Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 109/2003
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I 109/03

Urteil vom 26. Februar 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und nebenamtlicher Richter Weber;
Gerichtsschreiber Signorell

F.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr.
Kathrin Hässig, Kronenstrasse 9, 8712 Stäfa,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 13. Dezember 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1958 geborene F.________ leidet seit seiner Geburt unter einer starken
Sehbehinderung (Astigmatismus und Hydrophtalmus beidseits). Nachdem er den
Beruf eines Maschinenzeichners erlernt hatte, meldete er sich am 6. August
1985 zum Bezug von IV-Leistungen an. Mit Verfügung vom 21. Juli 1987 übernahm
die Invalidenversicherung eine Umschulung zum Diplom-Informatiker im
Sonderprogramm für Sehbehinderte am Berufsförderungswerk Heidelberg für die
Zeitdauer vom 21. April 1988 bis 30. April 1991.

F. ________ war vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1999 in der Firma
X.________ GmbH als System Engineer angestellt und erhielt im Jahr 1999 ein
Salär von Fr. 109'235.80. Am 8. Februar 2000 stellte er ein erneutes
Leistungsbegehren auf Abgabe von Hilfsmitteln und Zusprechung einer Rente.
Seit 1. März 2000 ist er in der Firma Y.________ GmbH beschäftigt, wo er ein
Jahresgehalt von Fr. 106'840.- erzielt. Mit Vorbescheid vom 30. Oktober 2000
stellte die IV-Stelle des Kantons Zürich die Ablehnung des Rentenbegehrens in
Aussicht, da ein Invaliditätsgrad von lediglich 3 % gegeben sei. Daran hielt
sie mit Verfügung vom 9. Januar 2001 fest.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen erhobene
Beschwerde, mit welcher die Zusprechung einer Viertelsrente beantragt wurde,
mit Entscheid vom 13. Dezember 2002 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt F.________ erneut beantragen, es sei
ihm eine Viertelsrente zuzusprechen, evtl. sei die Sache zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen (in ihrer
bis 31. Dezember 2002 und 2003 gültig gewesenen Fassungen) über den Begriff
der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 1 und 1bis IVG) und die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei
Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleiches (Art.
28 Abs. 2 IVG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

2.
Der Beschwerdeführer hat mit seiner Anmeldung zum Bezug von
Invalidenversicherungsleistungen vom 8. Februar 2000 die Abgabe von
Hilfsmitteln und die Zusprechung einer Rente beantragt. Mit in Rechtskraft
erwachsener Verfügung vom 23. Oktober 2000 wurde ihm ein Grossmonitor für den
Arbeitsplatz leihweise abgegeben.

3.
Streitig und zu prüfen ist somit lediglich der Anspruch auf eine
Invalidenrente, insbesondere die Festsetzung des hypothetischen
Valideneinkommens als Element der Invaliditätsbemessung.

3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er würde ohne Behinderung heute als
IT-Projektleiter  arbeiten und in dieser Funktion jährlich ein Einkommen von
Fr. 180'000.- erzielen. Demgegenüber legte die Beschwerdegegnerin das
Valideneinkommen auf Fr. 110'218.90 fest, während die Vorinstanz dieses auf
Fr. 113'636.- erhöhte.

3.2 Da die Invaliditätsbemessung der voraussichtlich bleibenden oder längere
Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen hat, ist auch die berufliche
Weiterentwicklung mit zu berücksichtigen, die ein Versicherter wahrscheinlich
vollzogen hätte. Wird die Erzielung eines überdurchschnittlichen Einkommens
im Gesundheitsfall behauptet,  ist erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass der Versicherte einen beruflichen Aufstieg und ein
entsprechend höheres Einkommen tatsächlich realisiert hätte, wenn er nicht
invalid geworden wäre (Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
IVG, Zürich 1997, S. 206). Zu prüfen ist daher, ob der Beschwerdeführer ohne
seine Behinderung weiterhin die bei der Firma X.________ GmbH tatsächlich
ausgeübte Funktion eines System-Engineers oder jene eines IT-Projektleiters
im Informatikbereich ausüben würde.

3.3 Nach Abschluss der Sekundarschule absolvierte der Beschwerdeführer bei
der Firma A.________ AG eine Berufslehre als Maschinenzeichner (Frühjahr 1975
- Frühling 1979). Als Folge seiner Sehbehinderung sah er sich jedoch
veranlasst, nach einer neuen beruflichen Möglichkeit Ausschau zu halten. Mit
Unterstützung der Invalidenversicherung besuchte er vom Frühling 1979 bis zum
Frühling 1982 die Handelsschule Z.________, eingeschlossen ein halbjähriges
Praktikum; er schloss diese Ausbildung mit dem KV-Diplom ab. Während dieser
Zeit arbeitete er vorübergehend in der Verwaltung B.________ und der Firma
C.________ AG; nach Ausbildungsende fand er Anstellungen als kaufmännischer
Angestellter in den Firmen D._________ AG (November 1982 bis Januar 1984),
und E._________ AG (Februar 1984 bis Oktober 1985). Nach dem Verlust dieser
Arbeitsstelle meldete er sich erneut bei der Invalidenversicherung an. Vom
21. April 1988 bis zum 17. April 1991 liess er sich am Berufsförderungswerk
in Heidelberg zum Informatiker (Studienrichtung Wirtschaftsinformatik)
ausbilden. Nach bestandener Abschlussprüfung erhielt er den Hochschulgrad
Diplom-Informatiker (Fachhochschule). Ab 1. Dezember 1991 fand er eine seiner
Ausbildung, Behinderung und Fähigkeiten entsprechende Stelle in der Bank
G.________. Diese Zusammenarbeit endete Mitte 1995, worauf der
Beschwerdeführer während längerer Zeit arbeitslos blieb. Ab Juli 1997 bis
September 1998 abeitete er in der Firma H.________. Ab Oktober 1998 fand er
eine Stelle in der Firma X.________ GmbH als System Engineer. Diesen
Arbeitsvertrag kündigte er auf Ende 1999, um ab 1. März 2000 für die Firma
Y.________ GmbH zu arbeiten. Gemäss Handelsregister wurde diese Firma am 23.
Dezember 1999 ins Handelsregister eingetragen. Sie besitzt ein Stammkapital
von Fr. 20'000.-. F.________ hält einen Anteil von Fr. 19'000.- und fungiert
als Geschäftsführer und Gesellschafter mit Einzelzeichnungsberechtigung.
Gemäss den Angaben im Fragebogen für den Arbeitgeber übt er in dieser Firma
die Funktion eines IT-Projektleiters aus. In der schon erwähnten Anmeldung
vom 8. Februar 2000 gab er an, dass sein Erwerbseinkommen trotz der
Umschulung nicht jenem Gehalt entspreche, das er ohne Behinderung erzielen
könnte.

3.4 In der Informatikbranche gibt es zahlreiche Berufsbezeichnungen, die auf
keiner gesetzlichen Grundlage beruhen, und welche deshalb nur schwer
miteinander zu vergleichen sind. Funktionen und Anforderungsprofile der
Berufsbilder sind Gegenstand von Umschreibungen durch die Schweizerische
Vereinigung für Datenverarbeitung (SVD) und der
Wirtschaftsinformatik-Fachverband (WIF) (Berufe der Wirtschaftsinformatik in
der Schweiz, 4. Aufl. 1996, vdf Hochschulverlag an der ETHZ). Gestützt darauf
erliess das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) hinsichtlich der zu
leistenden Entschädigung Einstufungsbedingungen (Beilage 1 zur Weisung
"Regelung der Vergabe von Informatik-Dienstleistungsaufträge an externe
Firmen" in der Fassung vom 15. Februar 2000 [erhältlich beim BBl]).
Wirtschaftsinformatiker sind gemäss den genannten Einstufungsrichtlinien
gleichwertig einem Applikations-Entwickler. Je nach Ausbildungsstand und
Berufserfahrung kommt diesen die Aufgabe des Realisierens von
Informatik-Anwendungen und -Teillösungen (Stufe I) bis zum Umsetzen von
komplexen, ganzheitlichen Anforderungen in Informatiklösungen (Stufe III) zu.
Einem Projektleiter andererseits obliegt das Planen und Konzipieren von
Informationssystemen, die personelle Führung sowie die fachliche,
organisatorische und administrative Leitung des betreffenden
Zuständigkeitsbereichs. Seine Fachkenntnisse müssen in den einzelnen
Teilbereichen regelmässig hoch bis sehr hoch sein. An seine Fähigkeiten und
Eigenschaften werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Neben der höheren
Fachausbildung wird eine Berufserfahrung von mehr als vier Jahren als
Applikations-Entwickler vorausgesetzt.

3.5 Nach dem beruflichen Werdegang (keine branchenspezifische berufliche
Grundausbildung, indessen höhere Fachausbildung) und der Erfahrung als
Applikations-Entwickler (länger als ein Jahr) fällt der Beschwerdeführer in
den Rahmen eines Applikations-Entwickler II, allenfalls III. Konkrete und
aussagekräftige Anhaltspunkte für die vom Beschwerdeführer angeführte
Argumentationsweise, dass er beim Verlassen der Firma X.________ GmbH bereits
die Anforderungen eines Projektleiters erfüllt hätte, fehlen. So hat er die
Funktion eines IT-Projektleiters nie ausgeübt. Der Verweis auf den Bericht
der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates gibt
auch keine konkreten Anhaltspunkte, da der Beschwerdeführer selber von der
Prämisse ausgeht, er wäre tatsächlich ohne Behinderung IT-Projektleiter
geworden. Etwas Derartiges kann aber auch unter Berücksichtigung des im
Sozialversicherungsprozess gültigen Untersuchungsgrundsatzes nicht angenommen
werden. Das schweizerische Sozialversicherungsrecht kennt keinen Grundsatz,
wonach die Versicherungsorgane im Zweifel zu Gunsten des Versicherten zu
entscheiden haben (BGE 129 V 477 mit Hinweisen). Ein Anspruch auf Leistungen
besteht nur, wenn die Voraussetzungen dafür mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erfüllt sind. Bleiben für den Leistungsanspruch erhebliche
Tatsachen unbewiesen, so hat nach den Regeln der Beweislastverteilung der
Versicherte die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, welcher aus den
unbewiesen gebliebenen Tatsachen Rechte ableiten wollte (Meyer-Blaser,
a.a.O., S. 230). In Anbetracht des Anforderungsprofils, das bei einem
IT-Projektleiter vorhanden sein muss, ist es unter den gegebenen
aktenkundigen Umständen (Erw. 3.3) nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der
Beschwerdeführer dieses Berufsniveau im Informatikbereich ohne seine
Behinderung erreicht hätte, zumal nur eine relativ geringe Zahl von
Erwerbstätigen im Informatikbereich diese auf hohem bis sehr hohem Niveau
anzusiedelnde Funktion überhaupt ausüben kann.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz kann den Angaben der Firma Y.________
GmbH kein genügender Beweiswert zuerkannt werden, da diese Firma vom
Beschwerdeführer wirtschaftlich beherrscht wird.

3.6 Bei Fehlen aussagekräftiger konkreter Anhaltspunkte für die Festlegung
des Valideneinkommens ist rechtsprechungsgemäss auf Erfahrungs- und
Durchschnittswerte zurückzugreifen (AHI 1999 S. 240 unten f.; nicht
veröffentlichte Urteile M. vom 13. November 2000 [I 622/99] und T. vom 23.
Mai 2000 [U 243/99]). Solche liegen in Form der Lohnstrukturerhebung 2000
(LSE) des Bundesamtes für Statistik vor. Diese weist für den Bereich
"Immobilien, Informatik; Forschung und Entwicklung" für das
Anforderungsniveau 1 und 2 (Verrichtung höchst anspruchsvoller und
schwierigster bzw. selbstständiger und qualifizierter Arbeiten) bei 40
Wochenstunden einen standardisierten Monatslohn von Fr. 8441.- für das Jahr
2000 aus (a.a.O., S. 31 Tabelle TA.1). Das entspricht hochgerechnet auf die
im Jahre 2001 in diesem Bereiche üblichen 41,8 Wochenarbeitsstunden  (Die
Volkswirtschaft, Heft 12/2002, S. 88, Tabelle B 9.2 [betriebsübliche
wöchentliche Arbeitszeit] Zeile K) und unter Berücksichtigung einer
Nominallohnsteigerung ebenfalls für diesen Bereich vom Jahre 2000 auf das
Jahr 2001 von 3,0 % (Lohnentwicklung 2001 [herausgegeben vom Bundesamt für
Statistik], S. 32, Tabelle T1.1.93) einem Betrag von Fr. 109'126.- pro Jahr
(Fr. 8441.- x 41,8 : 40 x 1,03 x 12).

3.7 Vergleicht man das vom Beschwerdeführer im Jahre 2000 erzielte Gehalt von
Fr. 106'840.-, das hochgerechnet mit 3 % Nominallohnerhöhung für das Jahr
2001 einen Wert von Fr. 110'045.- ergibt, mit dem gestützt auf Tabellenlöhne
ermittelten Valideneinkommen von Fr. 109'126.-, ist keine Invalidität
gegeben.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
steht dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 26. Februar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: