Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 265/2003
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H 265/03

Urteil vom 27. April 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

B.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Erik Johner,
Aeschenvorstadt 67, 4010 Basel,

gegen

Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Kirchenweg 8, 8008 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 18. August 2003)

Sachverhalt:

A.
A. ________ war Präsident und B.________ Mitglied des Verwaltungsrates der
Firma O.________ AG, über welche am 30. Juni 1999 der Konkurs eröffnet wurde.
Die Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie (im Folgenden:
Ausgleichskasse) forderte mit Verfügungen vom 9. Juni 2000 von A.________ und
B.________ Schadenersatz in solidarischer Haftbarkeit für mutmasslich
entgangene AHV/IV/EO/ ALV-Beiträge inklusive Verzugszinsen über den Betrag
von Fr. 152'541.35. Die Verwaltungsräte erhoben dagegen Einspruch.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die gegen A.________ und
B.________ eingereichten Klagen, mit welchen der bereits verfügungsweise
geltend gemachte Schadenersatz eingefordert wurde, in dem Sinne teilweise
gut, als es die Betroffenen verpflichtete, der Ausgleichskasse unter
solidarischer Haftung Fr. 20'198.50 zu bezahlen (Entscheid vom 18. August
2003).

C.
B.________ lässt mit dem Antrag Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen, der
Entscheid vom 18. August 2003 sei insoweit aufzuheben, als die
Schadenersatzforderung den Betrag von Fr. 9'425.98 übersteige.

Die Ausgleichskasse und das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während der
Mitbeteiligte A.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung auf
Vernehmlassung verzichten.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
In materiell rechtlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht die zu Art. 52
AHVG ergangenen Grundsätze gemäss der Rechtsprechung unter Einschluss der
masslichen Überprüfbarkeit der Schadenersatzforderung, soweit sie, wie hier,
nicht auf vor dem Konkurseintritt rechtskräftig gewordenen
Beitragsverfügungen oder -abrechnungen beruht (ZAK 1991 S. 126), in allen
Teilen zutreffend dargelegt. Richtigerweise hat es auch ausgeführt, dass das
am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil
des Sozialversicherungsrechts (ATSG) keine Anwendung findet (BGE 129 V 4 Erw.
1.2 mit Hinweisen, 127 V 467 Erw. 1, 126 V 166 Erw. 4b). Es wird darauf
verwiesen.

3.
Da der Schadenersatzprozess nach Art. 52 aAHVG keine Beitragsstreitigkeit im
Sinne von Art. 114 Abs. 1 OG darstellt (BGE 119 V 392 Erw. 2b mit Hinweisen),
ist aufgrund des Rechtsbegehrens in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur zu
beurteilen, ob die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit.
a OG) den Beschwerdeführer zu Schadenersatz in Höhe eines Fr. 9'425.98
übersteigenden Betrages verpflichtet hat. Hingegen besteht keine prozessuale
Möglichkeit, die vorinstanzliche Verurteilung zu Schadenersatz im anerkannten
Umfange von Fr. 9'425.98 in die Prüfung miteinzubeziehen.

4.
Der Beschwerdeführer beschränkt Rechtsbegehren und Begründung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf den Umstand, dass er am 26. November 1998
aus dem Verwaltungsrat der Firma O.________ AG zurücktrat. Er macht im
Wesentlichen geltend, er könne nicht für Beiträge haftbar gemacht werden,
welche für das Jahr 1999 nachzuerheben seien, als er nicht mehr Organstellung
in der Firma hatte.

4.1 Sowohl im Verfahren H 261/02 betreffend Firma X.________AG, welches mit
Urteil vom 7. Mai 2003 letztinstanzlich entschieden wurde, als auch im
vorliegend zu beurteilenden Fall der konkursiten Firma O.________ AG haben
die Unternehmensverantwortlichen nicht dafür gesorgt, dass u.a. für die an
A.________ ausgerichteten Entgelte Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden
sind. Darauf hat das kantonale Gericht die Schadenersatzpflicht des
Beschwerdeführers beschränkt, dies gestützt auf die von A.________ anlässlich
der (für beide Fälle gemeinsam durchgeführten) Instruktionsverhandlungen vom
25. Oktober 2001 gemachten Angaben über Bezüge von Fr. 20'000.- (1997), Fr.
50'000.- (1998) und Fr. 80'0000.- (1999).

4.2 Nach der Rechtsprechung haftet ein Verwaltungsrat grundsätzlich nur für
diejenigen später ausgefallenen Sozialversicherungsbeiträge, welche fällig
wurden, als die Organstellung bestand (BGE 126 V 61; Have 2003 155). Bei
Verwaltungsräten kommt es also auf das effektive Ausscheiden aus dem
Verwaltungsrat an (BGE 112 V 5 Erw. 3c, 109 V 94 f.). Für nach dem Zeitpunkt
des effektiven Ausscheidens des formellen Organs fällig gewordene Beiträge
entfällt grundsätzlich die Haftung, es sei denn, der Schaden gehe auf
Handlungen des ehemaligen Organs zurück, welche sich erst nach dessen
Ausscheiden ausgewirkt haben (vgl. den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erwähnten, auch bei Thomas Nussbaumer, Die Haftung des Verwaltungsrates nach
Art. 52 AHVG, in: AJP 1996 S. 1081 Fussnote 115 zitierten Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 27. Mai 1993, wiedergegeben auch in
SJZ 89/1993 S. 398). Diesen Standpunkt nimmt auch das Eidgenössische
Versicherungsgericht in seiner Rechtsprechung ein (HAVE 2003 155; vgl. auch
nicht veröffentlichtes Urteil W. vom 26. April 1993, H 17/92). Daran ist
festzuhalten, weil der Verwaltungsrat für alle Schäden haften soll, die wegen
vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung von AHV-Vorschriften aus
seiner Organstellung heraus in kausaler Weise entstehen. Wie das kantonale
Gericht in seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend
bemerkt, sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Wäre über die Bezüge an
A.________ von Anfang an ordnungsgemäss abgerechnet worden, wäre es auch zu
einer Beitragserhebung für das Jahr 1999 gekommen, als die AG noch nicht
zahlungsunfähig war. Der Beitragsausfall ist daher in kausaler Weise auf das
grobfahrlässige Verhalten des Beschwerdeführers als Verwaltungsrat
zurückzuführen.

5.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht (Erw. 1 hiervor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e
contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses gehen die Gerichtskosten
zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1'600.- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 27. April 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: