Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 260/2003
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H 260/03

Urteil vom 19. Februar 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber
Attinger

1. H.________,

2. S.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt
Peter Fertig, Seebahnstrasse 85, 8003 Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 30. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
A.a H.________ war Präsident, S.________ Mitglied des Verwaltungsrates der
Handels- und EDV-Dienstleistungsfirma X.________ AG über die am 21. Juni 1991
der Konkurs eröffnet wurde (Einstellung mangels Aktiven am 3. Juli 1991).
Darin kam die Ausgleichskasse des Kantons Zürich, welcher die Konkursitin als
beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen gewesen war, mit paritätischen
bundesrechtlichen Sozialversicherungsbeiträgen und Beiträgen an die kantonale
Familienausgleichskasse (samt dazugehörigen Folgekosten) zu Verlust. Mit
Verfügungen vom 2. Juni 1992 verpflichtete die Ausgleichskasse H.________ und
S.________ in solidarischer Haftbarkeit zur Bezahlung von Schadenersatz in
der Höhe von Fr. 43'978.50 (zuzüglich 5 % Verzugszinsen pro Jahr auf Fr.
43'911.30).

A.b Auf Einsprache der Betroffenen hin machte die Ausgleichskasse ihre
Forderung bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich klageweise geltend.
Diese hiess die Klage mit Entscheid vom 25. Januar 1994 teilweise gut;
H.________ und S.________ wurden solidarisch haftend verpflichtet, der
Ausgleichskasse einen im Sinne der Erwägungen noch festzusetzenden
Schadensbetrag zu bezahlen.

A.c Das Eidgenössische Versicherungsgericht hiess die von H.________ und
S.________ dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 7.
Januar 1997 gut, hob den vorinstanzlichen Entscheid, soweit er die
Schadenersatzklage für bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge (inkl.
Verwaltungskosten) betraf, auf und wies die Sache an das (nunmehr zuständige)
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurück, damit es, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Schadenersatzklage der
Ausgleichskasse mit rechtsgenüglicher Begründung neu entscheide. Das
kantonale Gericht holte in der Folge ab 30. Juli 2002 bei den Parteien
ergänzende Angaben und Belege sowie je eine weitere Stellungnahme ein.

B.
Mit Entscheid vom 30. Juni 2003 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht
H.________ und S.________ in teilweiser Gutheissung der Klage solidarisch zur
Bezahlung von Schadenersatz (für entgangene bundesrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge) an die Ausgleichskasse im Betrag von Fr.
28'471.20.

C.
H.________ und S.________ führen erneut Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und vollumfängliche
Abweisung der Schadenersatzklage; eventuell sei die Klage im Umfang von Fr.
7'345.30 gutzuheissen; subeventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vom 30.
Juni 2003 die für eine subsidiäre Haftung der Organe eines Arbeitgebers nach
Art. 52 AHVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung erforderlichen
Voraussetzungen (Organstellung, Schaden, Widerrechtlichkeit, Verschulden,
Kausalität, Nichtverwirkung), soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant,
richtig dargelegt. Dasselbe gilt für die vorinstanzliche Feststellung, wonach
hier nicht die mit dem (ab 1. Januar 2003 in Kraft stehenden) Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 geänderten Bestimmungen des AHV-Rechts zur Anwendung gelangen, sondern
nach wie vor die bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Vorschriften,
weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend
sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 166 Erw. 4b).

3.
Überdies hat das kantonale Gericht in tatsächlicher Hinsicht - wobei es die
in Erw. 1 hievor angeführte grundsätzliche Verbindlichkeit der
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung für das Eidgenössische
Versicherungsgericht (Art. 105 Abs. 2 OG) zu berücksichtigen gilt -
zutreffend erkannt, dass die nachmals konkursite Arbeitgeberfirma der ihr
obliegenden Beitragsablieferungs- und -abrechnungspflicht (Art. 14 Abs. 1
AHVG, Art. 34 ff. AHVV) in widerrechtlicher und schuldhafter Weise nicht
korrekt nachgekommen ist, was zum genannten, auf das Jahr 1990 entfallenden
Schaden von Fr. 28'471.20 führte. Angesichts der in der Firma herrschenden
überschaubaren Verhältnisse müssen sich dies die beiden Beschwerdeführer als
Mitglieder des Verwaltungsrates ohne weiteres voll anrechnen lassen.

Sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen
vermögen an dieser Betrachtungsweise nichts zu ändern: Die Beschwerdeführer
rügen zunächst eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz,
weil diese, ohne ihnen Gelegenheit zu einer entsprechenden Stellungnahme zu
geben, auf einen von den Parteibehauptungen abweichenden Sachverhalt
abgestellt habe. Sie hätten nämlich nicht mit dem Vorhalt des kantonalen
Gerichts rechnen müssen, wonach die Arbeitgeberfirma die Lohnbescheinigung
für das Jahr 1990 verspätet eingereicht habe, weil die Ausgleichskasse selber
"mit keinem Wort" einen dadurch verursachten Schaden behaupte. Dabei
übersehen die Beschwerdeführer, dass die Kasse bereits in ihren
Schadenersatzverfügungen vom 2. Juni 1992 den Schaden "im vorliegenden Fall"
auf die Missachtung der gesetzlichen Zahlungs- und Abrechnungspflichten
zurückführte ("die Arbeitgeber haben ausserdem den Ausgleichskassen
periodisch Abrechnungsunterlagen über die von ihnen an ihre Arbeitnehmer
ausbezahlten Löhne zuzustellen, damit die entsprechenden paritätischen
Beiträge ermittelt und in Rechnung gestellt werden können"). Kann demnach von
einer Gehörsverletzung durch die Vorinstanz keine Rede sein, erweist sich das
diesbezügliche Rechtsbegehren um Rückweisung der Sache an das kantonale
Gericht als unbegründet. Weiter bringen die Beschwerdeführer vor, selbst bei
rechtzeitiger Einreichung der Lohnbescheinigung für das Jahr 1990 bis Ende
Januar 1991 wäre die Arbeitgeberfirma nicht "so rasch veranlagt worden (...),
dass noch vor dem 31. März 1991 die Zahlungsfrist abgelaufen wäre", weil
"unter Berücksichtigung der damaligen Nachlässigkeit der Beschwerdegegnerin
im Abrechnungs- und Inkassowesen" die Rechnungsstellung durch die
Ausgleichskasse erfahrungsgemäss erst Mitte März, d.h. eineinhalb Monate nach
der (rechtzeitigen) "Deklaration der Lohnsummen" erfolgt wäre. Dieser Einwand
ist mit Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten unhaltbar, benötigte doch
die Kasse nach Eingang des am 12. April 1991 unterzeichneten
Lohnbescheinigungsformulars nur gerade eine Woche für die Erstellung der im
Rahmen des sog. Pauschalverfahrens erforderlichen Schlussabrechnung vom 19.
April 1991. Soweit die Beschwerdeführer schliesslich eine "Verjährung im
Prozess" geltend machen, übersehen sie, dass angesichts der Rechtsnatur der
Frist von Art. 82 Abs. 1 AHVV als Verwirkungsfrist mit der rechtzeitigen
Geltendmachung der Schadenersatzforderung die Verwirkung ein für allemal -
auch während des laufenden Schadenersatzprozesses - ausgeschlossen ist; erst
mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kommt die
Vollstreckungsverwirkung zum Zug, wobei Art. 16 Abs. 2 AHVG sinngemäss
anwendbar ist (ZAK 1991 S. 129 Erw. 2c mit Hinweisen; letztmals bestätigt für
den Schadenersatzprozess im Urteil K. vom 5. Februar 2003, H 183/01;
Nussbaumer, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art.
52 AHVG, in ZAK 1991 S. 383 ff. und 433 ff., S. 434; ders., Das
Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg],
Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998, S. 97 ff., S.
115).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2000.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
auferlegt und mit den geleisteten Kostenvorschüssen verrechnet; der
Differenzbetrag von je Fr. 1000.- wird den Beschwerdeführern zurückerstattet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 19. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: