahlung von 2/3 davon gemäss entsprechenden
kantonalen Vorschriften für die unentgeltliche Verbeiständung) in Anbetracht
der erfolgten anwaltlichen Bemühungen, wie sie aus den Akten, namentlich der
elfseitigem vorinstanzlichen Beschwerde hervorgehen, nicht derart
unangemessen ist, dass von Ermessensmissbrauch oder Willkür gesprochen werden
müsste. Damit hat die Vorinstanz bei der Festsetzung des Honorars Bundesrecht
nicht verletzt (Art. 104 lit. a OG). Die Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändern daran nichts.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem unterliegenden
Beschwerdeführer kann die unentgeltliche Verbeiständung gewährt werden, da
die entsprechenden Voraussetzungen (BGE 125 V 202 Erw. 4a) erfüllt sind. Er
wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach er dem Gericht Ersatz
zu leisten haben wird, falls er dereinst dazu im Stande sein sollte.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird Fürsprecher Andreas
Gafner, Biel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 15. September 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: