Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 340/2003
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H 340/03

Urteil vom 14. Juni 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Flückiger

Z.________, 1971, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 18. Dezember 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügungen vom 31. Juli 2001 verpflichtete die Ausgleichskasse des
Kantons Bern Z.________ zur Entrichtung von AHV/IV/EO-Beiträgen
(einschliesslich Verwaltungskosten) als Selbstständigerwerbender im
Nebenerwerb in Höhe von Fr. 408.35 für das Jahr 1996, je Fr. 1'274.30 für die
Jahre 1997 bis 1999 und Fr. 408.35 für das Jahr 2000. Zudem wurden
Verzugszinsen von Fr. 253.88 für die Jahre 1996 bis 1999 und Fr. 135.30 für
das Jahr 2000, total Fr. 389.20, erhoben.

B.
Nachdem Z.________ dagegen Beschwerde erhoben hatte, hob die Kasse die
Verwaltungsakte vom 31. Juli 2001 wiedererwägungsweise auf und ersetzte sie
durch neue Verfügungen vom 23. Oktober 2001. Danach belaufen sich die
umstrittenen Beiträge (inklusive Verwaltungskosten) neu auf Fr. 399.75 für
das Jahr 1996, je Fr. 1162.35 für die Jahre 1997 bis 1999 und Fr. 399.75 für
das Jahr 2000, die Verzugszinsen auf Fr. 407.05 (Fr. 233.21 plus Fr. 173.85).

Das Verwaltungsgerichts des Kantons Bern wies die Beschwerde, die
aufrechterhalten worden war, ab, soweit sie nicht durch die während des
Beschwerdeverfahrens erfolgte Aufhebung und Ersetzung der ursprünglichen
Verfügungen vom 31. Juli 2001 gegenstandslos geworden war (Entscheid vom 18.
Dezember 2003).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Z.________, die Beiträge auf dem
von ihm im Jahr 1999 vereinnahmten Einkommen aus selbstständigem Nebenerwerb
seien auf Grund einer Gegenwartsbemessung festzusetzen.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

1.2 Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen
aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend
eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Tatsachen und
Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben
müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b,
je mit Hinweisen)

2.
Das kantonale Gericht hat die bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen, hier
anwendbaren Bestimmungen und Grundsätze über die zeitliche Bemessung der
Beiträge vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im ordentlichen
Verfahren (Art. 22 Abs. 1 und 2 AHVV), mit Einschluss der Bestimmung zur
nebenberuflichen, gelegentlich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit
(Art. 22 Abs. 3 AHVV), sowie im ausserordentlichen Verfahren (Art. 25 AHVV)
zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zu
den Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Verzugszinsen (Art. 41bis AHVV),
zur Befugnis der Verwaltung, während des gerichtlichen Rechtsmittelverfahrens
(lite pendente) auf die ursprüngliche Verfügung zurückzukommen, und zu den
Auswirkungen dieses Vorgehens auf das Gerichtsverfahren (BGE 113 V 237; ZAK
1992 S. 117 Erw. 5a), sowie zur Nichtanwendbarkeit der materiellrechtlichen
Bestimmungen des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; BGE 129 V 4 Erw.
1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1). Darauf wird verwiesen.

3.
Das kantonale Gericht erachtete es als erwiesen, dass der Beschwerdeführer
aus einer seit 1993 ausgeübten selbstständigen Nebenerwerbstätigkeit
Einkommen von Fr. 9868.- im Jahr 1993, Fr. 5747.- im Jahr 1994, Fr. 35'068.-
im Jahr 1995 sowie je Fr. 6399.- in den Jahren 1996 bis 1998 erzielt hat.

3.1 Die genannten Beträge für die Jahre 1993, 1994 und (im Umfang von Fr.
28'669.-) 1995 beruhen auf Steuermeldungen im Sinne von Art. 23 Abs. 1 und 4
AHVV, sind unbestritten und bildeten bereits die Grundlage der
Beitragsberechnungen für die jeweiligen Kalenderjahre.

3.2 Die in den vorinstanzlich bestätigten Verfügungen vom 23. Oktober 2001
enthaltenen Einkommen der Jahre 1995 (soweit Fr. 28'669.- übersteigend) bis
1998 resultieren im Wesentlichen aus der Aufteilung eines dem
Beschwerdeführer im Jahr 1999 ausbezahlten Betrags von Fr. 31'510.-. Dieser
Summe liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Anlässlich einer am 5. April
2001 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle bei der Firma M.________ AG wurde
festgestellt, dass im Jahr 1999 ein Betrag von Fr. 31'510.- an den
Beschwerdeführer ausbezahlt worden war, auf welchem die Firma keine
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hatte, was sie damit begründete, dass
der Empfänger der Zahlung als Selbstständigerwerbender hätte abrechnen
sollen. Auf Anfrage der Ausgleichskasse erklärte der Beschwerdeführer, die
Firma habe ihm im Kalenderjahr 1999 für ein in den Jahren 1995 bis 1998
realisiertes Projekt, welches er auf eigenes Risiko, mit eigenen Fahrzeugen,
Werkzeugen und Materialien ausgeführt habe, Fr. 30'375.- (Sammelrechnung) und
für einen Einzelauftrag Fr. 1132.- bezahlt. Er habe das erwähnte Projekt in
seiner Freizeit, neben einer vollzeitlichen Anstellung, realisiert. Im Lichte
dieser Angaben des Beschwerdeführers beruht die durch die Ausgleichskasse
vorgenommene und durch die Vorinstanz bestätigte gleichmässige Aufteilung des
eingenommenen Betrags von Fr. 31'510.- auf die Jahre 1995 bis 1998 weder auf
einer offensichtlich unrichtigen noch einer unvollständigen Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts (Erw. 1.1 hievor) und ist deshalb für das
Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich, zumal den Gewinnungskosten
unbestrittenermassen hinreichend Rechnung getragen wurde. Die
letztinstanzlich erstmals vorgebrachte Darstellung, die Arbeiten seien zu 85%
im Jahr 1996 erbracht worden, ist im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG
unzulässig, da die Vorinstanz auf Grund der Aktenlage nicht gehalten war, von
sich aus diesbezügliche Abklärungen zu tätigen (Erw. 1.2 hievor). Nicht zu
beanstanden ist auch die nach Berücksichtigung weiterer, geringerer Einkünfte
und Abzug der Gewinnungskosten resultierende Bezifferung   des zusätzlichen
Einkommens der Jahre 1995 bis 1998 auf je Fr. 6399.-. Damit ergeben sich die
bereits genannten massgebenden Erwerbseinkommen von Fr. 35'068.- im Jahr 1995
sowie je Fr. 6399.- in den Jahren 1996 bis 1998.

4.
Zu prüfen bleibt, auf welchen Einkünften die Beiträge der vorliegend
streitigen Jahre 1996 bis 2000 zu bemessen sind.

4.1 Nach Lage der Akten nahm der Beschwerdeführer die nebenberufliche
selbstständige Erwerbstätigkeit am 1. Januar 1993 auf und übte sie während
des vorliegend streitigen Zeitraums weiterhin aus. Unter diesen Umständen
ist, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, nicht von einer gelegentlichen
selbstständigen Nebenerwerbstätigkeit im Sinne von Art. 22 Abs. 3 AHVV
auszugehen. Die zeitliche Bemessung der Beiträge hat deshalb nach Massgabe
der allgemeinen Bestimmungen über die Beitragsbemessung im ordentlichen (Art.
22 Abs. 1 und 2 AHVV) und ausserordentlichen Verfahren (Art. 25 AHVV) zu
erfolgen.

4.2
4.2.1Gemäss Art. 22 AHVV (in der bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung) wird
der Jahresbeitrag vom reinen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
durch eine Beitragsverfügung für eine Beitragsperiode von zwei Jahren
festgesetzt. Die Beitragsperiode beginnt mit dem geraden Kalenderjahr (Abs.
1). Der Jahresbeitrag wird in der Regel aufgrund des durchschnittlichen
reinen Erwerbseinkommens einer zweijährigen Berechnungsperiode bemessen.
Diese umfasst das zweit- und drittletzte Jahr vor der Beitragsperiode (Abs.
2).

4.2.2 Nimmt der Beitragspflichtige eine selbständige Erwerbstätigkeit auf
(....), so ermittelt die Ausgleichskasse das massgebende reine
Erwerbseinkommen für die Zeit von der Aufnahme der selbständigen
Erwerbstätigkeit (....) bis zum Beginn der nächsten ordentlichen
Beitragsperiode und setzt die entsprechenden Beiträge fest (Art. 25 Abs. 1
AHVV in der bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung). Die Beiträge sind für
jedes Kalenderjahr aufgrund des jeweiligen Jahreseinkommens festzusetzen. Für
das Vorjahr der nächsten ordentlichen Beitragsperiode sind die Beiträge
aufgrund des reinen Erwerbseinkommens festzusetzen, das der Beitragsbemessung
für diese Periode zugrunde zu legen ist (Art. 25 Abs. 3 AHVV in der bis Ende
2000 gültig gewesenen Fassung).

4.2.3 Gemäss Art. 25 Abs. 4 AHVV (in der vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember
1994 gültig gewesenen Fassung) sind, wenn das Erwerbseinkommen des ersten
Geschäftsjahres unverhältnismässig stark von dem der folgenden Jahre
abweicht, die Beiträge erst für das Vorjahr der übernächsten ordentlichen
Beitragsperiode aufgrund des reinen Erwerbseinkommens festzusetzen, das der
Beitragsbemessung für diese Periode zugrunde zu legen ist. Für die Jahre
davor gilt die Gegenwartsbemessung. Nach der Rechtsprechung ist die
Voraussetzung des unverhältnismässigen starken Abweichens erfüllt, wenn das
Einkommen des ersten Geschäftsjahres mindestens 25% von jenem der beiden
nächsten Geschäftsjahre abweicht (BGE 120 V 161). Intertemporalrechtlich
gelangt die bis Ende 1994 gültig gewesene Fassung von Art. 25 Abs. 4 AHVV zur
Anwendung, wenn sich der für die Rechtsfolge massgebliche Sachverhalt (über
25% Abweichung des Einkommens des ersten Geschäftsjahres von den beiden
nächsten Geschäftsjahren) schwergewichtig oder überwiegend während des
Zeitraums bis 31. Dezember 1994 verwirklicht hat (Urteil A. vom 4. September
2001, H 283/00, Erw. 3d/bb, mit Hinweis auf BGE 126 V 136 Erw. 4b).

Im vorliegenden Fall wurde das erste Geschäftsjahr Ende 1993 abgeschlossen.
Das Ergebnis wich mehr als 25% von jenem der Jahre 1994 und 1995 ab. Unter
diesen Umständen gelangt Art. 25 Abs. 4 AHVV in der bis 31. Dezember 1994
gültig gewesenen Fassung zur Anwendung, da zwei der drei ersten
Geschäftsjahre während der Geltungsdauer dieser Norm abgeschlossen wurden
(Urteil Z. vom 11. März 2003, Erw. 3.3).
4.2.4 Da die selbstständige Erwerbstätigkeit im Jahr 1993 aufgenommen wurde,
bilden die Jahre 1996/97 die nächste ordentliche Beitragsperiode (vgl. BGE
113 V 177 Erw. 1 mit Hinweisen), die Jahre 1998/99 die übernächste. Gestützt
auf Art. 25 Abs. 4 AHVV in der vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1994
gültig gewesenen Fassung sind demzufolge die Beiträge der Jahre 1993 bis 1996
im ausserordentlichen Verfahren auf Grund einer Gegenwartsbemessung, jene der
Jahre 1998 und 1999 (übernächste ordentliche Beitragsperiode) sowie 1997
(Vorjahr der übernächsten ordentlichen Beitragsperiode) im ordentlichen
Verfahren gemäss Art. 22 Abs. 1 und 2 AHVV (in der bis 31. Dezember 2000
gültig gewesenen Fassung) festzusetzen. Letzteres gilt auch für das
Beitragsjahr 2000, für welches der Jahresbeitrag einzeln zu bestimmen ist
(AHVV, Schlussbestimmungen, Abweichende Regelung für die Beitragsjahre 2000
und 2001).

4.3 Nach dem Gesagten hat die Ausgleichskasse mit den lite pendente
erlassenen, vorinstanzlich bestätigten Verfügungen vom 23. Oktober 2001
korrekterweise die Beiträge für das Jahr 1996 auf der Grundlage des im
Beitragsjahr erzielten Einkommens, jene für die Jahre 1997 bis 1999 ausgehend
vom durchschnittlichen reinen Einkommen der Jahre 1995 und 1996 und
diejenigen für das Jahr 2000 gestützt auf das durchschnittliche Einkommen der
Jahre 1997 und 1998 festgesetzt. Die betragsmässige Ermittlung der
Beitragshöhe auf dieser Basis ist zu Recht unbeanstandet geblieben.

5.
Bezüglich der vorinstanzlich ebenfalls bestrittenen, in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht mehr thematisierten Verzugszinsen kann
vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts sowie
die Berechnungsblätter der Ausgleichskasse vom 23. Oktober 2001 verwiesen
werden.

6.
Weil das Verfahren nicht die Gewährung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, ist es kostenpflichtig (Art. 134
OG e contrario). Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer
aufzuerlegen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 14. Juni 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: