Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 26/2003
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H 26/03

Urteil vom 17. Juni 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke

W.________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 28. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Die aus der Einzelfirma W.________ hervorgegangene Firma S.________ GmbH war
seit 1. Juli 1999 bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich als
beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen. W.________ amtete als
Gesellschafter und Geschäftsführer, R.________ als Gesellschafter, beide mit
Einzelunterschrift. Am 10. Mai 2001 wurde über die Gesellschaft der Konkurs
eröffnet und am 30. Mai mangels Aktiven eingestellt. Mit Verfügung vom 16.
Mai 2002 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich (nachfolgend:
Ausgleichskasse) W.________ zur Bezahlung von Schadenersatz gemäss Art. 52
AHVG für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (einschliesslich
Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen, Mahngebühren und Betreibungskosten)
im Betrag von Fr. 22'785.20.

B.
Die auf Einspruch von W.________ hin von der Ausgleichskasse gegen diesen
erhobene Schadenersatzklage im gegenüber der Verfügung reduzierten Umfang von
Fr. 21'220.40 (gegenüber der Verfügung wurde die erst am 11. Juni 2001 und
damit nach Konkurseröffnung ergangene Rechnung über Fr. 1'564.80 nicht
berücksichtigt) hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 28. November 2002 gut.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt W.________ die Abweisung der
Schadenersatzklage, eventualiter die Herabsetzung der Schadenersatzforderung
um die Hälfte.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten
werden, als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

1.2 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Vorinstanz hat die in materiellrechtlicher Hinsicht massgebenden Normen
(Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und
die Rechtsprechung zur subsidiären Haftbarkeit der Organe, insbesondere die
auf die GmbH analog anwendbare (AHI 2000 S. 220) Rechtsprechung zur
Aktiengesellschaft (BGE 123 V 15 Erw. 5b), zur Haftungsvoraussetzung des
qualifizierten Verschuldens (BGE 108 V 186 Erw. 1b, 193 Erw. 2b) sowie
bezüglich dem dabei zu berücksichtigenden - differenzierten -
Sorgfaltsmassstab (BGE 108 V 202 Erw. 3a; vgl. auch Thomas Nussbaumer, Die
Haftung des Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, in: AJP 9/96, S. 1081)
zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Entscheides über die Schadenersatzklage (hier: 28. November
2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen haben unberücksichtigt
zu bleiben.

3.
3.1 Wie das kantonale Gericht verbindlich festgestellt hat (vgl. Erw. 1.2
hievor), setzt sich die Schadenersatzforderung aus offenen Beiträgen der
Jahre 1999 und 2000 zusammen. Die konkursite Gesellschaft entrichtete seit
der Umwandlung der Einzelfirma in eine GmbH im Juli 1999 die geschuldeten
Beiträge nicht korrekt. Bereits die erste, am 17. September 1999 an die GmbH
gestellte Rechnung betreffend das 3. Quartal 1999 von Fr. 6'482.80 musste
gemahnt und am 20. Januar 2000 betrieben werden. Auch die zweite Rechnung vom
14. Dezember 1999 für das 4. Quartal 1999 in der gleichen Höhe blieb
unbezahlt, worauf die Ausgleichskasse am 27. März 2000 ein in der Folge der
Betreibung gestelltes Gesuch der GmbH um Zahlungsaufschub für die bis dahin
aufgelaufenen Beiträge von ingesamt Fr. 19'094.10 bewilligte. Vereinbart
wurde dabei eine Zahlung in 7 Raten zu je Fr. 2'727.75, fällig jeweils Ende
Monat von März bis September 2000. Es folgten weitere sechs
Quartalsrechnungen sowie die Schlussabrechnungen für 1999 am 25. August 2000
und für 2000 am 16. März 2001. Die Gesellschaft beglich keine Rechnung in der
geforderten Höhe und innerhalb der Zahlungsfrist; vielmehr erfolgten neben
fünf Ratenzahlungen an die Ausgleichskasse in der Höhe von Fr. 2'727.75 im
April, Mai, Juni, Juli und Oktober 2000 keine weiteren Zahlungen. Damit
verstiess die Gesellschaft gegen die - in masslicher Hinsicht unbestrittene -
Beitragszahlungspflicht und missachtete Vorschriften im Sinne von Art. 52
AHVG. Dieses Verschulden der Arbeitgeberin hat das kantonale Gericht zu Recht
dem Beschwerdeführer, seines Zeichens Geschäftsführer der GmbH, als
grobfahrlässiges Verhalten angerechnet. Insbesondere verneinte es auf Grund
der Umstände das Vorliegen eines Exkulpationsgrundes im Zusammenhang mit der
Gewährung des Zahlungsaufschubes und des entsprechenden Betreibungsrückzuges
durch die Ausgleichskasse. Es kann in diesem Zusammenhang vollumfänglich auf
die entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.

3.2 Was der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen
vorbringt, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen.

Soweit er gegen den Vorwurf der Grobfahrlässigkeit zunächst einwendet, er
habe die Buchführung einem Treuhänder überlassen, damit alles mit rechten
Dingen ablaufe, so ist festzuhalten, dass aus den Akten gar nicht ersichtlich
ist, dass er das Zahlungswesen und insbesondere die Abrechnungs- und
Beitragszahlungspflicht gegenüber der Ausgleichskasse einem Buchhalter
übergeben hätte, hat doch gerade er selbst die Kontakte mit der
Ausgleichskasse gepflegt, wie er das geltend macht und wie aus der in den
Akten liegenden Korrespondenz hervorgeht. Auch hat er eigenhändig die
Lohnabrechnungen ausgefüllt und die Betreibungen selbst entgegen genommen.

Ohnehin vermöchte er sich auch bei Delegation dieser Aufgaben an einen
Treuhänder nicht zu entlasten, hätte er doch diesfalls weiterhin die
unübertragbare und unentziehbare Pflicht der Oberaufsicht und damit die
Pflicht zur Überwachung der korrekten Bezahlung der
Sozialversicherungsbeiträge (BGE 109 V 88 Erw. 6; Urteile W. vom 19. November
2002, H 165/01, und K. vom 27. Juli 2000 Erw. 3b, H 417/99). Zwar können
einzelne Geschäftsführungsfunktionen delegiert werden. Zur Wahrung der
geforderten Sorgfalt gehört jedoch neben der richtigen Auswahl des geeigneten
Mandatsträgers auch dessen Instruktion und Überwachung. Der Geschäftsführer
kann sich allein durch Delegation der Aufgaben nicht seiner Verantwortung
entledigen. Dies gilt für einen geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH
(AHI 2000 S. 220) ebenso wie für einen Verwaltungsrat (BGE 123 V 15 Erw. 5b),
einen Vereinspräsidenten (AHI 2002 S. 251) oder einen Stiftungsrat (Urteil F.
vom 30. Juli 2001, H 14/01).

In Kenntnis der ständigen Beitragsausstände hätte der Beschwerdeführer
vielmehr konkrete Massnahmen zur Bezahlung der ausstehenden
Sozialversicherungsbeiträge ergreifen müssen. Indem er dies unterliess, hat
er sich zu passiv verhalten (ZAK 1989 S. 104) und damit in grober Weise gegen
die Pflichten als Gesellschaftsorgan verstossen, was eine Haftung für den
eingetretenen Schaden nach sich zieht. Gerade für energische Massnahmen zur
Sicherstellung der Beitragszahlungen bestand in diesem Kleinbetrieb, in
welchem an die Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers praxisgemäss strenge
Anforderungen zu stellen sind (BGE 108 V 203 Erw. 3b), genügend Anlass,
nachdem die Gesellschaft mehrmals gemahnt und betrieben werden musste. In
diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführer auch nicht zu hören, soweit er
einwendet, die Ausgleichskasse habe ihn nie auf eventuelle Verstösse
aufmerksam gemacht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Ausgleichskasse
den Beschwerdeführer zusätzlich über die Ausstände hätte informieren müssen,
nachdem bereits die erste erfolgte Beitragsrechnung von der Ausgleichskasse
gemahnt und betrieben werden musste und der Beschwerdeführer die Betreibung
noch selbst in Empfang genommen hat, die GmbH aber dennoch während der
gesamten Dauer ihres Bestehens keine einzige Rechnung fristgerecht bezahlte.
Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe
das beachtet und sich so verhalten, was jedem verständigen Menschen in
gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten
müssen (BGE 112 V 159 Erw. 4 mit Hinweisen), weshalb ihm das Verschulden der
GmbH als grobfahrlässiges Verhalten anzurechnen ist.

3.3 Was schliesslich den Eventualantrag auf Herabsetzung der Schadensumme um
die Hälfte betrifft, ist festzuhalten, dass die Schadenersatzpflicht gemäss
Art. 52 AHVG nur insofern in sinngemässer Anwendung von Art. 4 VG und Art. 44
Abs. 1 OR Herabsetzungsgründen zugänglich ist, als die Verwaltung mit einer
groben Pflichtverletzung zur Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens
adäquat kausal beigetragen hat (BGE 122 V 185). Im Gegensatz zur
Verantwortlichkeit nach Art. 754ff. OR kann also eine Reduktion der
Schadenssumme nur auf Grund des Verhaltens des Gläubigers, hier also der
Ausgleichskasse erfolgen, nicht aber auf Grund des Verhaltens des Schuldners
oder seiner persönlichen Umstände. Dass sich die Verwaltung einer groben
Pflichtverletzung schuldig gemacht hätte, was namentlich der Fall ist, wenn
sie elementare Vorschriften der Beitragsveranlagung und des Beitragsbezugs
missachtet hat, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat sie sich auch
bezüglich der Gewährung des Zahlungsaufschubes gesetzeskonform verhalten, wie
bereits die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend gehen die Kosten zu Lasten des
Beschwerdeführers (Art. 134 OG e contrario; Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 17. Juni 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: