Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 273/2003
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H 273/03
H 278/03

Urteil vom 4. Oktober 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Schüpfer

H 273/03
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang
Zürcher, c/o Wenger Vieli Belser, Dufourstrasse 56, 8034 Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin,

und

H 278/03
M.________, 1940, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Thomas
Bähler, Kapellenstrasse 14, 3011 Bern,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin,

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheide vom 30. Juli 2003)

Sachverhalt:

A.
S. ________ und M.________ waren ab dem 8. September 1997 Verwaltungsräte der
im Juli 1997 aus der P.________ GmbH hervorgegangenen P.________ AG mit Sitz
in X.________. Neben ihnen amteten E.________ als Verwaltungsratspräsident
und der Hauptaktionär, L.________, als Verwaltungsratsdelegierter. Die Firma
war bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern als beitragspflichtige
Arbeitgeberin angeschlossen. Am 15. September 1998 wählte die
Generalversammlung die Verwaltungsräte E.________, S.________ und M.________
ab; am 9. Februar 1999 wurde über die P.________ AG der Konkurs eröffnet und
in der Folge mangels Aktiven wieder eingestellt. Die Ausgleichskasse erliess
am 9. Februar 2000 unter anderem gegen S.________ und M.________
Schadenersatzverfügungen mit welchen sie für entgangene
AHV/IV/EO/ALV-Beiträge inklusive Verzugszinsen den Betrag von je Fr.
120'302.45 verlangte. Die Betroffenen erhoben Einspruch.

B.
Die Ausgleichskasse reichte Klagen auf Zahlung von Schadenersatz im verfügten
Umfang ein, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheiden
vom 30. Juli 2003 guthiess.

C.
S.________ und M.________ lassen je Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit
den Anträgen, der vorinstanzliche Entscheid sei abzuweisen und die Verfügung
vom 9. Februar 2000 aufzuheben (S.________ und M.________), eventuell sei die
Schadenersatzsumme auf die Arbeitnehmerbeiträge für AHV/IV/EO ohne Mahnkosten
und Verzugszinsen zu reduzieren und davon ein Betrag nach den Grundsätzen der
differenzierten Solidarität zu ermitteln (S.________).

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerden, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf Vernehmlassung verzichtet.

D.
Sowohl S.________ als auch M.________ wurden als Mitinteressierte beigeladen.
Während S.________ ohne konkreten Verfahrensantrag Stellung bezieht, lässt
M.________ sinngemäss auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu
Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den
nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die
beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE
128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).

1.2 Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden kann nur soweit eingetreten
werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im
vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden in
dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung
für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richten
(vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
2.1 Da es sich bei den angefochtenen Verfügungen nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.2 Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen
aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend
eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel
zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und
deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften
darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

Zwar ist der Verwaltungsprozess vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, wonach
Verwaltung und Gericht von sich aus für die richtige und vollständige
Abklärung des Sachverhalts zu sorgen haben; doch entbindet das den
Rechtsuchenden nicht davon, selber die Beanstandungen vorzubringen, die er
anzubringen hat (Rügepflicht), und seinerseits zur Feststellung des
Sachverhalts beizutragen (Mitwirkungspflicht). Unzulässig und mit der weit
gehenden Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG
unvereinbar ist es darum, neue tatsächliche Behauptungen und neue
Beweismittel erst im letztinstanzlichen Verfahren vorzubringen, obwohl sie
schon im kantonalen Beschwerdeverfahren hätten geltend gemacht werden können
und - in Beachtung der Mitwirkungspflicht - hätten geltend gemacht werden
müssen. Solche (verspätete) Vorbringen sind nicht geeignet, die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG
erscheinen zu lassen (BGE 121 II 100 Erw. 1c; AHI 1994 S. 211 Erw. 2b mit
Hinweisen).

3.
3.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Recht, insbesondere auch hinsichtlich
der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG sowie Art. 81 und 82 AHVV geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 166 Erw. 4b), kommen
im vorliegenden Fall jedoch die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden
Bestimmungen zur Anwendung.

3.2 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die für die Schadenersatzpflicht
nach Art. 52 AHVG geltenden Regeln zutreffend dargelegt, sodass darauf
verwiesen werden kann.

3.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Haftung gemäss
Art. 52 AHVG nicht um eine Kausalhaftung, sondern um eine
Verschuldenshaftung, wobei die Schadenersatzpflicht ein qualifiziertes
Verschulden voraussetzt. Dementsprechend ist die Nichtabrechnung oder Nichtbezahlung der Beiträge für sich allein nicht haftungsbegründend;
vielmehr bedarf es zusätzlich zur Widerrechtlichkeit (Missachtung von Art. 14
Abs. 1 AHVG) eines Verschuldens in Form von Absicht oder grober
Fahrlässigkeit. Verwaltung und Sozialversicherungsgericht dürfen sich daher
bei festgestellter Verletzung der AHV-Vorschriften nicht auf die Prüfung
beschränken, ob Exkulpations- oder Rechtfertigungsgründe vorliegen, sondern
haben vorgängig festzustellen, ob ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von
Art. 52 AHVG anzunehmen ist (BGE 121 V 244 Erw. 5). Die Annahme eines
qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 52 AHVG setzt einen
Normverstoss von einer gewissen Schwere voraus.

3.2.2 Nicht jedes einer Firma als solcher anzulastende Verschulden muss auch
ein solches ihrer sämtlichen Organe sein. Vielmehr ist abzuwägen, ob und
inwieweit eine Handlung der Firma einem bestimmten Organ im Hinblick auf
dessen rechtliche und faktische Stellung innerhalb der Firma zuzurechnen ist.
Ob ein Organ schuldhaft gehandelt hat, hängt demnach entscheidend von der
Verantwortung und den Kompetenzen ab, die ihm von der juristischen Person
übertragen wurden (BGE 108 V 202 Erw. 3a; ZAK 1985 S. 620 Erw. 3b). Waren
mehrere Verwaltungsräte im Amt, so ist für jeden von ihnen einzeln zu prüfen,
ob sie am Schaden der Ausgleichskasse ein Verschulden trifft. Obliegt die
Geschäftsführung einem Mitglied des Verwaltungsrates, so handeln weitere
Verwaltungsräte schuldhaft, wenn sie die nach den Umständen gebotene Aufsicht
nicht ausüben (BGE 108 V 202 Erw. 3a; vgl. auch BGE 114 V 213 ff. und 111 V
178).

4.
Beschwerdeführer S.________ rügt ausdrücklich die Verletzung von Art. 104
lit. b (in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2) OG, da die Vorinstanz wichtige
Sachverhaltsbestandteile unerwähnt gelassen und bei ihrer rechtlichen
Beurteilung ignoriert habe, womit der rechtserhebliche Sachverhalt unrichtig
oder unvollständig festgestellt worden sei. Die Verletzung dieser Bestimmung
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht von Amtes wegen zu prüfen (vgl.
Erwägung 2.1 hievor).

4.1 Bei der P.________ AG handelte es sich um ein mittelgrosses Unternehmen
mit einer sehr stark schwankenden Zahl von Arbeitnehmern (im Jahre 1998 wurde
an über 120 verschiedene Mitarbeitende Löhne ausbezahlt), fünf
Regionaldirektionen und - neben dem geschäftsführenden
Verwaltungsratsdelegierten - fünf weiteren Direktoren. Die beiden
Beschwerdeführer waren aussenstehende Verwaltungsräte, welche nicht selbst
mit Geschäftsführungsaufgaben betraut waren und im Gegensatz zum
Verwaltungsratsdelegierten kollektiv zu zweien zeichneten. Dies gilt auch für
M.________, welcher zwar in einem Teilzeitpensum bei der Firma angestellt
war, dies jedoch nicht in einer Geschäftsführerposition. Beide
Beschwerdeführer haben sich - soweit  sowohl vor Vorinstanz wie auch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde  vorgebracht - auch faktisch nicht mit solchen
Aufgaben befasst. Sie haben insbesondere keine Funktionen im Bereich des
Rechnungs- und Zahlungswesens ausgeübt. Es fragt sich, ob sie der ihnen als
Verwaltungsratsmitglieder obliegenden allgemeinen Kontroll- und
Aufsichtspflicht nachgekommen sind.

4.2
4.2.1Wie die Beschwerdeführer sowohl vorinstanzlich, wie auch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausführen und mit Akten belegen, war ihnen bis
zum Vorliegen der Zwischenbilanz per 30. April 1998 am 23. Juni 1998 nicht
bekannt, dass die Firma in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Die
regelmässigen Berichte der monatlich stattfindenden regionalen
Direktorenkonferenz, welche insbesondere dem Beschwerdeführer M.________
zugingen, zeigten ein stetiges Wachstum. Im November 1997 wurde dem gesamten
Verwaltungsrat beispielsweise über ein solches von 30 - 40% im Monat
berichtet. Als Arbeitnehmer konnte Beschwerdeführer M.________ auch erfahren,
dass Lohnabrechnungen und Zahlungen korrekt und pünktlich erfolgten. Es
bestand demnach kein Anlass, an der Zahlungsfähigkeit der Firma zu zweifeln.
In seiner Eigenschaft als Berater für die Versicherungsbranche hatte er auch
Gelegenheit mit den Geschäftspartnern Kontakt zu pflegen. Nach seinen Angaben
kamen auch von dort keine negativen Berichte über Unregelmässigkeiten. Damit
wurden interne Informationen aktiv extern überprüft. Es zeigten sich keine
Divergenzen, die zu einem Handeln veranlasst hätten. Diese
Sachverhaltsdarstellung, welche sich auch aus den Akten ergibt, hat das
kantonale Gericht mit keinem Wort gewürdigt und damit den Sachverhalt
unvollständig festgestellt. Dies stellt eine Verletzung von Art. 104 lit. b
und Art. 105 Abs. 2 OG dar. Hingegen hat es festgestellt, dass die
Zwischenbilanz per 30. April 1998 noch erhebliche flüssige Mittel auswies. Es
ist nicht ersichtlich, weshalb bei den Beschwerdeführern trotzdem der
dringende Verdacht hätte aufkommen müssen, "dass vorliegend die geschuldeten
Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäss ausgewiesen wurden".

4.2.2 Entgegen der Darstellung im angefochtenen Entscheid ging es  bei der im
März 1998 entdeckten "Unregelmässigkeit in der Geschäftsführung" nicht um
finanzielle Probleme. Mit dieser Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz wird
der aktenwidrige Eindruck erweckt, bei den Unregelmässigkeiten habe es sich
um solche finanzieller Art gehandelt. Dem haben die Beschwerdeführer aber
bereits vorinstanzlich mittels geeigneter Beweisurkunden widersprochen. Der
Verwaltungsrat fühlte sich vielmehr nicht zeitgerecht über ein wichtiges
Schreiben der Eidgenössischen Bankenkommission orientiert. Beschwerdeführer
M.________ legte schon vorinstanzlich dar, er habe im März 1998 gerüchteweise
vernommen, es sei bei Lohnzahlungen und dem Begleichen von Telefonrechnungen
zu Verzögerungen gekommen. Er habe in der Folge sofort mit der dafür
zuständigen Direktorin Kontakt aufgenommen und um Erläuterung ersucht. Auf
Nachfragen hin sei ihm versichert worden, es sei alles in Ordnung. Er erhielt
denn auch keine weitere Nachricht von ähnlichen Vorfällen. Trotzdem
orientierte er seine Verwaltungsratskollegen, welche bei der externen
Buchhaltungsstelle eine Zwischenbilanz per 30. April 1998 in Auftrag gaben.
Erst als diese am 23. Juni 1998 vorlag, erhielten die Beklagten Kenntnis von
den finanziellen Schwierigkeiten der Firma.

Diese bereits vorinstanzlich vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung blieb
unwidersprochen. Trotzdem hat sie das kantonale Gericht weder erwähnt noch
gewürdigt. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz liegt kein grobes
Verschulden im Umstand, dass sich die Beschwerdeführer nicht sofort und
intensiv um die Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gekümmert hatten.
Die Zwischenbilanz wies einen Aufwand unter dem Titel AHV/IV/ALV/EO von Fr.
142'214.94 aus. Von entsprechenden Ausständen war nicht die Rede. Nach
Darstellung der Ausgleichskasse wurden zwar überhaupt nie Beiträge bezahlt.
Dies konnten die Beschwerdeführer aber nicht wissen. Es liegt kein grobes
Verschulden darin, dass sie auf die von einer externen Treuhandstelle, der
Firma C.________ AG, erstellte Zwischenbilanz vertraut zu haben.

4.2.3 Der Verwaltungsrat unternahm sofort wesentliche Schritte um die Firma
zu retten. Er stellte einen auswärtigen Turnaround-Manager an, verringerte
die Ausgaben, liess sich vom Hauptaktionär neues Geld zusichern und
vereinbarte mit wichtigen Gläubigern Stundungen. Zudem suchte er neue
auswärtige Investoren. Als sich ein solcher nach anfänglicher Zusage von
Kapital im Betrag von Fr. 450'000.- zurückzog, nachdem er von unlauterem
Geschäftsgebaren von Seiten des Verwaltungsratsdelegierten und Hauptaktionärs
L.________ gehört hatte, reagierten die Verwaltungsräte E.________,
S.________ und M.________ gleichentags, indem sie das Arbeitsverhältnis mit
L.________ fristlos kündigten und beschlossen, die Bilanz der Firma beim
Konkursrichter zu deponieren. Daran wurden sie vom Hauptaktionär durch
sofortige Abwahl aus dem Verwaltungsrat gehindert. Auch diese belegten
Sachverhaltselemente wurden vom kantonalen Gericht mit keinem Wort gewürdigt.
Stellt man indessen auf diese ausgewiesenen und unwidersprochenen Tatsachen
ab, steht fest, dass die Beschwerdeführer alles ihnen Zumutbare unternommen
hatten, um die Firma zu retten und damit auch die Ausgleichskasse vor Schaden
zu bewahren.

4.2.4 Es ergeben sich zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass die
Beschwerdeführer je auf die Notwendigkeit einer ordnungsgemässen Bezahlung
der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge hingewiesen oder sich auf andere
Weise um die Verbindlichkeiten gegenüber der Ausgleichskasse gekümmert
hätten. Anderseits spricht nichts dafür, dass sie von den eingetretenen
Unregelmässigkeiten bei den Beitragszahlungen wussten oder hievon bei
hinreichender Aufmerksamkeit hätten Kenntnis haben müssen. Entsprechende
Hinweise waren insbesondere auch der Zwischenbilanz vom 23. Juni 1998 nicht
zu entnehmen. Wie sich aus dem vorstehend Gesagten (Erwägung 4.2.2) ergibt,
durften sie angesichts der als bezahlt ausgewiesenen Summe von ca. Fr.
140'000.- davon ausgehen, dass zumindest bis zum 30. April 1998 die Zahlungen
ordentlich erfolgt waren. Gemäss verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(vgl. Erwägung 1.3 hievor), betrug der Schaden bis zum Austritt der Beklagten
aus dem Verwaltungsrat - damit bis zum 15. September 1998 - Fr. 123'379.20.
Die Beschwerdeführer mussten daher nicht damit rechnen, es beständen
entsprechende Schulden. Dass sie sich nicht von sich aus über die Einhaltung
der Verbindlichkeiten gegenüber der Ausgleichskasse und die ordnungsgemässe
Bezahlung der geschuldeten Beiträge vergewissert haben, kann ihnen unter den
gegebenen Umständen allenfalls als fahrlässiges, nicht aber als
grobfahrlässiges Verhalten angelastet werden (vgl. dazu auch Urteil F. vom
25. Juli 2000, H 319/99).

5.
Nach dem Gesagten lässt sich der vorinstanzliche Entscheid mit der
Haftungsregelung von Art. 52 AHVG, welche ein qualifiziertes Verschulden in
Form von Absicht oder grober Fahrlässigkeit voraussetzt, nicht vereinbaren.
Damit kann offen bleiben, ob die Ausgleichskasse ihren Schaden genügend
substantiiert hat und ob zwischen dem Verhalten der Beschwerdeführer und dem
eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht.

6.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).
Entsprechend dem Ausgang des Prozesses gehen die Kosten zu Lasten der
Beschwerdegegnerin (Art. 156 Abs. 1 OG), welche die durch je einen
Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer zu entschädigen hat (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verfahren H 273/03 und H 275/03 werden vereinigt.

2.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerden, soweit auf sie
einzutreten ist, werden die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons
Bern vom 30. Juli 2003 aufgehoben, und es werden die Schadenersatzklagen der
Ausgleichskasse Bern vom 5. April 2000 abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 5000.- werden der Ausgleichskasse Bern auferlegt.

4.
Die geleisteten Kostenvorschüsse von je Fr. 5000.- werden den
Beschwerdeführern zurückerstattet.

5.
Die Ausgleichskasse Bern hat den Beschwerdeführern für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von je Fr.
3000.- (Honorar, Auslagenersatz und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

6.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über Parteientschädigungen für
die kantonalen Verfahren entsprechend dem Ausgang der letztinstanzlichen
Prozesse zu befinden haben.

7.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 4. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: