Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 276/2003
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H 276/03

Urteil vom 6. Februar 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

K._________, Deutschland, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin

Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen, Lausanne

(Entscheid vom 19. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1934 geborene, geschiedene K._________ hielt sich in den Jahren 1961 bis
1964 sowie 1970 bis 1971 zu Erwerbszwecken in der Schweiz auf. Mit Anmeldung
vom 9. Februar 2001 ersuchte er um eine Altersrente der schweizerischen
Alters- und Hinterlassenenversicherung. Die Schweizerische Ausgleichskasse
(nachfolgend: Ausgleichskasse) sprach ihm mit Verfügungen vom 12. August 2002
ab 1. Juli 1999 eine Altersrente von Fr. 114.-, ab 1. Januar 2001 eine solche
von Fr. 117.- und ab 1. Juni 2002 von Fr. 156.- zu.

B.
Nachdem K._________ hiegegen Beschwerde erhoben und nach Einsicht in die
Akten am Sitz des Sozialgerichts München weitere Unterlagen eingereicht
hatte, verfügte die Ausgleichskasse am 17. März 2003 pendete lite eine
Altersrente ab 1. Juli 1999 von Fr. 117.-, ab 1. Januar 2001 von Fr. 120.-,
ab 1. Juni 2002 von Fr. 160.- und ab 1. Januar 2003 von Fr. 164.-. Mit
Eingabe vom 15. April 2003 hielt K._________ an seiner Beschwerde fest. Die
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen (nachfolgend: Rekurskommission) wies die Beschwerde mit
einzelrichterlichem Entscheid vom 19. August 2003 ab.

C.
K._________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt sinngemäss die
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie die Überprüfung der der
Rentenberechnung zugrunde liegenden Zahlen und Rechtsgrundlagen. Zudem
ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Die Ausgleichskasse schliesst auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Am 5. Oktober 2003 sowie am 7. Januar 2004 reicht K._________ weitere
Eingaben ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden (Art. 114 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 132 OG). Im Rahmen dieser Rechtsanwendung von Amtes wegen
prüft es unter anderem, ob der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt
(Art. 104 lit. a in Verbindung mit Art. 132 OG). Es kann eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus anderen als vom Beschwerdeführer
vorgetragenen Gründen gutheissen, hat sich also nicht auf die Prüfung der von
jenem erhobenen Rügen zu beschränken. Im Sinne dieser Grundsätze prüft das
Gericht nach konstanter Rechtsprechung namentlich von Amtes wegen, ob die
Vorinstanz bundesrechtliche Verfahrensvorschriften verletzt hat,
beispielsweise Vorschriften über die Zuständigkeit oder die Gewährleistung
des rechtlichen Gehörs. Wurden wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt,
hebt das Gericht - vorbehältlich einer allfällligen Heilung des Fehlers im
letztinstanzlichen Verfahren etwa im Zusammenhang mit Gehörsverletzungen -
den angefochtenen Entscheid auf (BGE 125 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen).

2.
2.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits
stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu
gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung
eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise
beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses
geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I 56 Erw. 2b, 127 III
578 Erw. 2c, 126 V 130 Erw. 2a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw. 2a/aa, 124 V 181 Erw. 1a, 375 Erw.
3b, je mit Hinweisen).

2.2 Dem Beschwerdeführer wurde im Laufe des vorinstanzlichen Verfahrens die
Möglichkeit zur Einsicht in sämtliche Akten eingeräumt. Auch wurden ihm alle
Eingaben der Verwaltung zur Kenntnis- und allfälligen Stellungnahme
zugestellt. Auch hat die Rekurskommission ihren Entscheid ausführlich
begründet; entgegen der Ansicht des Versicherten war sie nicht verpflichtet,
zu all seinen Einwänden Stellung zu nehmen, sondern durfte sich nach der
Rechtsprechung auf die entscheidwesentlichen Punkte beschränken (BGE 124 V
181 Erw. 1a mit Hinweisen; bestätigt in der nicht publizierten Erw. 3.1 von
BGE 129 V 196). Insofern kann in keiner Weise von einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs die Rede sein.

3.
3.1 Zu den in Erw. 1 dargelegten wesentlichen Verfahrensvorschriften gehört
auch der verfassungsmässige Anspruch auf die richtige Besetzung des
(vorinstanzlichen) Gerichts (BGE 125 V 502 Erw. 3c).
Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden
Personen entscheidet in Dreier- oder Fünferbesetzung über Beschwerden von
Personen im Ausland gegen Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im
Ausland und der Schweizerischen Ausgleichskasse. Ergibt die Vorprüfung vor
oder nach einem Schriftenwechsel, dass die Beschwerde unzulässig oder
offensichtlich unbegründet ist, so kann ein einzelnes vollamtliches Mitglied
mit summarischer Begründung auf Nichteintreten oder Abweisung erkennen (Art.
85bis Abs. 3 AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG, Art. 71b Abs. 2 VwVG und
Art. 10 lit. c der Verordnung über Organisation und Verfahren eidgenössischer
Rekurs- und Schiedskommissionen [VSRK; SR 173.31]). Als offensichtlich
unbegründet sind Beschwerden gegen Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte
im Ausland und der Schweizerischen Ausgleichskasse zu betrachten, wenn ihnen
von vornherein auf Grund einer summarischen, nichtdestoweniger genauen
Prüfung keinerlei Erfolgschance eingeräumt werden kann. Dies setzt eine klare
Sach- und Rechtslage voraus, und zwar in dem Sinne, dass sich der
Abweisungsentscheid summarisch begründen lässt. Bestehen auch nur geringe
Zweifel in Bezug auf die richtige und vollständige Feststellung des
Sachverhaltes oder die gesetzeskonforme Auslegung und Anwendung des Rechts
durch die verfügende Behörde, hat die Rekurskommission mindestens in
Dreierbesetzung zu entscheiden (Urteil S. vom 30. Dezember 2002, H 342/01;
vgl. auch Urteil H. vom 30. Oktober 2002, I 622/01, sowie Urteil E. vom 9.
Januar 2003, I 364/02).

3.2 Wie im letztinstanzlichen Verfahren ist die Rüge der Verletzung des
rechtlichen Gehörs auch im vorinstanzlichen Verfahren als offensichtlich
unbegründet im Sinne von Art. 85bis Abs. 3 AHVG zu bezeichnen (oben Erw.
2.2). Anders verhält es sich jedoch bei den materiellen Rügen. Nachdem auf
Grund der nachgereichten Geburtsurkunde der Tochter X._________ (die wie ihre
Geschwister in der Anmeldung zur Rente ordnungsgemäss aufgeführt war) die
Rente seitens der Verwaltung neu berechnet werden musste und die Frage der
Beitragszeit des Oktobers 1961 nach wie vor streitig ist, ist die Sachlage
nicht als klar zu bezeichnen. Insbesondere kann aber auf Grund des
Inkrafttretens des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über
Freizügigkeit sowie des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG; vgl. hiezu etwa die unterschiedliche Ansicht
innerhalb der vorinstanzlichen Kammer über die Anwendung von Art. 53 ATSG)
und der in diesem Zusammenhang noch fehlenden gefestigten Praxis und
Rechtsprechung nicht von einer eindeutigen Rechtslage im Sinne einer
zweifelsfrei gesetzeskonformen Auslegung und Anwendung des Rechts die Rede
sein. Dass die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig ist, zeigt sich auch
darin, dass die Begründung keineswegs summarisch erfolgte. Die Beschwerde
lässt sich daher nicht als offensichtlich unbegründet bezeichnen, weshalb
darüber mindestens in Dreierbesetzung hätte entschieden werden müssen. Dieser
formelle Mangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ohne dass
zur materiell streitigen Frage der Rentenberechnung Stellung zu nehmen ist.

4.
Der Versicherte ersucht in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten
sowie der kostenlosen Verbeiständung durch einen Anwalt oder eine Anwältin.

4.1 Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die
Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und
Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die
Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch
geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).

4.2 Das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von
den Gerichtskosten ist gegenstandslos, da in der vorliegenden Streitsache für
das letztinstanzliche Verfahren auf Grund von Art. 134 OG keine
Verfahrenskosten erhoben werden.

4.3 Nachdem die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen auf Grund eines
formellen Mangels gutzuheissen und an die Vorinstanz zurückzuweisen ist,
hätte auch eine nachträgliche Verbeiständung des Versicherten kein anderes
Ergebnis gebracht. Die Beiziehung eines Anwalts oder einer Anwältin erweist
sich somit nicht als geboten, womit das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung mangels Notwendigkeit abzuweisen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland
wohnenden Personen vom 19. August 2003 aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre
und über die Beschwerde vom 4. September 2002 neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: